Überbleibsel aus dem Urknall
Von: Karl Guido Rijkhoek, idw
Jüngeren Entdeckungen zufolge sind in einer Entfernung von dreizehn Milliarden Lichtjahren supermassereiche Schwarze Löcher zu finden – sie entstanden bereits im frühen Universum. Schwarze Löcher bestehen aus einer derart kompakten Masse, das die von ihr erzeugte Schwerkraft in der Umgebung alle Materie und Energie in die Löcher hineinzieht. Als supermassereich oder supermassiv werden Objekte mit einer mindestens 100‘000-fachen Masse unserer Sonne bezeichnet.
Das Hubble Ultra Deep Field ist ein Bild, das in einer kleinen, 13,2 Milliarden Lichtjahre entfernten, Himmelsregion vom Hubble-Weltraumteleskop über einen Zeitraum vom 3. September 2003 bis 16. Januar 2004 aufgenommen wurde. Dabei wurde eine Himmelsregion ausgewählt, die kaum störende helle Sterne im Vordergrund enthält. Man entschied sich für ein Zielgebiet südwestlich von Orion im Sternbild Chemischer Ofen. Das Bild war bis zur Veröffentlichung im September 2012 das tiefste Bild des Universums, das jemals im Bereich des sichtbaren Lichts aufgenommen wurde. (Foto : NASA and the European Space Agency)
Bisher stellte die schnelle Entstehung der supermassiven Schwarzen Löcher, möglicherweise nur einige Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall (vor etwa 13,8 Milliarden Jahren), die Forschung vor Rätsel.
Nun ist es einem internationalen Forscherteam unter Beteiligung von Dr. Rolf Kuiper vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen gelungen, das Rätsel mithilfe einer Supercomputer-Simulation zu lösen: Gasströme mit Überschallgeschwindigkeit, die sich schon beim Urknall formierten, können die Bildung von schnell wachsenden massiven Schwarzen Löchern verursachen. Die neue Studie wurde in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
„Diese Erkenntnis ist ein bedeutender Fortschritt“, sagt der Autor Dr. Shingo Hirano, der zurzeit an der University of Texas in Austin forscht. Eine Entfernung von dreizehn Milliarden Lichtjahren entspricht dem Zustand des sich immer weiter ausdehnenden Universums zu einer Zeit, als es erst fünf Prozent des heutigen Alters erreicht hatte.
Bestehende Theorien zur Bildung und Entwicklung der Schwarzen Löcher in dieser gewaltigen Entfernung von der Erde griffen nicht, weil auch wenig über die beteiligten physikalischen Mechanismen bekannt ist. In theoretischen Studien hatten Forscher bisher vermutet, dass sich die Schwarzen Löcher aus Überresten der ersten Sternengeneration nach dem Urknall gebildet haben könnten oder direkt durch einen Gravitationskollaps einer frühen massereichen Gaswolke. Doch zeigte sich, dass die Prozesse viel zu lange dauern würden, um in kurzer Zeit supermassive Schwarze Löcher zu formen, oder zumindest hätte dies sehr spezielle Bedingungen erfordert.
Keim für ein extrem schnelles Sternenwachstum
Das Forscherteam entdeckte einen vielversprechenden physikalischen Prozess, durch den sich ein massives Schwarzes Loch schnell genug bilden könnte. Den Schlüssel bilden Überschallgasströmungen, die mit dunkler Materie wechselwirken. Dunkle Materie ist nicht sichtbar, Forscher können ihre Existenz nur indirekt erschliessen.
Die Supercomputer-Simulation des Forscherteams ergab, dass sich ein massiver Klumpen dunkler Materie 100 Millionen Jahre nach Entstehung des Universums gebildet hatte. Die dunkle Materie fing Gasströme mit Überschallgeschwindigkeit ein, die beim Urknall entstanden waren. Es bildete sich eine dichte, turbulente Gaswolke. Im Inneren begann sich ein Protostern, ein Vorstadium eines Sterns, zu entwickeln.
„Im umgebenden Gas war mehr als genug Material, das er aufnehmen konnte. Der Stern wuchs in kürzester Zeit zu extremer Grösse heran, ohne viel Strahlung abzugeben“, sagt Rolf Kuiper, der an der Universität Tübingen eine Emmy Noether-Forschungsgruppe zur Bildung der massivsten Sterne im heutigen Universum leitet.
Als der Stern die 34‘000-fache Masse unserer Sonne erreicht hatte, kollabierte er aufgrund seiner eigenen Schwerkraft und hinterliess ein massives Schwarzes Loch. Solche massiven Schwarzen Löcher aus dem frühen Universum wuchsen weiter oder verschmolzen zu supermassiven Schwarzen Löchern.
„Unseren Berechnungen zufolge müsste in jeder Richtung ein massives Schwarzes Loch in drei Milliarden Lichtjahren zu finden sein – dieser Wert deckt sich bemerkenswert gut mit der beobachteten Dichte supermassiver Schwarzer Löcher“, sagt Dr. Hirano.
Die Forscher gehen davon aus, dass die Studienergebnisse eine wichtige Grundlage für weitere Untersuchungen an massiven Schwarzen Löchern bilden. Denn davon, so hoffen sie, werden noch viele weitere entdeckt im weit entfernten Universum, sobald im kommenden Jahr das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA ins All geschossen wird und Daten liefert.
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