Saskia Engelmann - Volontärin der Agape (göttlichen Liebe)
Von: Pfarrer Andreas Fischer
Saskia Engelmann ist für die Betreuung der Fricktaler Kirchgemeinden während des Europäischen Treffens Taizé-Basel zuständig. Die Gemeinschaft von Taizé ist ein internationaler ökumenischer Männerorden in Taizé, ungefähr zehn Kilometer nördlich von Cluny, Saône-et-Loire, Frankreich. Bekannt ist sie vor allem durch die in Taizé und verschiedenen anderen Orten ausgerichteten ökumenischen Jugendtreffen, zu denen jährlich rund 100‘000 Besucher vieler Nationalitäten und Konfessionen kommen. Der Gründer und bis zu seiner Ermordung im Jahr 2005 als Prior der Gemeinschaft tätige Roger Schutz trug massgeblich zu der heutigen Popularität bei, die sich ungebrochen fortsetzt. Das Europäische Jugendtreffen von Taizé findet vom 28.12.2017 bis zum 01.01.2018. in der Region Basel statt. Erwartet werden rund 15‘000 junge Erwachsene aus ganz Europa, im Alter zwischen 18 und 35 Jahre. Sie werden von Gastgemeinden in der Region empfangen und während der Dauer des Treffens bei ihnen wohnen.
Saskia Engelmann - Volontärin der Agape
Saskia Engelmann, die kurz nach der Wende in Dresden zur Welt kam, wuchs in einem säkularen Milieu auf. In ihrer Klasse wurden von dreissig Jugendlichen nur fünf konfirmiert. Die anderen – auch sie selber – begingen den Übergang ins Erwachsenenalter in Form einer Jugendweihe. Ihre Eltern – der Vater Polizist, die Mutter Krankenschwester – verstehen Gott in gut marxistischer Tradition als Krücke.
2012 besuchte Saskia ein Konzert von Michael Patrick Kelly. Der als drittjüngstes Mitglied der Kelly Family bekannt gewordene Sänger machte eine Solotournee durch verschiedene Kirchen in Deutschland. Das Thema des Konzerts lautete: Agape, Liebe. Kelly, der kurz zuvor einen mehrjährigen Aufenthalt in einem Kloster abgeschlossen hatte, beendete das Konzert mit Stille, Kerzen und einem Gebet. Saskia war von Botschaft und Atmosphäre des Abends tief berührt.
Bald darauf erzählte sie einer Freundin von dem Konzert. Diese antwortete: „Das klingt ähnlich wie Taizé“, und fing an zu erzählen von der Klostergemeinschaft im Burgund. „Vermisst du’s?“, fragte Saskia „Ja, total“, sagte die Freundin. Am selben Abend beschlossen die beiden, nach Taizé zu fahren, eine Woche lang, im Sommer. Das Essen mit Plastikgeschirr am Boden, der Tagesrhythmus mit drei Gebeten, der Kontakt mit jungen Menschen aus aller Welt, die sich täglich in einer Kleingruppe trafen – all dies war für Saskia, die zuvor kaum je aus Dresden rausgekommen war, neu und faszinierend.
Die Kontakte von damals, mit Leuten aus Holland, Japan, Polen sind bis heute geblieben. „Mit Facebook geht das einfacher als früher“, sagt Saskia, „doch die sozialen Netzwerke erklären nur zum Teil die tiefe Verbundenheit, die in Taizé entsteht“. Eine Taizé-interne Regel laute, dass man sich dort stets zweimal treffe, weil nämlich die meisten wieder kommen. Auch Saskia kam wieder.
Wachsendes Feuer, wachsende Sehnsucht
Sie beschreibt das, was in jener Woche mit ihr geschah, in Bildern: Ein grosser Stein sei ins Rollen gekommen, wohin er rollt, das wusste sie damals noch nicht. Weiss sie auch heute noch nicht. Oder: In die zarte Flamme, die in jenem Konzert von Kelly entzündet worden war, warf „Taizé“ Holz. Das Feuer wurde grösser. Die Sehnsucht wuchs.
Saskia las nun spirituelle Bücher statt Romane. Und sie realisierte, was sie in Taizé erfahren hatte: Bedingungslose Liebe. „Eine Liebe, die nicht fordert, die nichts erwartet“, sagt sie. „Diese Liebe habe ich in Gott gefunden, und wenn du diese Liebe gefunden hast, dann sieht dein Leben anders aus.“
Zuhause arbeitete sie wieder auf ihrem gelernten Beruf, als Restaurantfachfrau, im Schillergarten, einem der traditionsreichsten Restaurants in Dresden. Die Arbeit, sagt Saskia, sei fordernd, anstrengend, schön. Nebenbei sei man in diesem Job auch noch Fotografin und Kindererzieherin.
