Die Schweiz hat mit der sicheren Entsorgung ihres Atom-Mülls seit Jahren ein Problem. Umfragen zeigen, dass 90% der Meinung sind, dass die Schweiz dafür selber aufkommen muss, aber nur 10% dulden ein Endlager in ihrer Region. Zuständig für die Entsorgung ist das Bundesamt für Energie (BFE), welches anfangs November neun mögliche Standortregionen, darunter auch den Bözberg, bekannt gab. Seither ist das BFE zusammen mit der Nagra in den betroffenen Gebieten auf Aufklärungstour. Als vorletzte Station steuerte der Tross am vergangenen Donnerstag das tief verschneite Oberbözberg an.
Ausgangslage Die Schweiz hat fünf Reaktoren gebaut, ohne sich ernsthaft zu fragen, was mit dem Müll geschehen wird. Zwischen 1969 und 1982 wusste die Schweiz und andere Nationen nichts Besseres, als den radioaktiven Müll ins Meer zu versenken. Heute wartet der Atommüll in einem oberirdischen Zwischenlager und in Lagern neben den Atomkraftwerken. Verschiedene Versuche für ein unterirdisches Atommülllager sind bisher am lokalen Widerstand gescheitert; 2002 am Wellenberg zum letzten Mal. Seither hat man das Gesetz geändert: Das Kernenergiegesetz von 2003 schreibt die "geologische Tiefenlagerung" vor und entzieht dem lokalen Widerstand das Vetorecht.
Der heutige Schweizer AKW-Park wird radioaktiven Atommüll in der Grössenordnung der Bahnhofhalle Zürich hinterlassen. Dieser ist in kleinsten Mengen tödlich und muss eine Million Jahre von der Biosphäre ferngehalten werden. Unabhängig davon, ob pro oder kontra Atomstrom ist es also eine Verpflichtung der jetzigen Generation künftige Generationen vor einem Atommüllgau zu bewahren. Die heutige oberirdische Lagerung, zum Beispiel in Würenlingen, ist gegenüber künftigen Erdenbewohnern verantwortungslos, wenn nicht gar ein Verbrechen. Nochmals, der in Fässer sicher verpackte Atommüll muss bis zum Abbau seiner tödlichen Strahlung eine Million Jahre gelagert werden. Für uns Menschen eine unüberschaubare Zeit. Wenn wir heute den Kopf schütteln, dass der Atommüll einst ins Meer versenkt wurde, unseren Nachkommen wird es dereinst vor lauter Kopfschütteln schwindlig werden über unsere Hinterlassenschaft, wenn wir jetzt nichts unternehmen.
Eröffnung Die Gemeinden rund um den Bözberg forderten recht erfolgreich ihre Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme an der Informationsveranstaltung auf. Trotz relativ prekären Strassenverhältnissen fanden rund 400 Menschen den Weg in die Mehrzweckhalle. Ein gut organisierter Park & Ride – Dienst brachte die Teilnehmer von den weit entfernten Parkplätzen zur Versammlung, die aufgrund der erschwerten Anfahrt mit 15 Minuten Verspätung von der Moderatorin Ellinor von Kauffungen um 19.45 Uhr eröffnete. Sie gestand ein, dass das Thema viele Emotionen hervorrufe und der Tross an den vorangegangenen sieben Veranstaltungen nirgends mit offenen Armen empfangen wurde.
Fokus auf den Aargau wirft Fragen auf Peter Beyeler, Landammann und Vorsteher des Departements Bau, Verkehr und Umwelt, gab als Erstes eine Stellungnahme der Aargauer Regierung ab. Beyeler wies darauf hin, dass Ablehnungen in anderen Kantonen zu erwarten sind. So sei die Regierung im Kanton Schaffhausen nach gültigem kantonalem Gesetz verpflichtet, sich gegen Tiefenlager auf Kantonsgebiet zu wehren. Im Kanton Nidwalden lehnte das Volk an zwei Abstimmungen vor Jahren ein Tiefenlager im Wellenberg ab. Das Kernenergiegesetz des Bundes steht hier aber über kantonalen Gesetzen oder kantonalen Volksabstimmungen. Der Regierungsrat kann und will sich aufgrund der Kompetenzordnung der Kernenergiegesetzgebung dem Verfahren nicht entziehen. Er setzt sich aber für ein transparentes Standortwahlverfahren ein, in dem sich Bevölkerung und Gemeinden aktiv einbringen und beteiligen können.
