Ständerat-Kommission relativiert Atomausstieg
Die Energiekommission des Ständerats (UREK-S) will die Option Atomenergie nicht ganz beerdigen. Sie hat der vom Nationalrat beschlossenen Ausstiegs-Motion in abgeänderter Form zugestimmt. Geht es nach der grossen Kammer, soll der Bund keine neuen Atomkraftwerke bewilligen. Die Energiekommission des Ständerats schlägt nun ihrem Rat vor, diesen Satz aus der Motion des Nationalrats in einem entscheidenden Punkt abzuändern. Nur neue Kernkraftwerke der heutigen Generation sollen verboten werden. Der Bau von AKW mit neueren Technologien soll dagegen nicht ausgeschlossen werden. Von der vom Nationalrat geforderten gestaffelten Stilllegung der bestehenden Atomkraftwerke ist im abgeänderten Motionstext nicht mehr die Rede. In der Gesamtabstimmung hiess die Kommission die abgeänderte Motion mit 11 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen gut, wie Kommissionspräsident Rolf Schweiger (FDP/ZG) gestern Dienstag vor den Medien in Bern sagte. Nachstehend einige Reaktionen auf den doch eher unerwartenden Entscheid:
FDP Schweiz
Medienmitteilung vom 30.8.11
FDP.Die Liberalen begrüsst, dass die ständerätliche Kommission den Fehler des Nationalrats korrigieren und das generelle Verbot auch zukünftiger, sicherer Nukleartechnologien streichen will. Zudem soll ein vorzeitiger Ausstieg, der die Versorgungssicherheit gefährdet, verhindert werden. Die FDP ist erleichtert, dass nun im Ständerat die Vernunft wieder in die Atomdebatte zurückzukehren scheint, nachdem Bundesrat und Nationalrat einen überhasteten, unausgereiften Ausstiegsentscheid getroffen hatten. Bereits vor der Sommersession hatte sich die FDP als erste Partei klar gegen ein Technologieverbot ausgesprochen. Den Neubau von Kernkraftwerken mit der aktuell verfügbaren Technologie lehnt die FDP hingegen ab und fordert einen liberalen Umbau der Energieversorgung dank mehr Markt, Innovation und Bürokratie-Stopp.
Die FDP-Liberale Fraktion hatte sich in der Abstimmung der grossen Kammer zur Motion Schmid enthalten – um im Ständerat ihre Forderungen einzubringen. Dies ist nun in einem ersten Schritt gelungen. Erst letzten Samstag verabschiedete die FDP-Delegiertenversammlung die Resolution "Arbeitsplätze brauchen günstige und sichere Energie", welche diese Positionen bekräftigte. Denn die Energiepolitik der Zukunft darf nicht mit massiv höheren Preisen auf Kosten der Bürger und Unternehmen gestaltet werden. Erst recht in der jetzigen Wirtschaftskrise dürfen die Betriebe nicht mit höheren Energiepreisen in die Knie gezwungen und Arbeitsplätze vernichtet werden.
CVP Schweiz
Medienmitteilung vom 30.8.11
Umfassende Energiestrategie ohne Atomkraft gefordert
Es sollen keine Rahmenbewilligungen für Atomkraftwerke der heutigen Generation mehr erteilt werden. Kernkraftwerke, die den Sicherheitsvorschriften nicht mehr entsprechen, sind unverzüglich abzustellen. Dies hat die ständerätliche Energiekommission heute auf der Basis der Motion Schmidt beschlossen.
„Der Entscheid war einstimmig“ sagt Ständerat René Imoberdorf. Ergänzt wurde die Motion mit der Forderung, Bildung, Lehre und Forschung in sämtlichen Energietechnologien weiterhin zu unterstützen. Weiter soll eine Strategie für eine zukünftige Energieversorgung ohne Atomenergie ausgearbeitet werden mit dem Ziel, eine möglichst vom Ausland unabhängige Stromversorgung sicherzustellen.
