Internationales Europa Forum Luzern
Von: mm/f24.ch
„Die Schweiz steht nicht in der Kritik, weil sie so viel falsch gemacht hat, sondern weil sie Vieles richtig macht und so erfolgreich ist.“, meinte Bundespräsident Ueli Maurer zur Eröffnung des öffentlichen Abends beim Europa Forum Luzern.
Im ausverkauften Luzerner Saal des KKL Luzern vor über 1’000 Zuhörerinnen und Zuhörern erläuterte der Bundespräsident weiter: „Die Schweiz hat von sich zwei verschiedene Bilder. Die einen sehen die Schweiz als Land, dessen Staatszweck die Freiheit ist. Die anderen sehen die Schweiz als Kleinstaat, dem es an Glanz und nationaler Grösse fehlt. Sie folgern daraus, zu etwas Grösserem gehören zu müssen. Diese zwei Sichtweisen haben die grossen Diskussionen im Land geprägt und prägen sie weiterhin. Vor konkreten politischen Fragen steht immer die Grundsatzfrage, ob man an die Zukunft eines kleinen Staates glaubt, oder ob man sie den Visionen eines Grossstaates opfern soll. Es herrscht Unbehagen im Kleinstaat – wir werden seit einigen Jahren kritisiert: mal sind es grosse Staaten, mal internationale Organisationen. Kritik wird schnell übernommen und die Medien helfen kräftig mit“, kritisierte der Bundespräsident.
Im anschliessenden Kurzinterview betonte Bundesrat Maurer, dass es für die Schweiz eine grundsätzliche Frage sei, ob sie fremdes Recht übernehmen wolle oder nicht. Die Schweiz sei nicht auf dem falschen Weg. Die EU sei der wichtigste Partner. „Aber wir lebten in einem anderen politischen System. Mit Blick auf die kommenden Abstimmungen müssten wir bezüglich des Verhältnisses zur EU in Varianten denken, weil die Schweiz mittelfristig nie der EU beitreten werde.“ Dennoch sei die Schweiz auch für die EU ein wichtiger Partner ergänzte Maurer.
„Nicht immer alles kleinreden“
Für mehr Selbstbewusstsein im Auftritt der Schweiz warb auch Dr. Wolfgang Schüssel, der ehemalige österreichische Bundeskanzler. Die Schweiz sei bei den Top 20 der Weltwirtschaft unter 159 Ländern, das sei doch eine grossartige Leistung. Man solle nicht von den Schwächen sprechen, sondern die Stärken betonen. Die Schweiz habe seit 1848 keinen einzigen Staatsbankrott oder Krieg erlebt. Ganz im Gegensatz zu einigen Euro-Staaten. Tolle Grossbanken, der Bankenplatz insgesamt und die multinationalen Konzerne seien die Schweizer Aushängeschilder. Diese müsse man pflegen, denn sie brächten enorm viel für das Land. Dies sei auch wichtig im weltweiten Kampf um Talente.
Gleichzeitig warb Wolfgang Schüsse nachdrücklich für ein Zusammenstehen der mittleren Staaten wie die Schweiz und Österreich und die Entwicklung von gemeinsamen Strategien im internationalen Kontext. Europa dürfe nicht nur als Bedrohung angeschaut werden. In globalen Zeiten sei jeder von jedem abhängig. Schüssel schloss seine Rede mit einem Zitat von Dürrenmatt: „Kleine Munitionsdepots sind ungefährlicher als grosse, wenn sie explodieren“.
„Aus der Erfahrung lernen“
In der anschliessenden Diskussionsrunde mit Wolfgang Schüssel, dem ehemaligen deutschen Botschafter Peter Gottwald, ABB Schweiz CEO Remo Lütolf und Professor Alfred Mettler wurde über das Verhältnis der Schweiz zur EU sowie über den Wirtschaftsstandort und den Finanzplatz Schweiz diskutiert. Dabei wies Lütolf auf die Trümpfe der Schweiz hin, mit denen sie in Europa bestehen könne – ohne auf die politischen Bande einzugehen. Mettler schätzte den Finanzplatz Schweiz als weiterhin entwicklungsfähig ein – wenn die Spielregeln für alle gleich seien.