Der Bund berücksichtige in seinem Prozess nicht, dass der Aargau bereits grosse Leistungen für die Versorgungssicherheit der Schweiz als Standortkanton der drei Kernkraftwerke und des Zwischenlagers für radioaktive Abfälle erbracht hat und noch erbringt. Es könne nicht sein, dass alle Pflichten im Bereich der Kernenergie beim Kanton Aargau läge. Der Regierungsrat erwarte deshalb, dass der Bund auch diejenigen Kantone, die sich als Standorte für Kernenergieanlagen über Verfassung oder Gesetze verweigern, aber trotzdem seit Jahrzehnten Strom aus Kernenergie konsumieren und von der grossen Versorgungssicherheit profitieren, in Pflicht nehme. Der Regierungsrat werde deshalb eine Standortwahl zurückweisen, die von "weichen" Faktoren ausgehe und nicht dem Anspruch an höchste Sicherheit gerecht wird. „Die Aargauer Regierung wird die kantonalen und regionalen Interessen mit Nachdruck vertreten und die ins Auswahlverfahren aufgenommenen Standortgemein- den und -regionen unterstützen“ versprach Beyeler abschliessend.
Das Verfahren Nochmals: Das Kernenergiegesetz von 2003 schreibt die "geologische Tiefenlagerung" vor und entzieht dem lokalen Widerstand das Vetorecht. Das heisst, das Bundesamt für Energie und die Nagra müssten solche Veranstaltungen wie in Oberbözberg gar nicht durchführen, sondern es hat die Kompetenz ein Tiefenlager, zum Beispiel am Bözberg, zu verfügen, sofern National- und Ständerat dem Begehren zustimmen. Auch wenn ein solcher Entscheid durch ein Referendum vors Volk käme, so ist angesichts der eingangs erwähnten Umfrage kaum davon auszugehen, dass die übrige Schweiz, fernab von der betroffenen Region, sich negativ zur Verfügung des Bundes wehren würde. In Anbetracht dieser Situation sind die lokalen Behörden der möglichen Standortregionen analog der Aargauer Regierung aufgerufen in den sauren Apfel zu beissen und konstruktiv im aus drei Etappen bestehenden Verfahren mitzuarbeiten, um für den Fall des Falles auch das Beste für ihre Region herauszuholen. Offensive nicht Vogelstrausspolitik ist angesagt, welche von der Bevölkerung mitgetragen werden sollte.
Geologische Voraussetzung Ende Oktober hat die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) beim BFE ihren Bericht über die geologisch geeigneten Standortregionen eingereicht. Gemäss den Vorgaben des Sachplans basiert die Auswahl der Nagra ausschliesslich auf sicherheitstechnischen Kriterien und der technischen Machbarkeit. In ihrem Bericht dokumentiert, beurteilt und begründet die Nagra ihre Vorschläge für geologische Standortgebiete, die für die Lagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen, hochradioaktiven Abfällen oder für alle Abfallkategorien (Kombilager) in Frage kommen. Gemäss Studie eignet sich der Opaolinuston, ein Tongestein, das aus Meeresablagerungen vor ca. 180 Millionen Jahren entstanden ist, besonders gut zur Endlagerung von Atommüll. Der Ton, welcher auch am Bözberg vorhanden sei, habe gute Abdichtungs- und Isolationseigenschaften, sogar über äusserst lange Epochen, war von den Experten an der Versammlung in Oberbözberg zu erfahren, zudem habe sich diese Schicht in den letzten x-tausend Jahren stets stabil verhalten und weise keinerlei Erschütterungen auf.
Die drei Etappen Die erste Etappe der Standortsuche, die rund zweieinhalb Jahre dauern wird, ist nun angelaufen. Nachdem in einem ersten Teil die Identifizierung geeigneter Standortgebiete aufgrund von sicherheitstechnischen und geologischen Kriterien vorgenommen wurde, wird nun der Kontakt zu den betroffenen Regionen gesucht.
Können in einer vorgeschlagenen Region schwach- und mittelaktive oder hochaktive oder gar alle Abfalltypen gelagert werden? Um was für eine Menge geht es? Welche Eigenschaften hat das geologische Standortgebiet? Solche Fragen müssen beantwortet werden. Der Bund, die Kantone und die Gemeinden müssen für die Information der Bevölkerung sorgen. Für Fragen rund um Sicherheit und Geologie steht ausserdem das vom Bundesamt für Energie eingesetzte "Technische Forum Sicherheit" zur Verfügung.
Die Standortregionen können und sollen ihre Interessen, Bedürfnisse und Werte ins Auswahlverfahren einbringen. Zu diesem Zweck werden die Standortgemeinden bereits ab Beginn dabei unterstützt, eine Partizipation in der Standortregion aufzubauen. Durch die Partizipation erhalten Gemeinden, Organisationen und die Bevölkerung der Region die Möglichkeit, sich mit der regionalen Entwicklung sowie einem allfälligen Tiefenlagerprojekt und dessen Auswirkungen auseinanderzusetzen.
