Heisse Diskussion in Möhlin zum Thema Bildungskleeblatt
Von: Alejandra Martinez
Über 40 Lehrerinnen, Lehrer und andere Interessierte trafen sich am Donnerstag, dem 24. April um 19:30 in der Aula der Schulanlage Storebode, Möhlin zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion zum "Planungsbericht Bildungskleeblatt" das von der SVP des Bezirks Rheinfelden organisiert wurde. Es hagelte harte Kritik und man hielt sich mit offenen Anschuldigungen nicht zurück.
Ein diskussionsfreudiges Podium
Auf dem Pulverafss
Die Spannung in der Aula war am Donnerstag Abend beinahe greifbar. Am Podium sassen die Befürworter sowie Gegner der Reform "Bildungskleeblatt". Kontra: Beat Unternährer, Grossrat SVP und Bruno Nüsperli, Präsident Schulforum Schweiz. Pro: Niklaus Stöckli, Präsident des ALV sowie Thomas Leitch, Grossrat SP. Die Moderation des Abends übernahm Lukas Fässler, Präsident SVP Bezirk Rheinfelden.
Schon kurze Zeit nach Beginn der Podiumsdiskussion war klar, wie stark die Meinungen sich unterscheiden. Beide Parteien brachten einleuchtende Gründe zur Untermauerung ihres Standpunktes vor. Selten zuvor gab es eine Situation im Aargau in der sich die Geister so scheiden wie beim Bildungskleeblatt.
Obwohl die Mehrheit der Aargauer sowie die Parteien für die Reform sind, ist der Anteil der Gegner, allen voran die SVP, die von Anfang an die Reform ablehnte, sowie deren Argumentationen nicht ohne. Denn die Gegner sind nicht nur gegen gewisse Punkte, sondern kämpfen gegen das ganze Paket an sich. Vor allem drängt sich jedoch die Frage auf, warum bei diesem Thema die Meinungen so stark auseinander gehen. Fest steht, dass alle Parteien nur das Beste für die Kinder wollen. Doch genau so wie die Befürworter der Reform überzeugt sind, dass nur eine totale Veränderung der bisherigen Bildungsform im Aargau die Lösung sei und eine Leistungsverbesserung sowie bessere Zukunftsprognosen für die SchülerInnen darstellt, genau so überzeugt sind die Gegner, dass genau diese Reform für eine Demotivation bei Lehrern, eine Überforderung für Schüler und eine Verschlechterung der Leistungen herbeiführen wird.
Disskussion
Wie eine Lehrerin betont: "Das ganze Projekt wird viel zu viele Kosten verursachen und die finanzielle Zusicherung wurde und wird bestimmt erst gar nicht gewährt. Ausserdem spricht niemand über die Situation der OS (Orientierungsschule) in Basel, dort haben sie ähnliche Strukturen wie in der Reform geplant und machen schlechte Erfahrungen damit." Ein anderer Podiumsbesucher meint: "Sie sind ja nicht einmal Lehrer und wollen uns sagen wie wir unsere Arbeit machen sollen und wie die Situation im Klassenzimmer zu verbessern sei?", so lautete die Anschuldigung an Bruno Nüsperli (Präsident Schulforum Schweiz). Dieser reagierte, indem er darauf hinwies, dass in der Schweiz Demokratie herrsche und er also auch ein Recht auf eine Meinung besässe. Wenn nur BürgerInnen mit Lehrerpatent über die Reform abstimmen dürften, dann würde das heissen, dass mit dem vorgebrachten Vorwurf auch ein Vorwurf gegen die Demokratie zu verstehen sei?
Dass dieser Vorwurf nicht so gemeint war, war allen klar, aber in diesem Stil zog sich die Diskussion weiter fort. Eine mehrmals vorgebrachte Argumentation war, dass man nur Schlechtes verändert. Also warum sollte man die Schulstruktur im Aargau verändern, wenn diese gut ist, oder: Warum sollte man etwas was schon gut ,ist noch verändern?
Voten
Einigen macht es Sorgen, dass es gleich eine Monster-Veränderung sein muss, ein Riesen-Reforms-Paket sozusagen. Diese Partei würde eine Veränderung in Schrittweise bevorzugen. Aus Erfahrung weiss man, dass Visionen ja gut sind, aber die zum Teil folgenschwere Konsequenzen die daraus erfolgen erst im Nachhinein ersichtlich sind. Es ist unmöglich im Voraus zu sagen, wie sich eine solch grosse Veränderung im Nachhinein auswirkt. Anderseits, ist das Grund genug um einen solchen Schritt nicht zu wagen? Wo würden wir heute stehen, wenn alle Angst vor Veränderungen hätten und immer beim Alten und Vertrauten bleiben würden? Es ist ein grosser und wichtiger Schritt, denn er betrifft das kostbarste Gut das wir haben: Unsere Kinder. Es ist nur richtig, dass man darüber diskutiert und versucht die beste Lösung zu finden. Nichts tun wäre die falsche Entscheidung. Manchmal ist es besser ins Ungewisse zu gehen, anstatt stehen zu bleiben. Das sieht man auch an den Meinungen der Bürger und Parteien die erkannt haben, wie wichtig eine Veränderung in der Schulbildung Aargaus ist, auch wenn einige nostalgisch werden, wenn es um die Abschaffung der Bezirkschule geht.
