Pfarrhaus Obermumpf - Von der „Bruchbude“ zum Bijou
Von: Hans Berger
Nach dem Motto „Altes bewahren, Neues ermöglichen“ wurde im Frühling in Obermumpf die Renovation des 1947 in Privatbesitz gelangten, 1979 von der Christkatholischen Kirchgemeinde Wallbach/Obermumpf erworbenen und seit 2006 unter kantonalem Denkmalschutz stehende, ein Stück Aargauer Kirchengeschichte widerspiegelnde einstige Pfarrhaus in Angriff genommen. Als Besonderheit fand sich im Sockelgeschoss ein grosser Lagerraum, in dem ursprünglich der Wein-Zehnte gelagert wurde und inskünftig nun als Festsaal dienen soll. Von grossem Seltenheitswert ist auch die um 1738 erbaute und heute noch existierende Abtrittlaube (Plumpsklo), eine für die damalige Zeit ausgesprochen komfortable Hygieneeinrichtung.
Pfarrhaus Obermumpf - Von der Bruchbude zum Bijou
Am Tag der offenen Tür...
Wie oft hat in diesem Haus ein Pfarrer stundenlang über seiner sonntäglichen Predigt gebrütet? Wie oft ist er dabei ab der eigenen Diskrepanz zwischen dem, was ihm die Bibel vorgibt zu predigen und der eigenen Lebensart verzweifelt? Welcher Geist mag in diesem Haus geherrscht haben, als in der Folge des Kulturkampes dem darin wohnenden katholischen Pfarrer und anderen seiner Kollegen im Fricktal, per Bundesgerichtsentscheid die Kirche genommen und den Christkatholiken zugesprochen wurde?
Welch hohes Glück ist doch den hölzernen Balken und Pfeilern beschieden (die ältesten tragenden Eichensäulen ist in der Zeit zwischen 1290 und 1480 gewachsen), dass sie zum Teil seit 1480 das Haus stützen und dessen Last tragen dürfen und seinerzeit, als aus dem Leben gerissener Baum, nicht einem wärmenden Feuer zum Opfer fielen.
Diese und weitere Gedanken könnten am Tag der offenen Tür vom kommenden Sonntag ab 11.00 Uhr manch anderen Besuchern beim Inspizieren des neu renovierten Pfarrhauses in Obermumpf durch den Kopf schiessen. Inspirierende Wirkung dafür hätte bestimmt auch die Teilnahme am von Pfarrerin Denise Wyss geleiteten Festgottesdienst um 9.30 Uhr.
Respekt
Würde sich die Religionszugehörigkeit der gläubigen Christen alleine nach der Schönheit der Gotteshäuser richten, so müssten im unteren Fricktal die Christkatholiken die grösste Religionsgemeinschaft sein. Weil aber das Gegenteil der Fall ist, muss dem Mut und Engagement der christkatholischen Kirchgemeinde Obermumpf/Wallbach umso mehr Respekt gezollt werden, dass sie nach der Renovierung der 1302/04 erstmals urkundlich erwähnten Pfarrkirche St. Peter und Paul von Obermumpf nur gerade mal acht Jahre später 1.08 Millionen Franken in die Hand nimmt, um aus einer „Bruchbude“ ein Bijou zu machen.
Was aber nur dank der guten Zusammenarbeit sowohl mit dem Architekturbüro Buser und Partner AG Aarau wie auch mit der Denkmalpflege vom Kanton Aargau möglich gewesen sei, wie Kirchenpflegepräsidentin Gaby Hasler und Baukomitglied Eva Frei betonten. Ein Kompliment, das die empfangenden Architekten Urs Meyer und Hans-Peter Leibundgut wie auch die Denkmalpfleger Isabel Haupt und Reto Nussbaumer sofort zurückgaben.
Weinkeller und Abtrittslaube
Das Pfarrhaus - ein quer zum Hang gestelltes steinernes Gebäude, an welches ein hölzerner Laubengang mit Abort angefügt ist - entstand in mehreren Phasen. Bis zu seiner Errichtung im späten 15. Jahrhundert residierten die Pfarrherren in Säckingen. Der älteste, dem Tal zugewandte Gebäudeteil konnte aufgrund dendrochronologischer Untersuchungen in die Jahre um 1480 datiert werden.
