Vogelküken in Not – oder doch nicht?
Von:NetAP/f24.ch
Jedes Jahr zur Brutzeit häufen sich Fundmeldungen über angeblich verwaiste Vogelküken, die hilflos auf dem Boden gefunden werden. Viele von ihnen werden in spezialisierten Auffangstationen abgegeben. Doch wann braucht ein Vogel tatsächlich menschliche Hilfe?
Blaumeisen (Foto: Pixabay)
Scheinbar hilflos sitzen im Frühling kleine Vogelküken am Boden und berühren die Herzen so mancher Tierfreunde, die von Mitleid übermannt den Piepmatz kurzerhand einsammeln und in eine Vogelpflegestation bringen.
Doch nicht immer freuen sich diese über die vermeintlich gute Tat, denn ein Grossteil der eingelieferten Patienten hätte gar keine Hilfe benötigt. «So erstaunlich es klingen mag: Manchmal ist es gerade diese menschliche Hilfe, die ein gesundes Vogelkind zum Pflegefall werden lässt.» erklärt Esther Geisser, Präsidentin und Gründerin der Tierschutzorganisation NetAP.
Sind die Kleinen flügge, müssen sie nicht nur das Fliegen und die Suche nach Nahrung erlernen, sondern auch die Gefahren des Vogellebens ausserhalb des Nestes kennenlernen. Unter den wachsamen Augen der Eltern hüpfen und flattern sie einige Tage am Boden und auf Ästen rum und durchlaufen so die Schule des Lebens. Verhalten sich die Küken ruhig, sind die Eltern wohl auf Futtersuche; weit weg sind sie allerdings kaum. Diese Vögel benötigen keine menschliche Fürsorge.
Immer Hilfe benötigen jedoch verletzte Tiere. Küken, die noch nicht vollständig befiedert sind, setzt man am besten, von den Vogeleltern unbeobachtet, ins Nest zurück. Ist das nicht möglich, brauchen auch sie Hilfe. Schliesslich sind auch Segler, die auf dem Boden gefunden werden, stets auf menschliche Hilfe angewiesen. Keinesfalls aber dürfen sie einfach in die Luft geworfen werden, um ihnen vermeintliche «Starthilfe» zu geben, was leider immer wieder vorkommt.
Nur eine Fachperson kann beurteilen, ob und wie stark der Segler verletzt ist. Wirft man ihn hoch und er stürzt erneut ab, kann aus einem einfachen Bruch, den man hätte behandeln können, rasch eine Splitterfraktur werden, die dann das Todesurteil bedeutet. Schwalben sind übrigens keine Segler und können durchaus auch vom Boden starten. Bei Unsicherheit kann ein Anruf bei einer Fachstelle rasch Abhilfe schaffen.
Gesund wirkende Jungvögel mit vollständigem Gefieder sind am Fundort zu belassen, ausser es sind keine Eltern in der Nähe. Um dies festzustellen, sollte man das Küken mindestens ein bis zwei Stunden aus sicherer Entfernung beobachten. Ist das Vogelkind aber durch Verkehr oder Katzen gefährdet, sollte es aus der Gefahrenzone entfernt in ein Gebüsch, auf einen Ast oder in eine Hecke versetzt werden, jedoch maximal 20 Meter entfernt vom Fundort. Die Eltern werden es finden und sich weiter um ihren Nachwuchs kümmern.
Das Anfassen des Jungtieres ist übrigens kein Problem. Im Gegensatz zu manchen Säugetieren stören sich Vögel nicht am Geruch des Menschen. Entsprechend werden die Jungtiere problemlos von den Altvögeln wieder angenommen.
Vögel, die Hilfe brauchen, gehören ausnahmslos in Fachhände. «Es ist gegen das Gesetz, sie zuhause zu versorgen», erklärt Juristin Geisser. Die Kleinen brauchen Wärme. Am besten packt man sie in eine kleine, mit Haushaltpapier ausgestopfte Schachtel mit genügend Luftlöchern, stellt diese auf eine Wärmflasche, und bringt sie so zum Tierarzt oder in die nächste Vogelauffangstation. «Auf gar keinen Fall darf man Vögeln – ob jung oder erwachsen – Wasser oder Futter einflössen. Das kann sehr schnell tödlich enden!» warnt Esther Geisser.
Auch Katzenhalter können viel dazu beitragen, den Vogelkindern einen besseren Start ins Leben zu ermöglichen. Sind im Garten junge Piepmätze flügge, sollte man den Miezen zwei, drei Tage Hausarrest verpassen. Die Vogelwelt wird es danken, die Katzen werden es verzeihen.
NetAP
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