„Untitled 2020“ - titellos und doch vielsagend
Von: Hans Berger
„Informationen zu einem Kunstwerk haben keinen Einfluss auf das ästhetische Erlebnis von Museumsbesucher*innen. Viel stärker wirken sich die Eigenschaften eines Gemäldes selbst auf die Betrachtenden aus.“ Zu diesem Schluss kommen Psychologinnen und Psychologen der Universität Basel in einer neuen Studie. Kunst lässt eben die Herzen schneller schlagen, dies widerfährt gewiss auch den geneigten Besucher*innen der aktuellen Kunstaustellung „Untitled 2020“(ohne Titel) in den „Katakomben“ der ehemaligen Strumpffabrik am Theodorshofweg 22 in Rheinfelden.
Die an der „Untitled 2020“ ausstellenden fünfzehn Künstler*innen lassen ihre Musse habenden Gäste erfahren, wie recht Pablo Picasso mit seiner These: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“ doch hatte. Diesbezüglich hält die vorgängig erwähnte Studie auch fest: „Beim ästhetischen Erleben handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel von Wahrnehmungsweisen und kognitiven Prozessen: Merkmale der Kunstwerke wie die Farbgebung und die dargestellten Inhalte spielen eine Rolle, aber auch individuelle Eigenschaften des Betrachters wie seine Fachkenntnis sowie kontextbezogene Faktoren – etwa der Titel eines Kunstwerks.“
Grosse Vielfallt
Die fünfzehn Künstler*innen zeigen also keine Nullachtfünfzehn-Werke, die auf Anhieb zu verstehen sind. Nein, vielmehr sind die Betrachter*innen oft gefordert, sich mit dem, was sie sehen auseinanderzusetzen. Dabei machen es einem die Kunstschaffenden jedoch nicht leicht, denn ihre Ausdruckweise ist schier unbegrenzt, zumal sich nur wenige unter ihnen einer Stilrichtung verschworen haben. Was der Ausstellung wiederum den besonderen Kick gibt.
Anarchie
Dazu gehört beim Sehen etwas erkennen, sich etwas bewusst machen zu können. Die Interpretation eines Werkes muss jedoch weder mit derjenigen der Künstlerin, des Künstlers noch irgendeiner Betrachterin, eines Betrachters übereinstimmen.
Denn die über ein Kunstwerk Sinnierenden dürfen genauso wenig in eine geistige Zwangsjacke gesteckt werden wie deren Macher. Diese Konstellation wirkt befreiend und lässt das Herz schneller schlagen, da vom Adressaten einer geäusserten Feststellung allenfalls ein „Aber“, jedoch kaum ein „Nein“ oder „Falsch“ folgen kann.
Die Kunst lebt von der „Anarchie“ und nicht von „Verfügungen“, ist aber zwingend auf Loyalität angewiesen. Denn in der Auslebung der Kunst ist das nach jemandes Pfeife tanzen schlichtweg obszön. Ja, in der „Untitled 2020“ lebt in diesem Sinne die Anarchie. Hier sind Künstler*innen am Werk, die dem Titel würdig sind.
Übrigens: Vom Erlös der verkauften Werke gehen fünf Prozent an die Stiftung Burundikids Schweiz. Die Besucherinnen und Besucher der kostenlos zu besichtigenden Kunst-Galerie sind eingeladen, die Stiftung mit einem Obolus zu unterstützen.
Erquickung
Kunst bildet, weil sie etwas von verschiedenen Seiten darstellt. Das kann sehr befreiend wirken. Kunst erlaubt den Betrachter*innen, mit inneren Widersprüchen umzugehen, ohne dass es einen zerreisst. Kunst machen, Kunst betrachten, erquickt die Seele, was wollen wir mehr?
Darum werden wohl auch am kommenden Samstag zwischen 15 und 20 Uhr oder Sonntag zwischen 13 und 18 Uhr die Besucher*innen der Kunstausstellung „Untitled 2020“ die Katakomben am Rheinfelder Theodorshofweg 22 mit derselben Genugtuung verlassen wie jene vom vergangenen Wochenende.
Anmerkung: Die ausführliche Fotoreportage verschafft lediglich einen Eindruck der Ausstellung, ersetzt jedoch nicht deren Besuch, da die Fotos weder die Intensität, noch die Farben und Perspektiven der Werke zu wiedergeben vermögen.
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