Mythos und Wirklichkeit im Fricktaler Museum
Von: Hans Berger
Wohl wie die grosse Mehrheit der politisch interessierten Schweizer*innen, loben gewiss auch die Fricktaler*innen die direkte Demokratie, die besagt, dass immer das Volk das letzte Wort hat. Angesichts der grossen Wandmalerei im Hof des Rheinfelder Rathauses würde Arnold von Winkelried allerdings schon etwas irritiert sein, dass die Rheinfelder noch immer jene Schlacht vom 9. Juli 1386 im Sempach glorifizieren, in der sie an der Seite der Habsburger gegen die Eidgenossen kämpften und verloren. Zu denken gäbe ihm sicher auch, dass die Ortsbürger im Rathaussaal scheinbar unabwendbar unter den Augen der Habsburger Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) tagen, respektive Verliebte sich gar ehelichen lassen. Auch könnte sich Winkelried wohl keinen Reim daraus machen, warum die berühmte Habsburgerin im Laufenburger Bezirksgericht noch immer jeder Sitzung beiwohnt. Es sei denn, denkt der Held von 1386, die Fricktaler*innen sympathisieren auch 216 Jahre nach dem von Napoleon verordneten Beitritt zur Eidgenossenschaft wie zuvor mit der Monarchie.
Sonderausstellung „Die Zähringer. Mythos und Wirklichkeit“ im Fricktaler Museum in Rheinfelder
Eine Bestätigung dieser Theorie fände Arnold von Winkelried in der aktuellen Ausstellung vom Fricktaler Museum „Die Zähringer. Mythos und Wirklichkeit“. Da aber die Herzogsherrschaft der Zähringer mit dem Markgraf von Verona Berthold I. (* um 1000; † 1078) seinen Anfang nahm und 1218 mit dem Tod von Berthold V. (* 1186; † 1218) ausstarb, hätte er von den Zähringern vermutlich genau so wenig eine Ahnung gehabt wie dies grossmehrheitlich auch die Fricktaler*innen haben.
Parallelen
Allgemein bekannt ist lediglich, dass Rheinfelden auch Zähringer-Stadt genannt wird und allenfalls noch, dass elf weitere Städte den selben Beinamen tragen. Da aber die Herrschaft der Zähringer ein einheitliches Recht, eine aktive Siedlungspolitik sowie grösstmögliche Freiheit für die Bürger der Städte kennzeichnete, gibt’s durchaus Parallelen zur heutigen Schweiz, womit die mutmassliche Theorie Winkelrieds – zumindest mal stückweise – widerlegt wäre.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
Kommt die unumstössliche Erkenntnis des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Helmuth Kohl von 1995 hinzu, die da lautet: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ Will heissen, weil die Zähringer anno 1130 Rheinfelden das Stadtrecht verliehen und noch heute das Adelsgeschlecht beinah im gleichen Atemzug wie der Stadtname genannt wird, ist es a) an der Zeit und b) höchst spannend, im Fricktaler Museum auf deren Spuren zu wandeln.
Beinah paritätisch
Da die den Zähringern nachgesagten, meist ihnen nicht wohlgesinnten Mythen der Allgemeinheit wenig bekannt sein dürften, die Besucher*innen der Ausstellung damit aber konfrontiert werden, verleiht ihr dies einen weiteren Kick, zumal die Zähringer noch im tiefsten Mittelalter (6. bis 15. Jahrhundert) herrschten. Beim Studium der bebilderten Schrifttafeln kann dann schon ab und an der Eindruck entstehen, dass sich die damalige Epoche punkto Innovation hinter der heutigen nicht zu verstecken braucht und viele der heutigen Selbstverständlichkeiten in jener Zeit wurzeln.
Interessant an der Wanderausstellung ist auch die Bezugnahme von örtlichen geschichtlichen Hintergründen, was den Besucher*innen das Eintauchen in eine vermeintlich längst vergangene Zeit erleichtert. Erschreckend ist dabei, nicht völlig ausschliessen zu können, dass mit der damaligen Regierungsform das weltweite Klima-, Umwelt- und Biodiversitätsproblem besser zu behändigen wäre wie mit der unsrigen.
Fazit
Ja, mag sie auch noch so weit zurückliegen, die 218-jährige Herrschaft der Zähringer stand nicht völlig neben den Schuhen. Einige ihrer Taten haben noch heute Bestand, andere lohnt es neu zu bedenken und wiederum andere sollten so zur Kenntnis genommen werden, damit sich deren negative Auswirkungen nicht wiederholen. Ein geeigneter Lehrstuhl dafür ist die Sonderausstellung „Die Zähringer. Mythos und Wirklichkeit“ im Fricktaler Museum in Rheinfelden.
«fricktal24.ch – die Online-Zeitung fürs Fricktal
zur Festigung und Bereicherung des Wissens»