«Tag des Abwassers» - Tag der offenen Tür in der ARA Kaisten
Von: Hans Berger
Niemand will eine Abwasserreinigungsanlage (ARA) in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Da sie sich also abseits befinden und allenfalls ein Schild auf deren Standort aufmerksam macht, finden sie kaum Beachtung, obwohl zumindest die westliche Zivilisation ohne ARAs von Epidemien geplagt, wenn nicht gar schon längst im eigenen Dreck versunken wäre. Durch das Abseitsstellen und weil ARAs zwingend einen Fluss brauchen, sind sie meist schön gelegen und bieten dem Personal durch ihren Raumbedarf einen grosszügigen Arbeitsplatz. So auch die ARA von Kaisten, welche am nationalen „Tag des Abwassers“ vom 21. Mai ihre Tore öffnete und der Bevölkerung Einblick in ihre, für die Menschheit lebenswichtige tägliche Arbeit gewährte.
«Tag des Abwassers», Tag der offenen Tür in der ARA Kaisten
Die Duftnoten, die wir Menschen nach dem Verrichten unserer Notdurft hinterlassen, sind nicht sonderlich beliebt und werden sofort mit Sprays oder dem Anzünden eines Streichholzes, was diesbezüglich besonders wirksam ist, übertüncht. So verwundert’s die Besucher einer ARA vielfach, dass diese unbeliebten Düfte auf dem Areal wider Erwarten quasi inexistent sind. Wer sich jedenfalls nach der Inspektion der ARA Kaisten auf Kosten des Gastgebers verköstigte, konnte dies stundenlang ohne jegliche Geruchsbelästigung tun.
Nicht so schlimm wie erwartet
Gestartet wurde der ausführlich beschilderte Rundgang in dem Gebäude, von dem wohl alle Besucher annahmen, dass es dort am meisten stinkt, dem Abwasserzulauf aus zwanzig Gemeinden. Wie sich nachträglich herausstellte, traf dies zwar zu, aber so schlimm wie befürchtet war es denn doch nicht. Jedenfalls machte es keine grosse Mühe, den interessanten Ablauf der mechanischen Vorreinigung mit Schnecke, Grob- und Feinrechenanlage sowie Sandfang zu beobachten. Zur Verwunderung Aller - haufenweise Exkremente sind nicht vorhanden, da sie sich auf dem Weg zur ARA im Wasser auflösen.
Die fleissigen Putzer
Milliarden von Mikroorganismen verzehren in der nächsten Stufe, dem Biologiebecken, die organischen und zum Teil auch anorganischen Verunreinigungen. Die fleissigen Kleinlebewesen lassen das vorgereinigte Wasser nochmals zu einer Kloake verkommen. Doch der Schein trügt, wie den Erklärungen auf den Tafeln entnommen werden konnte. Die braunen Massen sind „vollgefressene“ Mikroorganismen, die gemäss Schillers geflügeltem Satz: „Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen“, nach der Trocknung in der Kehrichtanlage verbrannt werden.
Auffallend an der 1960 gebauten ARA Kaisten ist, dass seit deren Sanierung im Jahre 2004 auf das vielfach übliche Nachklärbecken verzichtet wird. Beim Kaistner sogenannten SBR-Verfahren (Sequencing-Batch-Reactor) werden die Funktionen des Belebungsbeckens wie auch die Nachklärung in einem Reaktor vollzogen, was sich positiv auf Platzbedarf auswirkt.
Ohne Technik geht’s nicht
Aha, eine Kläranlage ist keine Erfindung des Menschen, sondern basiert auf den Abläufen in der Natur, lautet eine Erkenntnis der Beobachtungen. Auf dem letzten Teil des Rundgangs aber wurde allerdings klar, dass der tatsächlich natürliche Reinigungsprozess nicht ohne enorme technische Installationen möglich ist. Genausoviel Platz wie es für die Klärung des Wassers braucht, benötigen auch die Pumpen, Kompressoren, Gebläsemaschinen, Vor- und Nachfaulsilos und vieles mehr.
Wunsch
Wer nach dem Umgang noch nicht genug hatte und die ARA aus einer höheren Warte betrachten wollte, konnte dies von der Drehleiter der BASF Feuerwehr tun, welche zusätzlich auch für die Sicherheit der Gäste sorgte. Betriebsleiter Roland Amsler zeigte sich zufrieden mit der Besucherzahl am Tag des Abwassers. Hätte er allerdings einen Wunsch frei, so wäre dieser, dass seine Abwasserlieferanten inskünftig zweimal überlegen, bevor sie etwas via Abwaschbecken, Lavabo, Dusche, Badewanne oder WC entsorgen. Diese gedankenlose „Müllbeseitigung“ mache nicht nur der Anlage Probleme, sondern verteure vor allem die Abwasseraufbereitung massiv, was wiederum den Abwasserlieferanten in Rechnung gestellt werde.