SP Schweiz
Medienmitteilung vom 30.8.11
Schritt Richtung Atomausstieg - aber mit Wermutstropfen
Die Umweltkommission des Ständerats hat heute den Kurs von Bundesrat und Nationalrat im Grundsatz bestätigt und einen weiteren Schritt hin zum Atomausstieg gemacht.
Dies ist zunächst ein Erfolg für die SP und die Grünen, welche seit Jahren auf die Gefahren der atomaren Energiegewinnung hinweisen. Andererseits belegt der Ausstiegswille, dass sich auch die bürgerlichen Parteien dem vollständigen Umstieg auf die Erneuerbaren nicht länger verschliessen können – eine Tatsache, wie sie noch vor einem halben Jahr undenkbar gewesen wäre. Grosser Wermutstropfen in der momentanen Vorlage bleibt die Hintertüre, welche die Kommission offen lassen möchte, um dereinst Atomrektoren zukünftiger Generationen in Betrieb zu nehmen. Die SP Schweiz hofft, dass der Ständerat in seiner Plenumsdiskussion auf diesen Entscheid zurück kommt und den Atomausstieg endgültig beschliesst.
Grüne Schweiz
Medienmitteilung vom 30.8.11
Rückschritt beim Atomausstieg
Der Entscheid der Umweltkommission des Ständerats (UREK-S), die Motion von Roberto Schmidt zum Atomausstieg abzuschwächen, ist enttäuschend. Er zeugt von mangelndem politischen Willen, jetzt wirklich die Energiewende einzuläuten, und kommt einem Kniefall vor der Atomlobby gleich. Mit dem Druckwasserreaktor wäre laut dem ständerätlichen Entscheid schon bald ein neues AKW in der Schweiz möglich.
Die Grünen sind sehr enttäuscht über den Entscheid der UREK-S, den definitiven Atomausstieg aus der Motion von Roberto Schmidt zu streichen. Die Energiewende rückt damit in weite Ferne, falls das Plenum den Entscheid nicht korrigieren wird. Denn für die Energiewende braucht es eine Planungssicherheit für Investitionen in dezentrale Lösungen zu Gunsten von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien.
Der Entscheid der Ständeratskommission bedeutet jedoch eine Konzession an d ie Energiekonzerne zu Gunsten von zentralen Lösungen. Denn mit dem neuen Text ist sogar der Bau eines Druckwasserreaktors, wie er derzeit in Finnland gebaut wird, möglich.
Die vierte Generation von AKW bringt nichts
Reaktoren der neuen Generation, die grundsätzlich anders konzipiert sind als die verfügbaren Modelle, dürften laut Ständeratskommission in Zukunft gebaut werden. «Generation 4», «Thorium», «Small and ModularReactors», «Kernfusion» heissen die Modelle, die zur Diskussion stehen. Diese Reaktortypen gibt es allerdings erst auf Papier und im Versuch. Die kommerzielle Nutzung ist frühestens in 40 bis 50 Jahren möglich.
Die Kosten dieser neuen AKW-Generation sind noch vollkommen offen, denn die Sicherheitsanforderungen steigen zum Glück laufend. Die erneuerbaren Energieträger werden im Gegensatz dazu immer billiger. Ein Restrisiko bleibt zudem auch bei der vierten Generation immer best ehen, da bei jeder Spaltung Radioaktivität frei wird. Zudem wird es nach wie vor radioaktiven Abfall geben.
Initiative nötiger denn je
Der heutige, in den Augen der Grünen unverständliche Entscheid der UREK-S zeigt, dass die Grüne Atomausstiegsinitiative nötiger denn je geworden ist. Dank der Initiative kann die Bevölkerung die Energiewende mittels einer Abstimmung rasch verbindlich in der Verfassung verankern. Auf diese Weise lässt sich der Atomausstieg nicht mehr mit einem einfachen Parlamentsbeschluss rückgängig machen.
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