Mit Liedern, die bei aller Verspieltheit unerschütterlich bodenständig klingen, sang Sina sich an die nationale Spitze. Sie bescherte dem Walliser Deutsch poetische Tiefe und souligbluesigen Schmiss zugleich und definierte die Rolle der Mundart-Poplady für eine ganze Generation.
Und nun soll sie zur flauschigen Wolkenfischerin mutiert sein? Hat die erfolgreichste Sängerin der helvetischen Popszene, die kürzlich ihre langjährige Wahlheimat Zürich verliess, um ihre Zelte am Hallwilersee aufzuschlagen, ihre Walliser Wurzeln vollends vergessen?
Das Gegenteil trifft zu. Tatsächlich: Sina hat die hektische Stadt verlassen. Hat das hyperventilierende Szenengeschnatter gegen echtes Vogelgezwitscher eingetauscht und das rastlose Rauschen des Verkehrs gegen den Gesang der ländlichen Kirchturmglocken. Die majestätische Schönheit des Aargauer Himmels liess sie einen Sommer lang auf sich wirken, das warme Holz eines Badistegs im Rücken. Und wurde dabei von Kindheitserinnerungen eingeholt. „Ich bin als Weinbauernkind aufgewachsen. Zu meinen frühsten Erinnerungen gehört das Bild von mir und meinem Bruder, wie wir auf einer Wolldecke im Rebberg liegen und endlos den Himmel betrachten, während der Rest der Familie Trauben liest. Wir staunen, wie die Wolken ziehen, wie sich Engel zu Dämonen verrenken, wie sich der Schmetterlingsflügel zum offenen Rachen des Krokodils spaltet.“
Den kindlich-spielerischen Zeitvertreib hat die reife Songschreiberin nun zu einem starken Bild für nachhaltige Inspiration umgedeutet. Sina hat sich entschlossen, die ominösen Gestalten, geheimnisvollen Zeichen und abenteuerlichen Metamorphosen, die nur sie in den Wolken entziffern konnte, ernst zu nehmen und sie zu Songs zu machen. „Natürlich konnte ich nicht wie ein kleines Kind einfach weiter staunen und träumen. Das kreative Potential umsetzen, das in der Veränderung steckt und in ihrer Wirkung auf die Fantasie, das war mein Ziel.“
Das Ergebnis liegt mit «In Wolkä fische» als CD vor. Es sind Lieder eines zur Ruhe gekommenen Wildfangs mit einer berührenden Erkenntnis: Wie viele Überraschungen die genaue Betrachtung der eigenen Entwicklung bergen kann.
Zum Beispiel die Weisheit des Herzens. Oft weiss es schon längst den richtigen Weg, während der Kopf noch bockt. Im Song des neuen Albums, «Platz mis Härz», hat Sina mit Hilfe der Bestseller-Autorin Milena Moser diesem – ihr wohlvertrauten – Gefühl eine gültige Form gegeben. Damit hat sie der Welt eine unwiderstehliche Soulnummer beschert und ganz nebenbei sich selbst einen neuen Lieblingssong.
Zum Beispiel die Magie des Moments. «Wänn nit jetz wänn dä» ist so ungeduldig, wie der Titel suggeriert. Haben Thelma und Louise lange gezaudert, bevor sie sich ins Abenteuer stürzten? Eben. Wind im Haar und Flausen im Kopf – manchmal gibt es kein besseres Rezept für den nächsten Schritt. Das Akkordeon des Volksmusik-Magiers und Hujässler-Stars Markus Flückiger verleiht dem Song einmalige Leichtfüssigkeit.
Zum Beispiel die Macht der Stille. Wehmut schwingt mit in der vorläufigen Bilanz von «Schnee». Darüber, dass wilde Zeiten, Posen und Gefährten der Vergangenheit angehören. Aber auch die ruhige Gewissheit klingt an, dass der Abschied von Liebgewonnenem zur offenen Tür für eine neue Zukunft werden kann. Ein Juwel von einem Lied, das Sina zusammen mit Gitarrist und Sänger Adi Stern buchstäblich aus den Wolken gefischt hat. Das Original- Demo war so stark, dass es unverändert auf dem fertigen Album landete.
Zum Beispiel das Unausweichliche des Abschieds. «An der Port glost» ist das Lied über den Phantomschmerz, wenn plötzlich dunkle Leere gähnt, wo vorher die Liebe gelebt hatte.
Zum Beispiel die tröstliche Gewissheit der Zuneigung. «Hinnär diär» ist eine Lebensversicherung im Gewand des Popsongs.
Aus Wolkenbildern Luftschlösser und Wattebiografien bauen: Sinas Plan klingt nach romantischem Abenteuer. Dazu gehören allerdings auch äusserst realistische Visionen von drohenden Gewitterwolken am Horizont. Die tragisch in den schönen Schein verstrickte «Königin in rot», der beissende Spott in «Liäbi Wält» – beides unverkennbar von der Autorin Sibylle Berg geprägte Lieder – sind Beweis dafür, dass sich Sina nicht in abgehobene Sphären verabschiedet hat. Dass sie aber – traumwandlerisch sicher – das poetische Potential ausschöpfte, das sie im chinesischen Sprichwort fand: „Wer den Himmel im Wasser betrachtet, sieht die Fische in den Bäumen“. Zweifellos legt Sina hier das entspannteste Album ihrer Karriere vor.
Dass die neuen Lieder trotz der luftigen Metapher des Albumtitels edelstes Handwerk verraten, dafür garantiert eine eingeschworene Truppe von nationalem Ruf: Wieder haben Thomas Fessler und Markus Kühne über die Produktion gewacht, wieder hatten Kühne und Gitarrist Pele Loriano wesentlichen Anteil an den Kompositionen. Überzeugend auch die Ernte der jüngeren Zusammenarbeit mit Songschreiber und Gitarrist Adrian Stern. Harmonische Farbtupfer auf der Songpalette kommen von drei meisterhaften Bläsern des „Swiss Jazz Orchestra“, vom helvetischen Tasten-Wizard Hendrix Ackle, vom Cellisten Andreas Kühnrich und vom bereits erwähnten Handorgel-Virtuosen Markus Flückiger.
Wer Sina nicht nur zuhört, sondern den Klang ihrer Studio-Werke auf sich wirken lässt, dürfte dieses Mal eine Überraschung erleben. Für den definitiven Mix sorgte nämlich – neben dem vertrauten Soundmagier Thomas Fessler – ein Crack aus England. Der Brite Ren Swan, der schon K.T. Tunstall, Ronan Keating und Kylie Minogue ein Soundgewand nach Mass schneiderte, steht hinter dem Klang-Design der meisten Songs auf «In Wolkä fische». Swan, den sich Sina gezielt aus dem weltweiten Netz fischte, liefert hier sozusagen sein Schweizer Debüt.
Sina brennt buchstäblich darauf, die neuen Songs auf die Bühne zu bringen. Mit ihnen dahin zurück zu kehren, wo die Live-Energie das Tüfteln an den Kompositionen vergessen lässt. Denn so inspirierend die ruhige Umgebung ihres neuen Lebensraums war: Am stärksten ist die Walliserin immer noch dann, wenn sie ihre einmalige vokale Präsenz und ihr Charisma ausleben kann.
Seit Mitte März ist Sina mit ihrer Band (Orlando Ribar, Pele Loriano, Michael Chylewski, Lukas Schwengeler) unterwegs und gibt den in der Stille aus den Wolken gefischten Geschichten die Gelegenheit, ihr ganz eigenes Leben zu entwickeln.
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