Seit dem 1. Dezember 2009 ist der Vertrag von Lissabon in Kraft. Welche Änderungen bringt der Vertrag für die EU? Welche Auswirkungen hat er auf die Schweiz? Diese Fragen standen im Zentrum des diesjährigen Völkerrechtstags der Direktion für Völkerrecht des EDA. Europarechtsspezialisten und Vertreter von Verwaltung und Politik gaben Antworten. In ihrem Schlusswort äusserte sich EDA-Vorsteherin Micheline Calmy-Rey zur EU-Politik der Schweiz vor dem Hintergrund des Lissabonner Vertrags.
Mit dem Vertrag von Lissabon hat die Europäische Union (EU) ein neues Kapitel aufgeschlagen. Der Vertrag gab der EU eine neue Rechtsgrundlage und Instrumente für die weitere wirtschaftliche und politische Integration sowie zur Bewältigung künftiger Herausforderungen. Diese Entwicklung in der EU hat auch Auswirkungen auf die Schweiz und wird hier deshalb mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt.
An der Fachtagung vom 17. September im Berner Rathaus nahmen Michael Reiterer, Botschafter der EU in der Schweiz, Christa Markwalder, Nationalrätin und Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission, Ständerat Alain Berset, Thomas Pfisterer, ehemaliger Bundesrichter und Alt-Ständerat, Henri Gétaz, Chef des Integrationsbüros EDA/EVB (IB) sowie weitere namhafte Expertinnen und Experten teil. Das Schlusswort hielt Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Mit rund 270 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war das Interesse am Völkerrechtstag dieses Jahr ausserordentlich hoch.
Der ehemalige Direktor des Rechtsdienstes des Rates der EU, Professor Jean-Paul Jacqué, erläuterte in seinem Referat die Neuerungen, die der Lissabonner Vertrag gebracht hat. Die wichtigsten dürften die Stärkung des Europäischen Parlaments (EP) durch erweiterte Kompetenzen sowie die weitgehende Verdrängung des Prinzips der Einstimmigkeit durch das qualifizierte Mehr bei Abstimmungen im EU-Rat sein. Die Europarechtsprofessorin Christine Kaddous von der Universität Genf befasste sich in ihrem Referat mit den Neuerungen im Bereich der EU-Aussenpolitik, die auch für die Schweiz von besonderer Bedeutung sind. So hat die Schweiz zwei neue Ansprechpartner in Brüssel, den Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, und die Hohe Vertreterin der EU für Aussen- und Sicherheitspolitik Catherine Ashton.
Professor Roland Bieber erklärte schliesslich, wie die EU im Lauf ihrer Integrationsschritte immer demokratischer wurde. Der Vertrag von Lissabon hat in diesem Bereich klare Fortschritte gebracht. Stichworte sind die Stärkung des EP und die Ausweitung der Mitspracherechte der Bürger über die Schaffung der europäischen Bürgerinitiative. In einer Podiumsdiskussion vertieften EU-Botschafter Michael Reiterer, Nationalrätin Christa Markwalder und IB-Chef Henri Gétaz die Neuerungen des Lissabonner Vertrags und deren Auswirkungen auf die Schweiz. In einem zweiten Panel diskutierten Ständerat Alain Berset, Alt-Ständerat Thomas Pfisterer und Professor Andreas Auer von der Universität Zürich Aspekte der Demokratie und des Föderalismus in der EU.
In ihrem Schlusswort erläuterte Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, welche Auswirkungen der Vertrag von Lissabon auf die Schweiz hat. Neben der wichtigen Stärkung der Stabilität in Europa nannte sie auch neue Herausforderungen, die der Schweiz durch den Vertrag von Lissabon entstanden seien. Etwa die grösseren Anstrengungen, die ein Nichtmitgliedsland unternehmen müsse, um sich in Brüssel Gehör zu verschaffen. Der Weg der Schweiz dürfe das Land nicht in eine De-Facto-Mitgliedschaft in der EU ohne Mitbestimmungsrecht führen, hielt die EDA-Vorsteherin fest.
Die Direktion für Völkerrecht des EDA führt jeweils im Herbst eine Veranstaltung zu einem aktuellen völkerrechtlichen Thema durch. Der diesjährige Anlass wurde gemeinsam mit dem Integrationsbüro EDA/EVD sowie mit der Schweizerischen Vereinigung für Europarecht (ASDE) und der Schweizerischen Vereinigung für Internationales Recht (SVIR) organisiert.
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