Renovator des ref. Kirchgemeindehauses Kaiseraugst
Von: Pfr. Andreas Fischer
Urs Wullschleger ist ehemaliger Kirchenpfleger und Kaiseraugster Ortsbürger. Derzeit ist er Bauführer bei der Renovation des reformierten Kirchgemeindehauses Kaiseraugst anlässlich von dessen 50-jährigem Bestehen. Einen besseren gäbe es nicht.
Urs Wullschleger (Fotos: zVg)
Die Renovation sei sanft, sagt Urs Wullschleger: „Der Eingangsbereich, der Sakralraum und das Unterrichtszimmer werden aufpoliert, die Vorhänge ersetzt.“ Den Jugendraum überlässt man der Initiative der Jugendlichen, „wenn die denn wollen“. „Jetzt müssen Junge ran, die das anpacken, man kann nicht immer auf den 70-Jährigen rumreiten“. Zu letzteren gehört Urs Wullschleger. Als das Kirchgemeindehaus im Jahr 1967 eingeweiht wurde, war er zwanzig Jahre alt.
Der damalige Pfarrer, Jürg Fahrni, hatte eine JK – eine Junge Kirche –
gegründet, Urs‘ älterer Bruder Peter Wullschleger war der erste Leiter. Als er wegzog, übernahm Urs, den im Dorf alle Wuli nennen, die Nachfolge. Es waren blühende Zeiten, mit Bibel-, Bastel- und Kegelabenden, Tanz- und Kniggekursen, Fresshöcken und Papiersammlungen, Lagern in Randolins, Landdiensten im Münstertal – „das waren die billigsten Ferien, die du damals haben konntest; mit achtzig Franken Monatslohn in der Stifti warst du froh darum“.
Tod und Liebe
Dann, im Herbst 1968, verunglückte Peter Wullschleger in den Bergen, ein halbes Jahr später heiratete Urs. Tod und Liebe, Tiefen und Höhen des Lebens waren für ihn von allem Anfang an mit dem Kirchgemeindehaus verbunden. Nach der Heirat verabschiedete sich Urs Wullschleger aus der JK, die Verbundenheit mit der Kirche blieb. 27 Jahre lang war er Vorstandsmitglied des reformierten Gemeindevereins, von 1978 bis 1994 Liegenschaftenverwalter der Kirchenpflege. Präsident war er nie, „ich wurstle lieber im Hintergrund“, sagt Wuli von sich. Unter seiner Bauführung kamen zum Kirchgemeindehaus Küche, Sitzungszimmer und Kirchturm hinzu.
Als er die Bauarbeiten für letzteren besichtigte, stellte er fest, dass der Turm am falschen Ort steht. Der Architekt hatte falsch gemessen. „Das akzeptiere ich nicht“, sagte Urs Wullschleger lakonisch, der Turm müsse verschoben werden. Dass das zuständige Architekturbüro nicht begeistert war, kann man sich vorstellen. Die Bitte, die auf den am 2. Juli 1988 aufgezogenen Glocken steht – „Dona nobis pacem“, „gib uns Frieden“ –, war von durchaus aktueller Bedeutung.
Die meisten Anekdoten, die Wuli aus den alten Zeiten der Kirchgemeinde und des Kirchgemeindehauses zu erzählen weiss, sind aber heiterer Art. Der Bazar fand zunächst, unter abenteuerlichen Umständen, auf dem Schulhausplatz und im Pfarrhaus statt, ab 1967 dann im Kirchgemeindehaus. Zeitweise führte Urs Wullschleger gemeinsam mit seiner Frau Susanne in einer Baracke vor dem Gebäude ein Raclettestübli, „die Härdöpfel wurden im Brunnen gewaschen und im Pfarrhaus gekocht“, mit nur zwei Öfeli wurde die Geduld der Gäste zwar in Anspruch genommen, aber nicht überstrapaziert, zum Überbrücken gab’s ja Weisswein.
In der Holzhackerbeiz, die später das Raclettestübli remplacierte, wurden „Schuhsohlen, eine Art Cordon bleu“ sowie Koteletten gebraten, der Käse kam aus dem Bündnerland, die Hacksteaks aus dem Entlebuch. Wuli sorgte für einen Dampfabzug ebenso wie für Kaffeerahmdeckeli mit Kaiseraugster Wappen, 500 an der Zahl.
Und weil der Frauenverein im Keller unten auf ihren Strickwaren sitzenblieb, verlagerte ihn Wuli kurzerhand in den Eingangsbereich. Es war November, manche dachten, sie werden frieren dort oben. Doch Wuli sorgte für Einkleidung mit Plastik, abgedeckten Boden, Heizung und Marktstände von der Liebrüti. Fortan lief das Geschäft, oben und auch unten, wo die Musiker der Kaiseraugster Harmonie jeweils nach der Probe ab- und nicht vor Morgengrauen wieder auftauchten.
LSD
Der andere Grossevent der reformierten Kaiseraugster Kirchgemeinde war der Familienabend. Er fand jeweils im Leue, dem Hotel Löwen statt, organisiert vom Gemeindeverein, dem Frauenverein, dem Kirchenchor und der Jungen Kirche. Ein Ensemble tanzte zu Schweizer Ländler und griechischem Sirtaki. Kuchen wurden auf langen Brettern in den Saal getragen.
Unvergesslich bleibt der Abend zum Thema LSD. Damit war nicht das Lysergsäurediethylamid gemeint, das einst seinen Aargauer Erfinder Albert Hofmann berühmt gemacht hatte, sondern die drei Kaiseraugster Ballungszentren: Liebrüti – Spiegelgrund – Dorf. Mittels zufälliger Zettel wurden Liebrütianer und Dörfler miteinander in Kontakt gebracht, manche der damals entstandenen Freundschaften sind bis heute über die Grenze der Gleise geblieben.
Noch vieles mehr hat Urs Wullschleger erlebt, was ihn mit Kirchgemeinde und Kirchgemeindehaus verbindet. Die Taufe seiner Töchter etwa im Rahmen von Badi-Gottesdiensten auf Campingstühlen unten am Rhein. Waldgottesdienste im Challeren, „da musstest du noch ziemlich hindere laufe“, am Weiher vorbei Richtung Tannenkopf.
Im Wald befindet sich Wuli sowieso oft. Er ist federführend auch im Natur- und Vogelschutzverein, ist der Kaiseraugster Storchenvater, der auch im Winter weiss, wo Camino sich herumtreibt. Der Kaiseraugster Ortsstorch trägt nämlich einen Chip, der ihn als Liebhaber Spaniens identifiziert. Den Wunsch des Schreibenden, doch ein Storchennest auf dem Kirchgemeindehaus zu installieren, kann Wuli, so gern er es täte, nicht erfüllen. Die Störche ziehen die alte Kirche der Christkatholiken vor. Und den Adler, den es im Gegensatz zum Löwen noch gibt.
Wo sie wollen. Wenn sie denn wollen.
Vielleicht wird sich im kommenden Jahr ein Paar auf dem Mast der Hochspannungsleitung gegenüber dem Kirchgemeindehaus installieren. Das wäre immerhin öppis. Doch man muss den Störchen ihre Freiheit lassen, sich dort einzunisten, wo sie wollen. Wie dem Heiligen Geist, der weht, wo er will. Und den Jugendlichen, für die der Jugendraum zur Verfügung steht. „Wenn sie denn wollen“.
Andreas Fischer, reformierter Pfarrer in Kaiseraugst.
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