Kraftvolle Kunst im Kraftwerk Augst
Von: Hans Berger
„Was ist eigentlich ein Kraftort?“ – Eine Frage, welche eine Schamanin, ein Schamane, eine Esoterikerin, ein Esoteriker glaubt, sofort beantworten zu können. Nie und nimmer würden sie jedoch ein Kraftwerk gleichzeitig auch als Kraftort einstufen. Es sei denn, die „Magier“ hätten die gegenwärtige Ausstellung im Kraftwerk Augst mit Werken von Lukas Rapold, Matthias Reinhard, Katerina Apostolska und Daniel Infanger besucht.
Die vier Kunstschaffenden jedenfalls sind der Meinung, dass es keinen passenderen Ort als ein Kraftwerk gibt, um solchen Fragen wie „Wo entsteht die Kraft, was bewirkt sie, wo holt man sie?“ nachzugehen, respektive an Ort und Stelle zu beantworten. Falls die Definition stimmt, dass ein Kraftort ein Ort ist, der nach innen und aussen pulsiert und besondere Impulse abgibt, so muss das Kraftwerk Augst nur schon aufgrund der summenden Turbinen und des rauschenden Wassers ein Kraftort sein; wird der Ort dann noch mit starken Bildern und mystischen Texten komplettiert, sind sogenannte Boviswerte schon beinah selbstverständlich.
Auffallend
Das Maschinenhaus vom Kraftwerk Augst schafft einen gelungenen Kontrast zwischen zeitgenössischem Schaffen und dem altindustriellen Charme des damaligen Baustils. Der lichtdurchflutete Raum ist so riesig, dass die Kunstwerke auf den ersten Blick kaum wahrgenommen werden. Auffallend sind nur die zwei durchlöcherten Segel.
Sequenzentanz
Weil es das ja aber nicht gewesen sein kann, riskieren die Besucher einen zweiten Blick und sichten die blau gefärbten Fenster, die so kaum Bestandteil eines alten Industriebaus sein können, auch wenn damals (1908-1912) der Bau-Ästhetik mehr Bedeutung beigemessen wurde wie heute.
Es sind filigran gezeichnete Tänzerinnen, deren Posen die aus Mazedonien stammende Animationskünstlerin Katerina Apostolska sequenziell festhält. Nur beim schnellen Hingucken gleicht ein Bild dem anderen. Tatsächlich aber weichen sie in Millimetern voneinander ab, so dass sie im Video zu einem fliessenden, kraftvollen Tanz führen.
Partnerschaft
„Ist Lukas Rapold etwa ein Vandale, ein mutwilliger Zerstörer?“, könnten sich die einen oder anderen Besucher der Ausstellung beim ersten Sichtkontakt mit dessen zum Teil in Streifen geschnittenen Bildern denken.
„Kulturbanause!“, wäre vermutlich des Künstlers Reaktion auf eine entsprechende Frage. Zu Recht, denn die Fragenden haben übersehen, dass die Gemälde durch die verwobenen oder verdrehten Streifen eine dreidimensionale Wirkung erzeugen und sich beim Vorübergehen stetig verändern. Der Trick: Lukas Rapold bemalt beide Seiten der Leinwand. Der Effekt: schlichtweg genial. Des Künstlers Maxime: „Die Leinwand ist ein gleichberechtigter Partner!“, ist intellektuell zwar kaum nachvollziehbar, in seinen Bildern jedoch spürbar.
Gevatter Tod
Bedarf es noch eines Beweises, wie zerstörerisch die Wasserkraft sein kann, dann liefern diesen die eindrücklichen schwarzweiss Fotografien von Daniel Infanger. Dabei verzichtet er jedoch auf spektakuläre, angsteinflössende, machtlos machende Bilder der weisslichen Gischt aus Wasser und Luft. Nein, er zeigt das Danach. Bilder, die Nichtbetroffene beinah schon wieder als anmutig einstufen könnten, wenn Infanger den unsichtbaren, dennoch in den Bildern existenten Gevatter Tod nicht mitfotografieren würde.
Dichter und Denker
Goethe, Schiller, Rilke, Fontane, Heine, Lessing, Claudius und wie sie noch alle heissen, die grossen deutschen Dichter und Denker, sie sind in den Gedichten von Matthias Reinhard wiederzufinden.
Nein, Reinhard ist kein Kopierer der Grossen, er hat eine eigene Sprache, aber wie die grossen Poeten wählt er Worte, welche die Sache melodiös auf den Punkt bringen. Hinzu kommt, dass er in seinen Gedichten seine Urschweizerwurzeln nicht verleugnen kann und auch nicht will.
Worte über Worte zu finden ist noch schwieriger wie über Musik, sie müssen selbst gelesen, respektive gehört werden. Dies trifft insbesondere auch bei den Gedichten von Matthias Reinhard zu.
Anmerkungen:
Die bemerkenswerte Ausstellung ist bis 7. Mai im Kraftwerk Augst zu sehen. Die Öffnungszeiten: donnerstags von 17 bis 20 Uhr, freitags von 13 bis 17 Uhr, samstags von 14 bis 17 Uhr, und sonntags von 13 bis 17 Uhr.
Die ausführliche Fotoreportage verschafft lediglich einen Eindruck der Ausstellung, ersetzt jedoch nicht deren Besuch, da die Fotos weder die Intensität, noch die Farben und Perspektiven der Werke zu wiedergeben vermögen.
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