Hier finden sich im Sockelgeschoss noch grosse, flach gedeckte Lagerräume, die zur Aufbewahrung des beträchtlichen Wein-Zehnten dienten. Zwischen 1685–1694 liess Pfarrer Heinrich Schneblin das Pfarrhaus für über 460 Pfund renovieren und hangseitig um eine Raumachse erweitern.
In die Zeit des Kirchenneubaus von 1738 fällt der Bau der heute noch existierenden Abtrittlaube, die für ihre Zeit eine ausgesprochen komfortable Hygieneeinrichtung darstellte und die grossen Seltenheitswert hat. Das Abtrittgehäuse aus verputztem Fachwerk bildet das Kopfende der Laube, die als solide gefügte, gänzlich eingewandete Ständerkonstruktion mit profilierten Brüstungshölzern und karniesförmigen Bügen gestaltet ist.
Das Dachwerk über dem talseitigen Hausteil wurde 1765/66 vollständig als grosses Krüppelwalmdach erneuert. Ein umfangreiches Sanierungsprojekt für das bereits seinerzeit unter der permanenten Hangfeuchtigkeit leidende Gebäude wurde 1808 bewilligt. 1874 besserte Josef Stocker den schon Jahre zuvor "in einem bösen Zustand" befindlichen Dachstuhl aus.
Kurz darauf erhielt Maurermeister Johann Nepomuk Meyer den Auftrag zur Sanierung des einsturzgefährdeten Küchenbodens, was auf Empfehlung des Hochbaumeisters mittels einer eisernen Balkenlage geschah. (Quelle Kantonale Denkmalpflege Aargau)
Altes bewahren, Neues ermöglichen
Das historische Bruchsteinmauerwerk des Pfarrhauses litt lange unter Feuchtigkeitsproblemen, die nun dank einer neuen Drainage und der Abnahme des schädlichen Zementverputzes verringert werden. Die seltene Holzlaube ist restauriert, das Dachwerk statisch gesichert und die Ziegeldeckung teilweise ersetzt.
Zur imposanten Wirkung des Pfarrhofes trägt der neue Anstrich bei, der sich an Farbbefunden orientiert. Da die historischen Fenster nicht mehr vorhanden waren, wurden nun neue, zum Pfarrhaus passende Holzfenster eingebaut, die zudem einen guten Wärmedämmwert haben. Das Dach wurde bewusst nicht ausgebaut, so dass seine ruhige Dachfläche weiterhin mit dem Kirchendach zusammenspielt. Eine wärmetechnische Verbesserung wird auch hier erreicht, indem der Estrichboden gedämmt wurde.
Im Innern wurde die Wohnung im Erdgeschoss, die sich durch ihre erhaltenen historischen Oberflächen (Kreuzriemenboden, Täfer) auszeichnet, denkmalgerecht instandgesetzt. Der Keller, in dem ursprünglich der Wein-Zehnten gelagert wurde, ist von störenden späteren Einbauten befreit und wird neu als Festsaal nutzbar gemacht. Seine erste Bewährungsprobe wird er beim Einweihungsfest am 30. Oktober haben. (Quelle: Kantonale Denkmalpflege Aargau)
Jede/r 5. ChristkatholikIn lebt im Fricktal
Die grössten Kirchgemeinden in Bezug auf die Mitgliederzahl sind Zürich, die den ganzen Kanton umfasst, mit 1700 Mitgliedern, davon etwa ein Drittel in der Stadt selbst, Möhlin mit zirka 1000 Mitgliedern, Bern mit zirka 800 (davon zirka 230 in der Stadt selbst) und die Kirchgemeinde der Region Olten mit zirka 630 Mitgliedern (davon zirka 390 in Olten).
Die stärkste Konzentration an Christkatholiken liegt im Fricktal, wo in den Kirchgemeinden Kaiseraugst, Magden/Olsberg, Möhlin, Obermumpf/Wallbach, Rheinfelden und Wegenstetten/Hellikon/Zuzgen insgesamt etwa 2’500 Christkatholiken leben, und damit fast jedes fünfte Mitglied der Christkatholischen Kirche der Schweiz. Die politische Gemeinde mit den meisten Christkatholiken ist Möhlin (ca. 1.000). In der Gemeinde Hellikon hingegen wohnen anteilsmässig am meisten Christkatholiken (rund 20 % der Einwohner). Weitere starke Konzentrationen befinden sich im Kanton Solothurn und im Raum Basel. (Quelle: Wikipedia)
«Fürs Fricktal – fricktal24.ch – die Internet-Zeitung»