Grundsätzlich dürfen sich alle Gemeinden am Auswahlverfahren beteiligen, die von einem Tiefenlagerprojekt betroffen sind. Betroffen sind die sogenannten Standortgemeinden, unter deren Gebiet ein geologisches Standortgebiet ganz oder teilweise liegt wie auch Gemeinden, welche ganz oder teilweise im Planungsperimeter liegen. Zusätzlich und in begründeten Fällen zählen weitere Gemeinden zur Standortregion.
Die zweite Etappe beginnt nach Genehmigung der Resultate aus Etappe 1 durch den Bundesrat. Für die gewählten Standorte werden vertiefte Sicherheitsanalysen durchgeführt sowie raumplanerische und sozioökonomische Aspekte untersucht. In dieser Etappe führen die Gemeinden der Standortregionen die regionale Partizipation durch, mit der die Auswirkungen und die Bedeutung eines Lagers für die Region bezüglich Sicherheit, Umwelt, Gesundheit, Wirtschaft sowie regionaler Entwicklungsmöglichkeiten diskutiert werden. Am Ende der zweiten Etappe wird die Auswahl auf mindestens zwei Standorte pro Abfallkategorie eingeengt.
In der dritten Etappe werden schliesslich mindestens zwei Standorte pro Abfallkategorie vertieft untersucht. Die Nagra muss die geologischen Kenntnisse der noch verbliebenen Standorte auf ein vergleichbares Niveau bringen. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen werden bewertet und die Frage von Abgeltungen in Zusammenarbeit mit den Standortkantonen und der Nagra geregelt. Die Standortregionen schlagen Projekte zur Umsetzung der regionalen Entwicklungsstrategie vor und erarbeiten die Grundlagen für allfällige Kompensationsmassnahmen.
Danach reicht die Nagra Rahmenbewilligungsgesuche für geologische Tiefenlager ein. Als Teil dieser Gesuche muss die Nagra auch einen Bericht über die Auswirkungen der Anlagen auf die Umwelt sowie über die Abstimmung mit der Raumplanung erstellen. Über die Erteilung der Rahmenbewilligungen entscheidet der Bundesrat. Sein Beschluss wird der Bundesversammlung zur Genehmigung unterbreitet. Es besteht die Möglichkeit, auf nationaler Ebene das Referendum gegen den Parlamentsbeschluss zu ergreifen. Das letzte Wort hat somit das Schweizer Stimmvolk.
Der Zeitplan
2008 bis 2016/18 Standortsuche gemäss dem Konzeptteil in drei Etappen.
2016/18 Der Bundesrat entscheidet über die Rahmenbewilligungen für geologische Tiefenlager.
2017/19 Genehmigung der Rahmenbewilligungen durch das Parlament, Auf nationaler Ebene kann ein Referendum ergriffen werden.
2019/23 Genehmigung von erdwissenschaftlichen Untersuchungen, Baubewilligungen für Felslabore an den Standorten.
2025/31 Ergänzende Untersuchungen bezüglich schwach und mittelaktive Abfälle (SMA), Bau Zugangsstollen inklusive
2035/41 Exploration Untertage, bezüglich hochaktive Abfälle (HAA), Bau und Betrieb Felslabor am Standort sowie Baubewilligungsverfahren geologische Tiefenlager.
2030/48 Bau von SMA Lagerstollen/Kavernen und Betriebsbewilligung. 2040/48 Bau von HAA Lagerstollen/Kavernen und Betriebsbewilligung
Die Versammlung Die Information der Experten verlief sachlich und es war offensichtlich, dass das BFE wie auch die Nagra bemüht sind, einen demokratischen Prozess in Gang zu setzten. Ein solch emotionsgeladenes Thema zeigt aber bald auch die Grenzen der Demokratie auf, welch nun einfach darin liegt, dass eine Mehrheit über die Minderheit, auch wenn diese in der Region eine Mehrheit ist, bestimmt. Ellinor von Kauffungen führte souverän durch die Diskussion, welche mehrheitlich von einigen wenigen ehemaligen Gegnern des AKW-Kaiseraugst genutzt wurde, um in Monologen ihre, durchaus akzeptierbaren, aber bekannten Standpunkte zu vertreten. Damit verhinderten sie aber, dies bestimmt nicht absichtlich, eine interessante Frage und Antwortrunde. Was die schweigende Mehrheit denkt, oder ob es allenfalls auch Befürworter unter den Versammlungsteilnehmern gab, war dadurch nicht eruierbar. Schade……
Es ist schon klar, dass frühzeitig die Pflöcke eingeschlagen werden müssen, doch in der jetzigen Phase ist lösungsorientiertes Handeln angesagt, denn wie bereits geschrieben, gegenüber den künftigen Generationen haben wir bezüglich Atommüll aufgrund der heutigen Situation eine Schuld, deren Begleichung jetzt in Angriff genommen werden muss.
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