Geschichtliches
„Und du sollst draussen vor dem Lager einen Ort haben, dahin du zur Not hinausgehst. Und sollst eine Schaufel haben, und wenn du dich draussen setzen willst, sollst du damit graben; und wenn du gesessen hast, sollst du zuscharren, was von dir gegangen ist“ heisst es in Moses 5. 23 Vers 13 und 14
Durchaus hygienisch ist der Ratschlag des Moses (1300 v. Chr) für Soldaten im Feldlager und voller Vertrauen in die Reinigungskraft von Mutter Erde.
Zumeist aber setzten alte Kulturen auf die Reinigungskraft des Wassers. Ansiedlungen gründete man in der Regel an Flüssen, nicht nur unter der Perspektive des Handels und des Fischfangs, sondern auch, damit die Abwässer der Menschen weggeschwemmt werden konnten.
Das Problem: Was bei ländlichen Strukturen noch hygienisch vertretbar war, sollte sich im Mittelalter, als die Städte wuchsen, ins Gegenteil verkehren – die Menschen bezogen ihr Trinkwasser aus den Flüssen, die Abwässer mit sich führten, oder über Brunnen aus dem Grundwasser, das gleichfalls durch versickernde Abwässer verunreinigt war. Die natürliche Reinigungsleistung der Böden und Fliessgewässer versagte bei steigenden Abwassermengen, todbringende Seuchen traten in Europa noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf.
Antike
Bereits in der Antike (1200 v. Chr. bzw. 800 v. Chr. bis ca. 600 n. Chr.) gab es Wege, sein Abwasser zu entsorgen, beispielsweise hat man in Ausgrabungsstätten auf Kreta und in altassyrischen Städten Abwasserkanäle gefunden. Vor allem die von den Römern erbauten Kanäle waren besonders ausgefeilt und werden teilweise sogar heute noch benutzt. Die Abwasserkanäle dienten hauptsächlich zur Entwässerung oder Drainage. Damals beseitigten die Menschen ihren Müll, indem sie ihn einfach auf die Strasse warfen, wo er dann beim nächsten Regen davongespült wurde.
Mittelalter
Gegen Ende des Mittelalters (6. bis 15. Jahrhundert) legten die Menschen zunächst unterirdische Sammelgruben für ihren Müll in Kellergewölben an, später auch Jauchegruben. Waren diese Behälter dann voll, musste der Grubenbesitzer für ihre Entleerung durch Abortentleerer zahlen. Die Abfälle wurden meist als Dünger auf nahe gelegenen Feldern verwendet oder in Flüsse oder auf brachliegende Landflächen entleert.
Einige Jahrhunderte später wurden neue Abwasserkanäle gebaut. Diese Kanäle waren meist entweder unseren Rinnsteinen ähnlich oder richtige, breite Kanäle. Damals war es verboten, seine Abfälle in den Rinnstein zu werfen.
Im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert jedoch stellte man fest, dass es gesünder ist, den Abfall aus den Rinnsteinen und Kanälen mit dem Regenwasser zu entfernen, da man so das Risiko von Seuchenausbrüchen deutlich verringern konnte. So wurde das Verbot, Abfälle im Rinnstein zu entsorgen, aufgehoben - und diese Handlungsweise sogar erwünscht.
Zwischen 1859 und 1875 entwickelte Joseph Bazalgette in London ein System, durch welches Niederschlagswasser und Abfall gleichzeitig in die Themse abgeleitet wurden. Die städtische Wasserversorgung und die Einrichtung von Wasserleitungen in den Häusern führten schliesslich zum Bau von Spülklosetts und den ersten moderneren Kanalisations- und Abwassersystemen.
Im 20. Jahrhundert
Am Anfang des 20. Jahrhunderts stellten einige Industriezweige und Städte fest, dass man das ökologische Gleichgewicht durch Entsorgung von Abfällen und direkte Einleitung von Abwasser in Flüsse erheblich stört. Auch der Zusammenhang zwischen verseuchten Flüssen und der Ausbreitung von Krankheiten wurde erkannt.
Um eine Störung dieses Gleichgewichts in der Zukunft möglichst zu verhindern und Seuchen einzudämmen, fing man an, zumindest in Grossstädten Kanalisationen und erste Kläranlagen und Klärgruben zu bauen. Klärgruben sind eine Möglichkeit, Abwässer aus Einzelhaushalten in Vorstädten und auf dem Land zu entsorgen.
1970
Das Thema Abwasserentsorgung gewann zu Beginn der siebziger Jahre zunehmend an Bedeutung, als man sich weltweit mit dem umfangreichen Problem der Verschmutzung des menschlichen Lebensraumes befasste. Seitdem werden in den Industrieländern die Methoden der Klärung immer weiter verfeinert. Die neueste Entwicklung sind so genannte Pflanzenkläranlagen, bei denen verschiedene Sumpfpflanzen zur Reinigung eingesetzt werden.
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