Wirtschaftsforum Fricktal – Perspektiven ohne und mit Fragezeichen
Von: Hans Berger
„Nichts ist so beständig wie die Veränderung“ meinte gestern Abend in Gipf-Oberfrick Christian Fricker, Präsident des Fricktal Regio Planungsverbands bei der Begrüssung der rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des vom Planungsverband organisierten, zwischenzeitlich elften Wirtschaftsforum Fricktal. Grund für das Zitat war das Thema „Fricktal: Fit für die Arbeitswelt 2030“, worüber Regula Ruetz, Direktorin von metrobasel und Karin Frick, Leiterin Research und Mitglied der Geschäftsleitung vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) referierten.
(v.l.) Karin Frick, Regula Ruetz, Christian Fricker
Wie an den zehn vorangegangenen „Wirtschaftsforum Fricktal“ wurde auch an der elften Tagung der gastgebenden Gemeinde ein „Werbeblock“ in eigener Sache zugestanden, was Regine Leutwyler, Frau Gemeindeammann von Gipf-Oberfrick ausführlich und informativ zu nutzen wusste.
Zuversicht
Auffallend am Titel „Fricktal: Fit für die Arbeitswelt 2030“ ist, dass er ohne Fragezeichen ist, was aufgrund der grossen Zeitspanne einerseits nicht selbstverständlich ist, andererseits aber von einer grossen Zuversicht seitens der Organisatoren zeugt, welche indes von Regula Ruetz, Direktorin von metrobasel eingangs ihres Referats mit der schmeichelnden Analyse „Das Fricktal ist eine erfolgreiche Wirtschaftsregion“ untermauert wurde.
Dass die chemisch-pharmazeutische Industrie der grösste Treiber dieses Erfolges ist, wie die Direktorin skizzierte, dürfte dann doch wieder Einige im Auditorium nachdenklich gestimmt und an die Zeiten vor 1940 erinnert haben, als das Fricktal noch ein „Auswanderungsland“ war.
Labsal für das Plenum war hingegen gewiss Ruetz’s Kompliment: „Im Gegensatz zum Kanton Baselland hat das Fricktal schon früh die Wichtigkeit der wirtschaftsspezifischen Standortfaktoren wahrgenommen und umgesetzt.“ Dies sei der Grund, weshalb die chemisch-pharmazeutische Industrie das Fricktal dem Baselbiet vorgezogen habe.
Als Herausforderung der Zukunft nannte die Referentin den demographischen Wandel, den Fachkräftemangel und die politischen Rahmenbedingungen, die digitale Transformation sowie die Vorbereitung der Mitarbeiter auf die integrationsbedingten Veränderungen und Qualifizierungen.
Niemand wisse, was die Zukunft bringe, sicher sei aber, dass die Arbeitswelt durch die Digitalisierung massiv verändert werde, prognostizierte Regula Ruetz und riet abschliessend: „Wenn das Fricktal frühzeitig die Weichen für die Zukunft stellt, hat es die besten Chancen, auch in Zukunft erfolgreich zu sein.“
Ob das Fricktal den Ratschlag umsetzt wird sich zeigen, sicher aber ist, dass die Direktorin von metrobasel mit diesem Satz die Weichen zur zweiten Referentin, die sich genau mit dieser Zukunft auseinandersetzte, richtig gestellt hatte.
Roboter mutieren zu Coboter
Dass die Digitalisierung auf dem Weg ist, sich die Welt zu erobern wird kaum noch ernsthaft bestritten. Doch dass diese Welt einmal so funktionieren wird wie sie Karin Frick, Leiterin Research und Mitglied der Geschäftsleitung vom Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) in ihrem, grosse Aufmerksamkeit erhaschenden, spannenden Referat gezeichnet hatte, scheint, trotz der fundierten Argumentationen, doch noch sehr surreal zu sein.
Dass sich der Roboter dereinst zum Coboter mutiert und somit den Rang einer Arbeitskollegin, eines Arbeitskollegen hat, ist derzeit noch kaum vorstellbar. Noch unmöglicher erscheint die Prognose, dass vor 2018 mehr als drei Millionen ArbeiterInnen von einem Roboter-Chef beaufsichtigt werden. Aus dieser Sichtweise fehlt daher dem Thema „Fricktal: Fit für die Arbeitswelt 2030“ hundertprozentig das Fragezeichen.
Denn wie Karin Frick zugestand, geht der Wandel zur Industrie 4.0 nicht ohne gehörige Turbulenzen vonstatten. Wie wird künftig die Wirtschaft funktionieren, wenn der 3D-Drucker ermöglicht, dass der Konsument zum Produzent wird, lernende Maschinen die Menschen ausbilden, die Hierarchie aufgelöst und Projektbezogen nur noch im Netzwerk gearbeitet wird?
Nein, dies alles sind keine Utopien. Diese neuen, meist regellosen Formen des Wirtschaftens werden so urplötzlich real sein wie beispielsweise der Online-Vermittlungsdienst zur Personenbeförderung „Uber“ oder der Community-Marktplatz für Buchung und Vermietung von Unterkünften „Airbnb“ traditionellen Branchen / Unternehmen das Leben schwer machen und die Hilflosigkeit der Politik und Justiz zur Schau stellen.
Sie ermöglichen jedoch auch eine „Reindustrialisierung“ des Westens und damit eine neue, zukunftsorientierte Perspektive für dessen Bevölkerung, gab sich Karin Frick überzeugt und zog abschliessend folgendes Fazit:
- Die Arbeitswelt wird transformiert - der Übergang von traditionellen zu neuen Arbeitsformen verursacht heftige Turbulenzen und dauert
- Flexible Arbeitsformen, -zeiten, -orte nehmen zu. Festanstellungen nehmen ab
- Die Grenzen lösen sich auf: zwischen intern und extern, arbeiten und lernen, Firma und Kunde, Erwerbstätigkeit und Ruhestand
- Hierarchien werden unwichtiger, Netzwerke werden wichtiger
- Wenn Digitalisierung alle gleich (effizient) macht, werden die Menschen wieder wichtiger als Erfolgsfaktor
- Entscheidend: Wem gehören die Roboter? Wie wird Energie produziert?
- Wie sollen Automatisierungsgewinne verteilt werden?
Keine Frage, beim abschliessenden Apéro, der in Ermangelung des bisherigen, respektive eines neuen Sponsors etwas bescheidener ausfiel wie in den vergangenen Jahren, fehlte es nicht an genügend Gesprächsstoff, wie zum Beispiel die zentrale Frage: wer bestimmt dereinst die Ethik, die Moral? Der Mensch oder die superintelligenten Coboter?
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