Zunahme der Asylgesuche im 2023
Von: mm/f24.ch
Im Jahr 2023 haben 30’223 Personen in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt, 5712 mehr als 2022. Der Anstieg der Asylgesuche um über 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist primär auf folgende Gründe zurückzuführen:
- Die Zahl der Asylgesuche türkischer Staatsangehöriger stieg europaweit deutlich an, insgesamt um etwa 50’000 auf rund 105’000 Personen. Entsprechend stieg auch die Zahl der in der Schweiz gestellten Asylgesuche türkischer Staatsangehöriger um 2’000 an.
- Deutlich zugenommen haben die Asylgesuche marokkanischer und etwas weniger ausgeprägt algerischer Staatsangehöriger. Diese verlassen ihre Heimat meistens aus wirtschaftlichen Gründen. Ihre Aussicht, in einem europäischen Land Schutz zu erhalten, sind jedoch äusserst gering.
- Im Juli 2023 änderte die Schweiz ihre Asylpraxis gegenüber Frauen und Mädchen aus Afghanistan. Mit dieser Praxisänderung folgte die Schweiz einer Empfehlung der European Union Agency for Asylum (EUAA / dt. Asylagentur der Europäischen Union). Zuvor hatten diesen Schritt schon mehrere andere europäische Staaten gemacht. In der Folge stellten rund 1’800 afghanische Staatsangehörige mit einer vorläufigen Aufnahme in der Schweiz ein erneutes Asylgesuch. Die meisten von ihnen hielten sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Jahren in der Schweiz auf. Aus diesem Grund belasten diese Gesuche das Asylsystem nicht zusätzlich.
Wichtigste Herkunftsländer von Asylsuchenden
Das wichtigste Herkunftsland von Asylsuchenden im Jahr 2023 war erneut Afghanistan mit 7’934 Gesuchen. Davon sind 151 auf Familienzusammenführungen, 341 auf Geburten und 1’197 auf Mehrfachgesuche zurückzuführen. Somit wurden 6’245 Primärgesuche von Personen afghanischer Herkunft verzeichnet.
Von den 7’934 Gesuchen afghanischer Staatsangehöriger wurden rund 1’800 von Personen gestellt, die sich bereits in der Schweiz aufhielten und als Folge der Praxisänderung für weibliche Asylsuchende aus Afghanistan ein neues Asylgesuch einreichten.
Weitere wichtige Herkunftsländer waren 2023 die Türkei (5’675 Primär- und 1’147 Sekundärgesuche), Eritrea (705 Primär- und 1'404 Sekundärgesuche), Algerien (1’781 Primär- und 29 Sekundärgesuche) sowie Marokko (1'596 Primär- und 10 Sekundärgesuche).
Personen, die ein Primärgesuch stellen, tun dies unabhängig von anderen Personen, die bereits um Schutz ersucht haben. Im Gegensatz dazu ist ein Sekundärgesuch die Folge eines bereits registrierten Asylgesuchs (beispielsweise Geburt, Familiennachzug oder Mehrfachgesuch).
Erstinstanzlich erledigte Asylgesuche
Im Jahr 2023 hat das SEM 26’667 Asylgesuche erstinstanzlich erledigt. 5’991 Personen erhielten Asyl, die Asylgewährungsquote lag bei 25,7 Prozent (2022: 30,6%). Die Schutzquote (Anteil Asylgewährungen plus vorläufige Aufnahmen aufgrund erstinstanzlicher Entscheide) lag bei 54,4 Prozent (gegenüber 59,0% im Jahr 2022). Die Zahl der erstinstanzlich hängigen Fälle nahm im Vergleich zum Vorjahr um 3’328 auf 15'567 zu.
Resettlement
Der Bundesrat entscheidet alle zwei Jahre über ein Resettlement-Programm. Für die Jahre 2022 und 2023 hat er beschlossen, insgesamt bis zu 1’600 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aufzunehmen, die sich in einer prekären Lage in Erstaufnahmeländern befinden. Hinzu kam ein Kontingent von 220 Flüchtlingen, die wegen der pandemiebedingten Verzögerung nicht im Rahmen des Programms 2020/2021 aufgenommen werden konnten.
Unter Berücksichtigung der Empfehlung des Sonderstabes Asyl (SONAS) beschloss das EJPD am 30. November 2022, die Resettlement-Einreisen ab April 2023 temporär zu sistieren. Zudem wurde entschieden, Personen mit einem positiven Aufnahmeentscheid die Aufnahme in die Schweiz trotz Massnahmen im Resettlement-Bereich bis Ende März 2023 wie geplant zu ermöglichen.
