Mühle Leidikon – Individualität und Handwerkkunst
Von: Hans Berger
„Was soll ich hier?“ dürften sich wohl manche gefragt haben, welche am vergangenen Samstag vorbehaltslos und nichts ahnend der Einladung einiger Handwerker gefolgt waren und dann in Leidikon, von dem sie bis dato überhaupt nicht einmal wussten, dass es im Fricktal eine Ortschaft dieses Namens gibt, vor einer Bruchbude standen, welche einst eine Mühle gewesen sein soll, die obendrein nicht einmal klappert, obwohl ein rauschender Bach eigentlich vorhanden wäre.
Mühle Leidikon – Individualität und Handwerkkunst
Eine nochmalige Konsultation des Flyers sagte ihnen dann jedoch, dass bei solch namhaften Unternehmen der Baubranche der äussere Schein wohl trügen muss und so harrten sie der Dinge, die da kommen.
Erkenntnis
Und siehe da, wenig später bestätigte sich Antoine de Saint-Exupérys Erkenntnis: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“, einmal mehr. Seit der Besichtigung der Mühle dürfte es nun einigen der Besucher gleich ergehen wie im Volkslied „Es steht eine Mühle im Schwarzwäldertal“ beschrieben:
Und wo ich geh und steh,
im Tal und auf der Höh,
da liegt mir die Mühle,
die Mühle im Sinn,
die Mühle vom Sulztal.
Womit ja dann auch geklärt wäre, wo dieses Leidikon zu finden ist, beim Dorfeingang von Sulz. Rund ein Drittel der vielen Sagen aus dem Sulztal dreht sich um den Weiler Leidikon, um die 1535 erstmals urkundlich erwähnte Mühle und die 1753 erbaute St. Nikolaus-Kapelle.
Wider dem ersten Eindruck
Während des Wartens auf die nächste Führung blieb Zeit, sich dem äusseren Erscheinungsbild der 1748 von einem Bernhard Staublin erbauten Mühle etwas zu widmen. In ihrer baulichen, von einstigem Reichtum zeugenden Geschlossenheit ist sie auf den zweiten Blick eigentlich ein eindrückliches Mühlenensemble, das aus einem zweistöckigen Wohnhaus mit Mühle, einer grossen Stallscheune und einem Ökonomiegebäude mit gewölbtem Kellerraum besteht. Weil nicht vorhanden, klappert aber tatsächlich kein Mühlrad mehr.
Wie vor der Hausführung von Toni Weiss zu erfahren war, führte 1893 ein Brand zur Zerstörung von Teilen der Anlage. Beim Wiederaufbau 1894 wurde anstelle des früheren Wasserradantriebs eine Turbine eingebaut und der Mühleweiher oberhalb der Kapelle angelegt, womit auch das fehlende Mühlrad geklärt wäre. Die Jahreszahl 1919 am Zementgewände des Hauseingangs dokumentiert bauliche Veränderungen, welche vornehmlich die östliche Giebelfassade und den Küchenbereich betrafen.
Mutiger Entscheid
1975 wurden sowohl das Müllergewerbe wie auch die Landwirtschaft aufgegeben und anfangs dieses Jahrhunderts das knapp 200 Jahre im Besitz der Familie Stäuble gewesene Ensemble zum Kauf ausgeschrieben. Die heutige Besitzerin Pia Fankhauser Zenhäusern, Physiotherapeutin HF, seit 2006 Baselbieter Landrätin und Tochter der ehemaligen Baselbieter SP-Nationalrätin (1983 bis 1999) Angeline Fankhauser hat zusammen mit ihrem Ehemann Rene Zenhäusern seinerzeit Mut gezeigt, dieses von Mäusen, Ratten und Holzwürmern in Beschlag genommene Anwesen zu erwerben.
Mehrstufige Renovierung
Wie einigen Fotos der ausführlichen Fotoreportage entnommen werden kann, ist es absolut nachvollziehbar, dass die drei konsultierten Architektenbüros, wohl auch aus finanzieller Überlegung, für eine radikale Sanierung plädierten, was aber gar nicht im Sinne des Ehepaars war.
Mit der EV Vögeli Holzbau AG und insbesondere mit Bauleiter Toni Weiss aus Sulz fanden sie dann einen Partner, der das Heu auf der gleichen Bühne hat. Und so konnte im Jahr 2009 die erste Etappe der mehrstufigen Renovierung in Angriff genommen werden.
Im 2012 folgte die nächste und am letzten Samstag wurde mit dem Tag der offenen Tür die dritte Etappe abgeschlossen. Was dabei rauskam ist schlichtweg einzigartig phänomenal, wie sich auf dem Rundgang herausstellte und den Bildern im Anhang entnommen werden kann und daher an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden muss. Nur soviel: Individualität und Handwerkkunst wurden in der Mühle Leidikon zum Synonym. Sie mahlten das Korn zu n‘em kräftigen Brot, Klipp klapp, klipp klapp, klipp klapp.
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