Rehmann Museum - „Gehäuse“ im Haus
Von: Hans Berger
Die Redensart „sich in sein Schneckenhaus zurückziehen“ beschreibt, dass ein Gehäuse grundsätzlich abschirmt, eingrenzt oder gar begrenzt. Ein Umstand, der so gar nicht dem allgemeinen Bild einer Künstlerin/einem Künstler entspricht, denen doch die sprichwörtliche Weltoffenheit nachgesagt wird. Dem Rückzug ins Schneckenhäuschen ist meist eine Enttäuschung vorangegangen und kann zu so Fazits führen wie: „Nie mehr werde ich meine Hilfe anbieten", „Nie mehr jemandem Geld leihen", „Nie mehr einem Versprechen glauben", „Nie mehr so offen und naiv sein“. Jeder dieser Sätze ist ein schwerer Mauerstein, mit dem eine Mauer hochgezogen wird, welche letztlich zur eigenen Einkerkerung führen kann. Andererseits ist ein Gehäuse, sei es nun die eigene Wohnung, oder allenfalls nur das eigene Bett, auch eine Wohlfühloase, in die man sich nach längerer Abwesenheit gerne zurückzieht. Diese Diskrepanz zwischen Kerker und Wohlfühloase ist in der, vergangenen Samstag im Museum Rehmann mit einer Vernissage eröffneten Ausstellung „Gehäuse“ zu entdecken.
Mit je zwei „Brüstungen“ zeigt die junge Künstlerin Roberta Müller in den beiden Kunst-Schau-Fenstern beide Möglichkeiten auf. Da ist zum einen ein Treppengeländer, das einerseits hinab in den tiefen Keller, andererseits aber auch daraus heraus führt. Im zweiten Fenster jedoch verhindert die Balustrade ein sich freies Bewegen.
Grenzenlos offen
An der Vernissage hingegen dominierte eindeutig die Freiheit, wozu alleine schon das Museum mit seinen grossen Fensterfronten Hand bietet. Speziell war diese jedoch in der Musik des Querflötisten Dietrich Zöller spürbar, mit der er Bilder vom Frühling, wenn der letzte Schnee dahinschmilzt und die ersten Knospen spriessen oder vom Erwachen der Vogelwelt an einem Sommermorgen suggerierte.
In seiner Begrüssung meinte Meinrad Schraner, Vizeammann Laufenburg, dass der Aargau und insbesondere seine Stadt einen guten Nährboden für Kunstschaffende böten. Kuratorin Cornelia Ackermann gab sich in ihren Laudationen für die fünf ausstellenden Künstler Ruth Maria Obrist, Roberta Müller, Erwin Rehmann, Peter Hächler und Anton Egloff überzeugt, dass sie viel zum Thema Gehäuse zu sagen haben, weil dieses dafür grenzenlos offen sei.
Dekorative Kunst
Die gestandenen Künstler mögen es einerseits nicht besonders, wenn ihr Schaffen als „Dekorative Kunst“ bezeichnet wird, andererseits wollen sie aber doch, dass ihre Werke ausserhalb des Ateliers irgendwo einen Stammplatz bekommen. Dies ist aber nur möglich, wenn jemand aus x-welchen Gründen Gefallen an den Arbeiten findet und obendrein dafür auch noch einen freien Platz hat. Die Hauptmotivation für den Kauf ist dann meist der dekorative Effekt des Kunstwerkes, optimal ist dann natürlich, wenn es auch noch Aussagekraft hat und die Betrachter zum Nachdenken animiert.
Die Werke der zwei Künstlerinnen und drei Künstler vermögen diese Prämissen allesamt zu erfüllen, was ja aber nicht heisst, dass Allen alles gefallen muss, weil die Geschmäcker bekanntlich verschieden sind.
Das Leben
Die dichterischen, philosophischen Plastiken des Hausherrn sind für die Stammgäste vom Museum Rehmann sofort erkennbar. Sie laden förmlich zum Sinnieren ein. Die goldene Umrahmung einiger seiner Gehäuse erfüllen den dekorativen Aspekt, deren Innenleben hingegen wühlen auf, besänftigen, stimmen fröhlich, machen traurig. Kurzum, in Erwin Rehmanns Werken ist - je nach Blickwinkel und eigener Verfassung - das ganze Leben mit all seinen Höhen und Tiefen zu entdecken. Typisch dafür ist, dass eine Besucherin einen Aspekt eines Werkes als einen aus dem Ei schlüpfenden Vogel deutet, deren Partner darin aber eine zuschlagende Faust sah.
Grübeln
Während die Skulpturen von Erwin Rehmann in ihrem Platzanspruch mehrheitlich bescheiden sind, ist jener der Werke von Ruth Maria Obrist, Peter Hächler und Anton Egloff eher gross, um ihre Wirkung entfalten zu können und eignen sich daher eher für den öffentlichen Raum wie für die gute Stube, möge diese auch noch so gross sein.
Titel wie „Formation Carré“, „Rautenwürfel-Spiel“ „Rhomboederschlange“ von Peter Hächler oder Ruth Maria Obrists „Wand-“, respektive „Würfelobjekt“ wie ebenso Anton Egloffs „3 Etoiles filantes“ oder „7 Kneuel“ fordern die Betrachter nicht sofort zum tiefsinnigen Nachdenken auf. Weil ihre exakten geometrischen Formen mit den glänzenden Oberflächen nicht mit den von Dietrich Zöller suggerierten Bildern in Einklang zu bringen sind, laden jedoch auch sie sehr bald zum Grübeln ein.
Fazit: Es ist tatsächlich so wie dies die Kuratorin Cornelia Ackermann in ihrer Begrüssung ankündigte, die Ausstellung hat zum Thema „Gehäuse“ viel zu vermitteln und die darüber zu machenden Gedanken können spannend und grenzenlos zu sein.
Anmerkung:
Die ausführliche Fotoreportage verschafft lediglich einen Eindruck der Ausstellung, ersetzt jedoch nicht deren Besuch, da die Fotos weder die Intensität, noch die Farben und Perspektiven der Werke zu wiedergeben vermögen.
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