Fazit
Abschliessend soll bedacht werden, dass die Tatsache, dass es solche Diskussionen geben darf, ein Luxus in der Schweiz ist, das nicht jedem Land existiert. Dass Bürgerinnen und Bürger das Recht haben ihre Meinungen zu äussern und dafür einzustehen, dass gemeinsam nach neuen Lösungen gesucht wird und dass man geteilte Meinungen hat, welchen Weg man nehmen soll, all das sind Dinge die Beweisen, dass uns das Wohl unserer Kinder am Herzen liegt und man bereit ist dafür zu kämpfen.
Die vier Kleeblätter der Aargauer Bildungsreform Mit den vier Teilen des Bildungskleeblatts möchte die Aargauer Volksschule auf gegenwärtige und künftige Anforderungen ausrichten. Ab dem Schuljahr 2010/11 sollen die verschiedenen Reformvorhaben umgesetzt werden.
EingangsstufeMit dem Kleeblatt
Eingangsstufe werden die ersten Jahre der Primarschule gestaltet. Die Einschulung erfolgt im fünften Altersjahr. Der Unterricht findet für alle Kinder in altersgemischten Abteilungen statt, d.h. mit zwei oder mehr Schuljahrgängen. Das Lehren und Lernen richtet sich nach dem Entwicklungsstand und der individuellen Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler. Kinder mit besonderen Lernbedürfnissen werden durch heilpädagogisch ausgebildete Lehrpersonen integrativ gefördert, d.h. innerhalb der Regelklasse. Zwei Lehrpersonen unterrichten an einer Eingangsstufenabteilung bzw. Klasse (150%-Pensum).
Harmonisierung Mit dem Kleeblatt
Harmonisierung der Schulstrukturen werden die Mittelstufe der Volksschule und die Sekundarstufe I strukturiert. Die obligatorische Volksschule dauert neu 11 Jahre. Die Primarschule dauert einschliesslich Eingangsstufe 8 Jahre. Der Unterricht erfolgt nach der Eingangsstufe in Jahrgangsklassen oder in mehrklassigen Abteilungen. Der Unterricht wird durch mehrere Lehrpersonen erteilt. 3 Modelle werden zur Ausgestaltung der Sekundarstufe dargestellt. Beim durch den Regierungsrat favorisierten Modell 2 dauert die Sekundarstufe I 3 Jahre und bereitet die Schülerinnen und Schüler auf die Berufsbildung und die Mittelschulen vor. Der Übertritt an das Gymnasium erfolgt nach 2 Jahren. Der Unterricht erfolgt für alle Jugendlichen in Jahrgangsabteilungen innerhalb von Leistungszügen. Einzelne Fächer werden in Niveaugruppen unterrichtet. Ca. 3 % der Schüler und Schülerinnen besuchen das Elitegymnasium, welches i.d.R. 6 Jahre dauert und sehr leistungsfähige Schüler und Schülerinnen mit hohen Anforderungen auf ein Studium an einer Hochschule vorbereitet.
TagesstrukturenMit dem Kleeblatt
Tagesstrukturen stellt die Schule ausserhalb der Unterrichtszeiten ein Förder- und Betreuungsangebot sicher, welches nach pädagogischen Grundsätzen geführt wird. Das Förder- und Betreuungsangebot besteht vor Unterrichtsbeginn am Morgen (07.00 h), über Mittag, an schulfreien Nachmittagen und nach Unterrichtsschluss am Nachmittag (15.00 h bzw. 17/18.00 h ab 2015/16). Die Eltern tragen einen Teil der Kosten, der Rest wird zwischen Kanton und Gemeinde aufgeteilt.
Lektionenzuteilung nach SozialindexDas Kleeblatt
Lektionenzuteilung nach Sozialindex regelt die Zuweisung der Lehrpensen unter Berücksichtigung sozialer und wirtschaftlicher Faktoren der Schulstandorte wie Arbeitslosenquote, Ausländerquote, Wohnformquote und Sesshaftigkeitsquote. Detaillierte Informationen zum Bildungskleeblatt findet man unter: www.ag.ch/bildungskleeblatt
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