Asselspinnen besitzen bemerkenswerte regenerative Fähigkeiten
Von: Alexandra Frey
Die Asselspinne (Pycnogonum litorale) kann nicht nur einzelne Beine neu bilden, sondern am hinteren Körperende auch nahezu vollständige Rumpfsegmente. Das hat eine Gruppe von Evolutionsbiolog:innen der Universitäten Wien, Greifswald und Berlin herausgefunden und stellt damit eine gängige Lehrmeinung über die artenreichen Gliederfüsser infrage. Die Studie erschien in "PNAS".
Zwei erwachsene Individuen der Asselspinne P. litorale neben einer Seeanemone (ihrer Beute). Bei Beleuchtung mit einer UV-Lichtquelle fluoreszieren die Tiere hellblau. (Foto: C: Georg Brenneis)
Auch bei der artenreichsten Tiergruppe unseres Planeten, den Gliederfüssern – also Insekten, Krebse, Spinnentiere, u.a. – ist es der momentane Forschungsstand, dass viele ihrer Vertreter zwar in der Lage sind, ihre Gliedmassen zu regenerieren, jedoch nicht Teile der Körperhauptachse, also des Rumpfes.
In einer neuen Studie untersuchten der Evolutionsbiologe Georg Brenneis und seine Koautor:innen die Regenerationsfähigkeit der meeresbewohnenden achtbeinigen Asselspinne (Pycnogonum litorale). Die Forscher:innen dokumentierten über mehrere Monate die unterschiedlichen Entwicklungsstadien von 23 Tieren, denen verschiedene Beinpaare und hintere Körperteile entfernt worden waren.
Sie analysierten die nachfolgende individuelle Entwicklung der äusseren Gestalt und der inneren Organe mit Hilfe von Fluoreszenzmikroskopie und Röntgen-Mikro-Computertomographie und visualisierten sie mittels digitaler 3D-Rekonstruktion.
Erstaunlicherweise zeigten die Untersuchungstiere eine beeindruckend hohe Überlebensrate selbst nach schwerwiegenden Verletzungen. Bei fast allen noch nicht voll ausgereiften Individuen kam es zu einer vollständigen oder nahezu vollständigen Regeneration der fehlenden Körperteile am hinteren Körperende.
"Das betraf nicht nur die Neubildung von Gliedmassen. Darüber hinaus bildeten sich fast vollständige hintere Rumpfsegmente mit Muskulatur und Mitteldarmschläuchen, der hinterste Körperanhang mit Enddarm und Anus, sowie fehlende Elemente der Geschlechtsorgane neu", so Georg Brenneis.
Diese neuen Ergebnisse widerlegen Experimente des frühen 20. Jahrhunderts, die u.a. vom späteren Nobelpreisträger Thomas Hunt Morgan (1866-1945) durchgeführt wurden und die Lehrmeinung bis heute entscheidend prägen.
Da Asselspinnen eine sehr alte evolutionäre Linie der Gliederfüsser sind, stellen die Autor:innen daher die Hypothese auf, dass ihr Regenerationspotenzial ein ursprüngliches Merkmal der Gliederfüsser gewesen sein könnte. Diese Regenerationsfähigkeit könnte auch zum Erfolg ihrer beeindruckenden evolutionären Diversifizierung beigetragen haben.
Weitere Untersuchungen der regenerativen Fähigkeiten anderer Gliederfüsser sowie ihrer näheren Verwandten unter den sich häutenden Tieren mit modernen Methoden könnten diese Hypothese erhärten.
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