„KUNST LOKAL“ Rheinfelden - fasziniert und bewegt
Von: Hans Berger
Ein freudiges, die Begeisterung zum Ausdruck bringendes „WAOW“ oder ein hinterfragendes, entsetztes „JESSES“ sind hörbare oder gedachte Reaktionen vieler Besucher beim ersten Blick in die, von der Rheinfelder Kulturkommission organisierten Ausstellung „KUNST LOKAL“ in der Kurbrunnenanlage Rheinfelden, welche am 16. Nov. ihre Vernissage hatte und am kommenden Sonntag um 16 Uhr mit einer Finissage ihre Tore bereits wieder schliesst.
„KUNST LOKAL“ Rheinfelden - fasziniert und bewegt
Das eher der Tradition und der Geschichte zugewandte Rheinfelden verlässt mit der beeindruckenden, den Geist herausfordernden Ausstellung nicht nur seinen abgestammten Pfad, sondern auch seinen oft etwas provinziell wirkenden Charakter.
Parallelen
Wenn auch im Kleinen, tun sich dennoch Vergleiche mit der 6. Landesausstellung EXPO 02 auf - wie damals, sind auch in Rheinfelden Künstlerinnen und Künstler am Werke, welche nicht der Kategorie „Otto Normal…“ angehören. Jene Besucher mit dem „JESSES“ auf den Lippen provozieren und Jene mit dem „WAOW“ begeistern sie, bei beiden Gattungen aber wecken sie die Sinne, was zu den Hauptaufgaben der Kunst gehört. Welche Sinne geweckt werden und was daraus resultiert ist sekundär.
Partnerschaft
So wenig die Vereinnahmung der BetrachterInnen das Ziel der Kunstschaffenden sein darf, dürfen sich die BetrachterInnen aber auch nicht zu Richtern aufspielen. Es gibt genügend Beispiele, in denen Machthaber meinten, dies tun zu müssen. Die Folge: die Kultur ging den Keller runter und mit ihr das gesellschaftliche Gewissen wie auch das intellektuelle Wissen der betroffenen Nationen.
Paul Klee meinte diesbezüglich mal: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“. Dafür aber müssen sich Augen und Geist der BetrachterInnen weit öffnen. Trotzdem kann es jedoch vorkommen, dass das sichtbar Gemachte nicht gesehen werden kann. Was nicht weiter tragisch ist, wenn dies keine gegenseitige Schuldzuweisung zur Folge hat.
„KUNST LOKAL“
Zugegeben, die Ausstellung in der Rheinfelder Kurbrunnenanlage kann provozieren, wie dies aber auch mal die Bilder von Vincent van Gogh vermochten und ihn zu der Feststellung veranlassten: „Ich kann nichts dafür, dass meine Bilder sich nicht verkaufen lassen. Aber es wird die Zeit kommen, da die Menschen erkennen, dass sie mehr wert sind als das Geld für die Farbe.“
Bestimmt schüttelten damals ab dieser Aussage viele der van Gogh-Kritiker genauso den Kopf, wie dies vermutlich auch einige der „JESSES-Besucher“ von „KUNST LOKAL“ tun. Für die Kunstschaffenden mag aber tröstlich sein, dass ihr niederländischer Kollege Recht hatte.
Trügerisch
Kunst wird aber tatsächlich erst erlebbar und spannend, wenn sie beispielsweise so herausfordert wie dies Roy Andres Hofer mit den mannigfachen Einkaufstaschen vor dem Rheinfelder Kulturtempel macht. Seiner Zeit voraus scheint Tobias Eder mit seinen Vorschlägen zur „Bewirtschaftung Rheinbrücke“ zu sein. Bei beiden Destinationen lohnt es sich, der Fantasie freien Lauf zu lassen.
Mögen Roy Andres Hofer und Tobias Eder die Gemüter erregt haben, beruhigen sie sich gewiss beim Betrachten der „Siebdrucke“ von Gido Wiederkehr. Die Ruhe ist allerdings trügerisch, denn im Ausstellungsführer ist vollziehbar nachzulesen: „Die Ordnung, das ist das Geheimnis - vorläufig. Sie ist das Unentdeckte, Unerforschte und daher paradoxerweise, beruhigend und herausfordernd in einem; die Ansteckung; die Energie.“
Alternative
Mit ihren farbenfrohen Eis-Cornets weckt Heike Schildhauer die Gaumenfreuden, allerdings könnten die Glacen im Hals stecken bleiben, weil die Künstlerin sie mit der Kälte der Gesellschaft in Verbindung bringt.
Pure Glückseligkeit vermittelt die schaukelnde Frau im Video von Christine Hagin Witz. Doch aufgepasst, was das Auge dem Gehirn meldet, sollte von diesem zwingend nochmals überprüft werden.
Wohl am heftigsten schütteln die „JESSES-Besucher“ den Kopf in der Trinkhalle, wo Kathrin Kunz mit Schwarzweiss-Bildern und Teegläsern eine Symbiose zum ehemaligen Zweck des Raumes schafft. Wer nicht hinterfragende Bilder bevorzugt, sollte als Alternative einen Blick auf die gefälligen Fresken werfen, welche dem Raum genauso das besondere Etwas verleihen wie die Rauminstallationen von René Faber.
Faszination
„Vorläufig erfinde ich die Gegenwart“ heisst das fesselnde Kunstvideo von Eva Borner und Hans Peter Gutjahr. Die disharmonische Vertonung und die auf den ersten Blick schemenhaften Bilder machen Wissbegierige gwunderig. In dem er sie nicht wie üblicherweise an eine Wand hängt, sondern auf dem Boden ausbreitet, präsentiert Oliver Theinert seine Fotos von der Kaiseraugster Grossüberbauung Liebrüti auf eine ungewöhnlich Art.
Beim Betreten des Konzertsaales sind die drei Babybilder besonders augenfällig, welche sofort die These: „Wir kommen aus dem Wasser, bestehen aus Wasser und enden als Staub im Wasser“ in Erinnerung rufen, womit sich die Künstlerin Alexia Papadopoulos auch tatsächlich beschäftigt, wie im informativen Ausstellungsführer nachzulesen ist. Faszinierend sind auch die fünf Gemälde von Tyrone Richards, in denen es ebensoviel zu entdecken gibt wie in den zwei grossformatigen Bildern von Michael Thümmrich.
Fazit
Die Ausstellung „KUNST LOKAL“ ist nicht nur eine Plattform für die Kunstschaffenden der Region, sondern verschafft auch „Otto Normal…“ zum Nulltarif eine spannende Einsicht in die moderne Kunstszene und belegt zudem Vincent van Goghs These: „Die Normalität ist eine gepflasterte Strasse; man kann gut darauf gehen - doch es wachsen keine Blumen auf ihr.“
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