„KUNST LOKAL“ - provozierend und inspirierend
Von: Hans Berger
Einmal mehr provoziert auch die vierte Ausgabe der alle zwei Jahre in der Rheinfelder Kurbrunnenanlage stattfindenden Kunstausstellung „KUNST LOKAL“, Und einmal mehr werden sich einige Besucherinnen und Besucher fragen, ob all das, was gezeigt wird denn wirklich Kunst ist? Insofern kann die Frage mit ja beantwortet werden, wenn der Expressionismus so verstanden wird, dass er eine Gegenbewegung zum Realismus, Naturalismus und Impressionismus ist, er sich durch eine kontrastreiche (grell, knallig, scharf, schreiend) Darstellung des Themas kennzeichnet und die emotionale Ausdrucksfähigkeit der Künstlerin, des Künstlers in den Mittelpunkt des Schaffens stellt.
Grundvoraussetzung für die Verständlichkeit einiger der ausgestellten Werke ist die Kunstdefinition des französischen Maler, Grafiker, Zeichner und Bildhauer Henri Matisse (1869-1954): „Ausdruck entsteht nicht nur durch die Leidenschaft, die sich in einem menschlichen Gesicht widerspiegelt oder durch eine eindringliche Geste. Das gesamte Arrangement der Bilder trägt zum Ausdruck bei. Sowohl der Platz, der von einer Figur oder einem Gegenstand eingenommen wird, wie auch der leere Raum, der sie umgibt, die Proportion – alles spielt dabei eine Rolle“
Wer sucht, der findet
In der Ausstellung „KUNST LOKAL“ sind manche Werke, Installationen zu finden, bei denen es ratsam ist, sich Matisses Definition in Erinnerung zu rufen. Ein Paradebeispiel dafür ist Lisa Gerbers Installation „Ernst ist weg“.
Der Treppenaufgang zur Bühne ist einladend, das darauf folgende Zimmer jedoch chaotisch, sukzessive wird dieser Ernst jedoch spürbarer, der „Gwunder“ sticht und schlagartig drängen sich zwei Fragen auf: „Ist dieser Ernst nur vorübergehend oder für immer weg?“ und: „was hinterlasse ich, wenn ich mal kurz, lang oder für immer weg bin?“
Gefragt ist die eigene Intuition der BesucherInnen auch bei den Werken von Dora Freiermuth, Esher Dietwiler, Gerit Koglin und ganz besonders auch bei der gefälligen Installation von Lina Faller in der ehemaligen Trinkhalle, in deren Zentrum eine zu einem Springbrunnen umfunktionierte, riesengrosse Jakobsmuschel steht. Was hat das nun mit Kunst zu tun?“, werden sich auch hier einige der Betrachterinnen und Betrachter fragen. Worauf Henri Matisse vermutlich mit der Empfehlung: „wer sucht, der findet“ aufwarten würde.
Integral
Andere Kunstwerke wiederum erwecken den Eindruck, als seien sie integraler Bestandteil der Kurbrunnenanlage. So die Plastiken von Beat Mazzotti auf dem Vorplatz, Beate Fahrländers „Engel und andere Mischwesen“, oder Renate Brutschins „Wege-Triologie“ wie desgleichen die zwei Gemälde von Dieter Korb und der Schwan von Doris Horvath im Konzertsaal.
Apropos Konzertsaal. Ein Markenzeichen von "KUNST LOKAL“ ist der - ganz im Sinne von Henri Matisse - „verschwenderische“ Umgang mit dem zur Verfügung stehenden Platz, dessen Effekt jedoch voll und ganz der Präsentation der Kunstwerke und deren Wirkung zugutekommt. Profiteure von dieser Strategie sind einerseits die Besucherinnen und Besucher, andererseits aber auch Plastiker wie Ulrich Wössner und Doris Becker.
Hinterfragend
Ein surreales Rheinfelden zeigt Bettina Costa mit ihren Fotos, wogegen Edi Strub mit seinen „Gesichter im Gottesstaat Iran“ doch eher nachdenklich stimmt, wie teilweise auch maTabus schwarz-weisse Computer-Bilder oder die zwei, gleichgeschaltete Menschenmassen darstellenden Gemälde von Tyrone Richards. Wer auf dem Rundgang dann vor den Bildern von Michael Thümmrich steht, zieht vermutlich zuerst einen Vergleich mit Salvador Dalí, die Konsultation des informativen Flyers korrigiert allerdings den ersten Eindruck.
Fazit
Die Ausstellung „KUNST LOKAL“ ist nicht nur eine Plattform für die Kunstschaffenden der Region, sondern verschafft auch „Otto Normal…“ zum Nulltarif einen spannenden Einblick in die moderne Kunstszene und belegt zudem Vincent van Goghs These: „Die Normalität ist eine gepflasterte Strasse; man kann gut darauf gehen - doch es wachsen keine Blumen auf ihr.“
Anmerkung: Die ausführliche Fotoreportage verschafft lediglich einen Eindruck der Ausstellung, ersetzt jedoch nicht deren Besuch, da die Fotos weder die Intensität, noch die Farben und Perspektiven der Werke zu wiedergeben vermögen.
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