Im Januar, Februar und März 2023 sind im Rahmen des Resettlement-Programmes 342 Personen aus dem Libanon, der Türkei und Ägypten in die Schweiz eingereist. Die Zahl eingereister Personen auf Basis des Resettlement-Programms 2022/23 beläuft sich auf insgesamt 995 Personen, wobei 15 Personen mittels Familiennachzug in die Schweiz eingereist sind und rückwirkend dem Resettlement-Kontingent angerechnet werden.
Ausreisen und Wegweisungsvollzug
Die Schweiz setzte 2023 ihre konsequente Rückkehrpolitik fort. Im Jahr 2023 haben 16’721 Personen die Schweiz kontrolliert verlassen (2022: 11’467). 13’001 Personen kehrten freiwillig in den Heimat- oder einen Drittstaat zurück (2022: 8’333), 10’978 davon in die Ukraine (2022: 6’666). 3’720 Personen wurden zwangsweise in einen Heimat-, Dritt- oder Dublinstaat zurückgeführt (2022: 3’134). Gesamthaft ist die Zahl der Ausreisen damit im Vergleich zum Jahr 2022 um 45,8% gestiegen.
Die Kantone sind für die Rückführung abgewiesener Asylsuchender in ihre Herkunfts- oder in Dublin-Staaten zuständig (Wegweisungsvollzug). Sie werden dabei durch das SEM unterstützt. Nachdem der Bereich Rückkehr und Wegweisungsvollzug in den Jahren 2020/21 stark von der COVID-19-Pandemie betroffen war, entspannte sich die Lage im Jahr 2022 allmählich.
Im Jahr 2023 setzte sich der Trend der Erholung und Normalisierung fort, was zu einer deutlichen Verbesserung der Situation im Bereich Rückkehr und Wegweisungsvollzug im Vergleich zu den Vorjahren führte. Vor diesem Hintergrund hat der Bestand der hängigen Fälle in der Rückkehrunterstützung im Asylbereich per Ende 2023 trotz der steigenden Anzahl Asylgesuche um 0,6 % auf ‘3406 Personen abgenommen (Stand Vorjahr: 3’425). Deutliche Fortschritte im Wegweisungsvollzug konnten 2023 insbesondere mit wichtigen Herkunftsstaaten wie Algerien und dem Irak erzielt werden.
Dublin
Im vergangenen Jahr konnten 2021 Personen in einen Dublin-Staat überführt werden (2022: 1’566 Personen). Gleichzeitig wurden 694 Personen in die Schweiz überstellt (2022: 784 Personen). Die Steigerung im Dublin-Bereich erfolgte trotz des Entscheids der italienischen Regierung, bis auf weiteres keine Personen im Rahmen des Dublin-Systems aufzunehmen. 2023 verzeichnete die Schweiz rund drei Mal mehr Ausreisen als Einreisen im Rahmen der Überstellungen nach den Dublin-Kriterien. Im Vorjahr lag das Verhältnis noch bei circa 2:1, obwohl damals noch Überstellungen nach Italien erfolgten.
Ukraine: Schutzstatus S (Sonderverfahren)
2023 haben 23’012 Schutzsuchende den Status S beantragt; er wurde im gleichen Zeitraum in 18’375 Fällen gewährt und bei 932 schutzsuchenden Personen wurde er abgelehnt, weil die Kriterien nicht erfüllt waren. Bei 13’512 Personen wurde im letzten Jahr der Schutzstatus wieder beendet; bei 3’260 Personen war dessen Beendigung Ende 2023 in Prüfung. Per Ende 2023 verfügten insgesamt 66’083 Personen über einen aktiven Schutzstatus S.
Anfang November 2023 hat der Bundesrat entschieden, den Schutzstatus S für Schutzsuchende aus der Ukraine nicht vor dem 4. März 2025 aufzuheben, sofern sich die Lage in der Ukraine bis dahin nicht grundlegend verändert haben sollte.
Ausblick Asylgesuche 2024
Für 2024 rechnet das SEM gemäss dem wahrscheinlichsten Szenario mit 30’000 (+/- 3’000 Gesuche) neuen Asylgesuchen. Für die Zahl der in der Schweiz gestellten primären Asylgesuche ist zentral, wie sich die Migration aus der Türkei nach Griechenland und Bulgarien, die Weiterwanderung aus Griechenland und Bulgarien sowie die Migration aus der Türkei nach Italien entwickeln.
Mitentscheidend sind zudem der Umfang der Migration aus Nordafrika sowie den visumsbefreiten Staaten in Richtung Europa und die Asyl- und Rückführungspraxis unserer vier Nachbarstaaten; auch deren Grenzkontrollmassnahmen können einen Einfluss haben.
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