Und Gottwald bekräftigte, dass die Schweiz ihre Stärken stärken, selbstbewusst auftreten und mit den internationalen Veränderungen umgehen müsse. Schüssel warnte vor den kommenden Abstimmungen und rief die politischen und wirtschaftlichen Führer dazu auf, sich in die Diskussion einzubringen. Und er meinte: „Mutmacher müssen den Menschen die Angst vor der Zukunft nehmen. Es ist so vieles in Entwicklung. Die nächsten 20 Jahre werden unheimlich spannend werden.“
„Das Bild der Schweiz ist gar nicht so schlecht“
Die Tagung befasste sich mit dem Thema „Swiss Images“. Ziel war es, einige Bilder der Schweiz zu skizzieren, und zwar sowohl aus Sicht des Auslandes, wie auch aus der Schweiz heraus betrachtet. Gängiges und Klischees sollten relativiert und Überraschendes an den Tag gebracht werden.
Dass die ausländische Wahrnehmung der Schweiz positiver ist, als gemeinhin angenommen wird, bekräftigten mehrere Referenten. Relativiert werde das Bild allerdings durch die Tatsache, dass dabei vor allem an die üblichen Klischee-Werte wie wirtschaftlicher Wohlstand, gute Berufsausbildung, hohe Lebensqualität, niedrige Steuern, grosse soziale Sicherheit und direkte Demokratie gedacht werde.
Betrachte man den Nations Brand Index von GfK, stehe die Schweiz derzeit auf Platz 8 von 50 Ländern, erläuterte Nicolas Bideau von Präsenz Schweiz. Und er meinte weiter, dass nicht alle Länder die Schweiz gleich gut beurteilten. In den Augen der Deutschen stünden sie besser da. Hingegen schätzten die Schweiz beispielsweise Frankreich und die USA bei verschiedenen Faktoren deutlich weniger positiv ein. Auffallend sei, dass Stichworte wie Innovation und Wettbewerbsfähigkeit nicht mit der Schweiz in Verbindung gebracht würden. Hier gebe es noch viel zu tun und man müsse das Schweizer Image der Modernität besser transportieren.
Integration ist wichtig
Zwei Drittel aller produzierten Güter der Schweiz werden im Ausland verkauft. In diesem hochkompetitiven Markt seien die Schweizer Unternehmer mehr und mehr auf ausländische Fachkräfte angewiesen. Beim internationalen Kampf um Talente spiele das Image des Landes eine wichtige Rolle.
Daneben sei eine umfassenden Betreuung und Integration dieser „Expats“ von entscheidender Bedeutung, wie General Manager Luigi Sorrentino ausführte. Und meinte weiter: „Wenn die Schweiz einen wettbewerbsfähigen Werkplatz behalten will, braucht es gut ausgebildete technische Arbeitskräfte. Wenn das nicht gelingt, werden Firmen längerfristig gezwungen sein, abzuwandern.“
Als eine der grössten „Expats-Gruppen“ werden die deutschen Arbeitnehmer wahrgenommen. Peter Gottwald bezeichnete denn auch das Verhältnis der Deutschen zur Schweiz als nicht ganz einfach. Die Schweizer zeigten Unbehagen, wenn man sich als Ausländer nicht anpasse. Auf der anderen Seite werden aber zu offensichtliche Assimilierungsbemühungen nicht begrüsst. Eigentlich wüssten die Deutschen und die Schweizer recht wenig voneinander, hätten wohl aber gerade deswegen viele Vorurteile. Es seien denn auch nicht nur die Deutschen, die an überfüllten Zügen und den teuren Wohnungen Schuld seien. Er warnte davor zu unterschätzen, wie viel Positives die Zuzüger für die Schweiz brächten.
Der Tagesmoderator Jan Atteslander, Geschäftsleitungsmitglied der Economiesuisse, konstatierte zum Abschluss, dass neben den vielfach genannten Klischees auch Modernität und Weltoffenheit zur Schweiz gehörten. Er stellte die Frage:„ Sollten wir sie nicht besser ausspielen?“ Zudem müsse es der Schweiz gelingen, neue Ansprüche und Spielregeln zu adaptieren und schneller zu agieren. Das 25. Europa Forum Luzern hielt, was es versprach: fundierte Analysen und aktuelle Lagebeurteilungen sowie eine spannende Wissens- und Vernetzungsplattform mit hochrangigen internationalen Experten.
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