Stein auf Stein - Trockenmauer Wittnau
Von: Hans Berger
Schuld daran, dass in Wittnau seit vergangenem Montag eine fünfzehn Meter lange und ein Meter hohe Trockenmauer am Entstehen ist sind die Römer, weil es einem von ihnen vor rund 2000 Jahren gefallen hat, in Wittnau eine Villa zu bauen, deren Grundmauer vergangenes Jahr beim Aushub für eine Wohnbaugenossenschaft entdeckt, nach der archäologischen Dokumentation jedoch dem Neubau weichen musste.
Dies rief den heimischen Natur- und Vogelschutzverein auf den Plan, welcher jährlich ein Projekt umsetzt. Die zündende Idee, die „Römersteine“ für eine Trockenmauer zu verwenden, kam von deren Präsidenten, Benno Zimmermann. Wie er an der gestrigen Medienorientierung berichtete, zeichnete sich das Gebiet „Sundel“, welches ursprünglich „Sonnental“ hiess, mit seiner südexponierten Lage sowie dessen naturnaher Umgebung mit Magerwiesen, Asthaufen, grossem Bienenhotel, Hochstammbäumen, alten Mauerresten vom ehemaligen Rebberg und den bereits ansässigen Eidechsen auf Anhieb als idealer Standort für eine künftige Trockenmauer aus.
Gewusst wer
Soweit so gut, das Projekt lag handkehrum auf dem Tisch und die Landbesitzerin war im Nu davon überzeugt, doch umgesetzt war es damit noch lange nicht, weil dem Verein dafür schlichtweg das Know-how und Personal fehlte. Was Anja Trachsel, Projektleiterin Natur und Landschaft vom Jurapark Aargau (JPA) an der gestrigen Medienorientierung sagte: „Wir sind der ideale Partner für solche Vorhaben“ wusste bereits im Vorfeld auch Benno Zimmermann.
Frondienst
Und so kam es wie es kommen musste: nachdem sich der Gemeinderat Wittnau positiv zur Trockenmauer geäussert hatte, wie Frau Vizeammann Gertrud Häseli gestern versicherte, holte der JPA die 1976 gegründete Stiftung Umwelteinsatz (SUS) mit an Bord und damit war die Mauer eigentlich beinah schon fertig, wenn da nicht noch das Problem der Rekrutierung von zehn freiwilligen „Steinmetzen“ gewesen wäre.
Doch kaum war die Aufgabe erkannt, war sie auch schon gelöst, wie von Mathias Steiger, Leiter Stiftung Umwelteinsatz Schweiz zu erfahren war. Das Team sei so hoch motiviert, dass es zum Feierabend machen beinah gezwungen werden müsse, meinte Steiger begeistert.
Dabei ist es im wahrsten Sinne des Wortes „Knochenarbeit“, was die fünf Frauen und fünf Männer während ihrer einwöchigen „Ferienzeit“ in Wittnau leisten. Welche jedoch von der Natur bereits im Übermass honoriert worden sei, da bereits die ersten Eidechsen Quartier bezogen hätten, wie ein „Hobbymaurer“ begeistert feststellte.
Puzzle
Vergleichbar ist der Bau einer Trockenmauer mit jenem einer Scheiterbeige, deren Standfestigkeit massgebend vom Fundament und dem richtigen Verkeilen der einzelnen Teile abhängt. Der wesentlichste Unterschied indes liegt in der immensen Differenz der Gewichte.
Passt mal ein Holzscheit nicht ins Schema, ist es schnell ausgetauscht, passt jedoch ein Steinklotz nicht, ist der Irrtum im Nu mit ein paar zusätzlichen Schweisstropfen zu begleichen. Ganz zu schweigen davon, wenn einem beim Hantieren so ein Brocken auch noch auf die Füsse fallen würde.
Darum lautet wohl die oberste Losung der Steinmetze: „Drum prüfe zuerst, was du ewig binden willst!“ Zumal diese Verbindung gut zweihundert Jahre anhalten kann, sofern sie von den Menschen gehegt und gepflegt wird, wie Mathias Steiger versicherte.
Stein auf Stein
Das Prinzip einer Trockenmauer: viele Steine, die „trocken“ aufeinandergeschichtet werden. Das bedeutet im Klartext, dass die Fugen nicht mit Mörtel verfüllt werden, was mehrere Vorteile bietet: zum einen nesten sich Pflanzen ein, zum anderen locken sie Nützlinge wie zum Beispiel Wildbienen, Hummeln, Eidechsen und Blindschleichen an, die in den Mauerritzen Schutz und Bleibe finden.
Wenn das Fundament steht, kann Stein an Stein, Schicht für Schicht aneinander-, beziehungsweise aufeinander gereiht werden. Wichtig: Die grössten Steine müssen zur Stabilisierung der Mauer zuunterst platziert, die schönsten Steine indes sollten am besten für den oberen Abschluss aufbewahrt werden, da diese am meisten ins Auge stechen.
Ihre Standfähigkeit erreicht die Trockenmauer in erster Linie durch das Eigengewicht der verwendeten Steine, sowie durch das Verkeilen der Fugen mit kleineren Steinen und durch das fachgerechte Hinterfüllen. Damit die Standsicherheit gewährleistet ist, gibt es Regeln zum Bau einer Trockenmauer, die unbedingt eingehalten werden müssen:
- keine Kreuzfugen, weder an der Vorder- noch an der Rückseite der Mauer
- keine Stossfugen über mehr als zwei Steinschichten
- die Überbindung der Stossfugen muss bei einem Quadermauerwerk mindestens 15 cm betragen
- mindestens ein Binderstein auf zwei Läufersteine oder abwechselnd Schichten aus Binder- und Läufersteinen
- die Tiefe der Bindersteine muss etwa das Eineinhalbfache der Steinhöhe, mindestens aber 30 cm betragen
- Läufersteine müssen mindestens so tief wie hoch sein
- an Mauerecken, -anfängen und –enden sind die grössten Steine einzubauen, gegebenenfalls in Höhe von zwei Schichten.
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