Närrisch bunt mit Tiefgang – Kaiseraugster Fasnachtsgottesdienst
Von: Hans Berger
Dass die Fasnacht die Welt auf den Kopf zu stellen und die Grenzen so zu verwischen vermag, dass selbst eine „Guggemusik“ symphonisch klingt und gar ein Affe mit einem Pfarrer theologisch wie philosophisch Schritt halten kann, bewiesen am gestrigen Fasnachtsgottesdienst in der bis auf den letzten Platz besetzten Ref. Kirche Kaiseraugst d’Grossstadtchnulleris, Jutta Wurm Fischer und deren Ehemann Pfarrer Andreas Fischer.
Kaiseraugster Guggenmusik Grossstadtchnulleri
Es ist ja schon eigenartig genug, wenn die Kirchgänger in die entgegengesetzte Richtung, also nach hinten schauen müssen, um dem Pfarrer beim Predigen in die Augen schauen zu können, noch abnormer jedoch ist, wenn der Geistliche seine ihm gebührende Kanzel einem Affen überlässt und der Altartisch der Guggenmusik zu weichen hat.
Gegensatz
So kann durchaus nachvollzogen werden, wenn Pfarrer Fischer eingangs des Gottesdienstes schmunzelnd „klagte“ „Sie ziehen ein in mein Revier und machen ganz viel Lärm, sie wühlen meine Seele auf und mein Gedärm. In diesem Modus, Herrgott steh ich hier vor dir und bitte dich, mein Heiland, ach, please, helfe mir.“
Diesen Gegensatz von Lärm und innerer Einkehr zelebrierten allerdings auch die Grossstadtchnulleris bei ihrem - von der Perkussionsgruppe untermalten - Einmarsch in das Gotteshaus, indem das Trommeln sequenzweise verstummte und das mit seinem Outfit Weltpremiere feiernde Barock-Ensemble den festlichen Einzug unterbrach.
„Dr Pfaff und sin Aff“
Dass Pfarrer Andreas Fischer nicht nur ein exzellenter Prediger, sondern obendrein auch noch ein brillanter „Verslibrünzler“ ist, war wohl für viele der buchstäblich im ökumenischen Geiste versammelten Besucher eine Überraschung. Die Kunst dieser Dichtung ist bekanntlich, in Kürze die zu verrmittelnde Botschaft allgemein verständlich auf den Punkt zu bringen.
So vermochten dann auch „dr Pfaff und sin Aff“ (Zitat Pfarrer Fischer) in ihren Beiträgen - von der Begrüssung über die Predigt bis hin zum Segen - hoch theologische und philosophische Erkenntnisse herunterzubrechen, verliehen jenem Mann, auf den sich die Christenheit bezieht, ein menschliches Antlitz und machten ihn so zum „Kumpel“ der im Kirchgemeindehaus versammelten Menschen.
Ein Beispiel dafür ist die Zitierung von Lukas, Kapitel 7, Vers 33 bis 34: Johannes der Täufer ist gekommen, ass kein Brot und trank keinen Wein, und ihr sagt: Er hat einen Dämon. Ich, Jesus, bin gekommen, ich ass und trank, und ihr sagt: Seht, ein Fresser und Säufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern.
Der altkluge, vorwitzige Affe meinte - sich auf Angelus Silesius (1624-1677) berufend - frisch von der Leber weg: „Gott sind die Werke gleich, der Heil’ge, wann er trinkt, gefallet ihm so wohl, als wenn er bet’t und singt.“ Theobald habe wirklich zu allem einen passenden Spruch, meinte darauf der Pfarrer und ging darin bestimmt mit der grossen Mehrheit der KirchenbsucherInnen einig.
Rock me Amadeus …
… so das diesjährige Motto der Kaiseraugster Guggenmusik Grossstadtchnulleri, welche unter der Leitung von Fabienne Grossenbacher den Gottesdienst mit dem gleichlautenden Falco-Hit eröffnete und damit das Gotteshaus zum Rocken brachte. Die schillernde Persönlichkeit Falko Weisspflogs und dessen tragisches Ende thematisierte auch Pfarrer Fischer in seiner Predigt. Neil Diamonds „Sweet Caroline“ oder Bliggs „Manhatten“ - dessen Aufruf nach mehr Stil sich auch der Pfarrer nicht verschloss – waren weitere fetzige Nummern, für welche die Gugge frenetischen Applaus erntete.
Bevor die Chnulleris „Heimweh“ spielen konnten, wollte Affe Theobald nach der Intelligenz wohl auch sein gesangliches Können und seine Bodenhaftigkeit beweisen und sang den Refrain des Plüsch-Songs ein: „Un i ha Heimweh nach de Bärge, nach em Schoggi und em Wii…“. „Halleluja“ von Leonard Cohen und „Poppa Joe“ von den Sweet waren weitere Oldies, mit denen die rockigen „Symphoniker“ ihr Publikum beinah in "Exstase" versetzten.
Einen letzten Gegensatz im Kaiseraugster Fasnachtsgottesdienst setzte die Gugge mit ihrem Schlussstück „When the Saints Go Marching in“, wo sie doch eigentlich out gingen...
«Fürs Fricktal – fricktal24.ch – die Internet-Zeitung»