Ötzis letzte Reise
Von: Melanie Bartos
Welche Route wählte der „Mann aus dem Eis“ vor 5‘300 Jahren bei seinem Aufstieg in die Ötztaler Alpen? Dazu gab und gibt es unterschiedliche Theorien. Prof. Klaus Oeggl hat nun gemeinsam mit einem Team auf, in und bei der Mumie gefundene Moose analysiert.
Die Fundstelle von Ötzi auf dem Tisenjoch mit einem Denkmal für die Eismumie, Blick Richtung Süden. (Foto: Jim Dickson)
Seit seiner Entdeckung im September 1991 ist die am Tisenjoch auf 3‘250 Metern Höhe gefundene mumifizierte Leiche von grossem internationalen Forschung‘sinteresse. Es gibt nach wie vor keine besser erhaltene Mumie aus der Kupfersteinzeit. (Der damals 1.60 Meter grosse, 50 Kilogramm schwere Ötzi war ungefähr 46 Jahre alt, als er von einem Pfeil getroffen wurde und in der Folge daran verblutete.)
Prof. Klaus Oeggl vom Institut für Botanik der Uni Innsbruck beschäftigt sich als Experte auf dem Gebiet der Archäobotanik bereits seit der Entdeckung von Ötzi mit der Gletschermumie, unter anderem hat er mehrere Publikationen zur Analyse des Mageninhalts von Ötzi vorgelegt.
In einer aktuellen Studie, die er gemeinsam mit seinem Kollegen Jim Dickson von der University of Glasgow durchgeführt hat und im Fachmagazin PLOS One veröffentlicht wurde, beschäftigt sich Oeggl mit Moosen, die rund um Ötzi gefunden wurden.
„Für die Bryologie, also für die Wissenschaft von Moosen, ist der Fundort von Ötzi und natürlich die Gletschermumie selbst einzigartig in der Geschichte des Quartärs bis heute. In unserer aktuellen Arbeit haben wir uns mit den um, auf und in Ötzi gefundenen Pflanzenresten beschäftigt. Dazu wurden aus den Sedimenten des Fundortes, aber auch aus der Kleidung und dem Magen-Darm-Inhalt der Gletschermumie Moose isoliert und analysiert“, erklärt Klaus Oeggl die Vorgehensweise.
Drittel der Moose nicht ortsüblich
Die Wissenschaftler konnten 75 verschiedene Moose, darunter mindestens zehn Lebermoose, identifizieren. Heute wachsen an der Fundstelle 21 verschiedene Moosarten. „Zwei Drittel der gefundenen Arten sind in der nivalen Zone – also auf über 3'000 Metern – heimisch. Ein Drittel allerdings nicht, da sie nur in niederen Gebieten gedeihen.
Jene Arten, die eigentlich am Fundort gar nicht wachsen können, sind für uns natürlich von besonderem Interesse, da sie uns Rückschlüsse auf die Route ermöglichen. Wir wissen, wo diese Moose üblicherweise vorkommen“, verdeutlicht Oeggl. Der Archäobotaniker geht davon aus, dass Ötzi auf seinem Weg auf das Tisenjoch die für die Höhe nicht zuordenbaren Moose mitgenommen hat.
„Das kann auf seiner letzten Wanderung sowohl absichtlich als auch unabsichtlich passiert sein. Mein Kollege Jim Dickson dokumentiert bereits seit Jahrzehnten die Vorkommen und geografische Verbreitung der Moose in diesem Südtiroler Gebiet. Daher können wir rekonstruieren, durch welche Gebiete Ötzi gewandert ist.“
Besonders der Nachweis des Glatten Neckermoos (Neckera complanata) und einer Art der Torfmoose (Sphagnum) ist für das Forscherteam ein Beleg für die Theorie, dass der Mann aus dem Eis seine letzte Reise in den Norden über die Schlucht am Eingang des Südtiroler Schnalstales wählte – also aus dem Süden aufbrach.
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