2015 verbrachte sie einen Monat in Taizé, eine Woche davon in der Stille. Auch die inneren Prozesse einer solchen Schweigewoche beschreibt sie in Gestalt eines Bilds: „Du bist der Topf, die Gedanken sind die Suppe, Gott ist die Flamme, die Stille ist der Deckel. Dann fängt die Suppe an zu kochen. Und du siehst genau, wo du in deinem Leben stehst. Ich sah, dass ich nicht da stehe, wo ich hin will. Dass vieles noch geheilt werden darf.“ Bewusst sagt Saskia „darf“, nicht „muss“.
Im März 2016 kündete sie ihre Stelle, räumte ihre Wohnung, trennte sich von ihrem Freund. Und fuhr für mehr als ein Jahr nach Taizé. Dort wurde sie Leiterin des „Big Kitchen Teams“, das für die Wochenaufenthalter Essen kocht. Ihre Mitarbeiter waren alles Männer, alle über achtzehn Jahre alt – aus gutem Grund: Sie mussten in grossen Töpfen das Essen für bis zu 600 Personen rühren. Das braucht Kraft.
In der ersten Woche lief alles schief, der Strom fiel aus, ein Feueralarm wurde ausgelöst, die Töpfe wurden nicht heiss, eine falsche Zutat kam ins Essen. Nach dieser Woche dachte Saskia: „Das habe ich überlebt, jetzt kann kommen, was will“.
Pures Verständnis
Was – unter anderem – kam, war Saskias Taufe, vollzogen von John Sentamu, dem Erzbischof von York, dem ersten afrikanischstämmigen anglikanischen Bischof. Taufen – wie auch Hochzeiten – werden in Taizé prinzipiell nicht durchgeführt.
Der Grundgedanke der Kommunität ist es, die Menschen wieder nach Hause zu schicken, in ihre eigenen Lebenswelten und Gemeinden.
Bei Saskia, die in Dresden kirchlich nicht beheimatet ist, wurde eine Ausnahme gemacht. Der Erzbischof ging mit Saskia ins Nachbardorf zu einem der Kommunität befreundeten Ehepaar, das dort ein Anwesen mit Swimmingpool besitzt. Dreimal tauchte er sie rückwärts ins Nass, ihre Nase füllte sich mit Wasser, sie bekam kaum Luft. Bis heute hält der vielbeschäftigte Erzbischof den Kontakt zu seinem Täufling.
Der Advent in Taizé, erinnert sich Saskia, ist unfassbar schön. Da gibt es nicht viele Besucher, es ist ruhig und friedlich. Und sie selber, als Neugetaufte, habe die Weihnachtszeit anders als früher erlebt. Christus sei ihr nahe gekommen, als „pures Verständnis“. Wenn sie selber in diesem „puren Verständnis“ sei, dann sehe sie die Menschen um sich herum anders, neu. Und auch sich selber.
Ostern in Taizé ist gleichsam das Gegenteil von der Adventszeit. Da kommen alle. Da begegnet man jenen, die man von früher her kennt. Da singt man, in allen Sprachen, „Christus ist auferstanden“. Insgesamt habe sie während des langen Aufenthalts viel über Gemeinschaft gelernt, sagt Saskia, „du erkennst die eigenen Grenzen und überschreitest sie. Du lernst Kompromisse zu machen“.
Zurück im Ententeich
Der Weg zurück nach Dresden war nicht einfach. Auch ihn beschreibt Saskia bildlich: „Da hast du in einem Ententeich gelebt. Es war schön, du warst zufrieden. Doch dann hast du das Meer gesehen. Da fragst du dich: Warum kehre ich zurück zum Ententeich?“
Saskia änderte einiges, suchte sich eine stimmige Wohnsituation, reduzierte das Arbeitspensum. Und wartete auf Taizé-Basel. Nun ist sie hier, versucht, Kirchgemeinden im Fricktal fürs Mitmachen zu gewinnen, unterstützt die Teams, die sich fürs Mitmachen bereit erklärt haben. Sie tut es mit stillem Charme und vertraut auf Gottes Geist.
Pilgerweg des Vertrauens
Das Treffen in der Region Basel ist Teil des von Taizé entworfenen Pilgerwegs des Vertrauens auf Erden: Die Teilnehmenden machen sich auf, lassen die Sicherheit und das Bekannte ihrer Heimat zurück, um in Einfachheit Menschen an einem anderen Ort zu begegnen und sich von ihnen empfangen zu lassen. Im Gegenzug öffnen die Gastgeber ihre Häuser, empfangen fremde Menschen und sind bereit, ihr Leben eine Zeit lang mit ihnen zu teilen. So setzt das Treffen ein Zeichen für die gelebte Solidarität unter den Menschen.
Andreas Fischer, Ref. Pfarrer Kaiseraugst
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