Fideler, erotischer Heimatobe
Von: Hans Berger
Im täglichen Leben sind die volkstümlich gesinnten Menschen kaum erkennbar, so als seien sie eine Minderheit. Wenn dann aber irgendwo ein Heimatabend stattfindet, ist ein Grossaufmarsch garantiert und es bleiben, wenn überhaupt, nur wenige Stühle unbesetzt. So auch am vergangenen Samstag am „Heimatobe“ der Trachtengruppe Gipf-Oberfrick, die einmal mehr bewies, dass gute Unterhaltung auch ohne pompösen Glanz und Glemmer möglich ist.
Heimatobe in Gipf-Oberfrick
Quotenlos
Bodenständigkeit scheint das Zauberwort für den Erfolg zu sein. Meist werden so Heimatabende von Männer dominierten Jodlerklubs organisiert, in Gipf-Oberfrick aber haben – ohne irgendwelche Quotenregelung - die Frauen das Sagen.
Tätschmeisterin ist die quirlige Susi Schaffner, welche sich bei der Begrüssung über den vollen Saal erfreut zeigte. Der erste Programmteil mit Gesang und Tanz wurde vom Baselbieter Jan Stalder mit manch gepfefferten, knapp über der Gürtellinie liegenden Witzen moderiert. Im zweiten Teil brillierte das Theaterensemble.
Stielaugen
Äusserst sittenhaft präsentierten sich die Trachtenfrauen mit ihren wallenden Roben. Wobei aber vorstellbar ist, dass seinerzeit, als die Trachten zum täglichen Leben gehörten, die Männer oft Stielaugen bekamen, wenn die Frauen tanzten und dabei ein bisschen mehr Bein oder gar die Spitzen ihrer bis zur Wade reichenden Unterhosen zeigten. Zumal, wenn diese noch knallrot waren, wie bei einigen der Trachtenfrauen in Gipf-Oberfrick zu entdecken war.
Rätselhaft
Aber bekanntlich gibt’s ja auf der „Alm koa Sünd“. Diesen Trugschluss manifestierte jedenfalls zum Auftakt des Heimatabends die vollständig auf der Bühne versammelte Trachtengruppe Gipf-Oberfrick, bei dem der Frauenchor unter der Leitung von Beatrice Waldmeier klangvoll dozierte: „Äs bitzli Zyt, das bruche mier“.
Wie sie das schaffte, bleibt wohl für immer ein Geheimnis der Kindertanzgruppe, jedenfalls behaupteten die Fricktaler felsenfest „Mir Ämmitaler“ und tanzten danach, obwohl sie alle über einen Meter gross sind, sogar noch durchs „Knopfloch“
Tiefgang
Auf einen philosophischen Pfad begab sich der Chor mit der Erkenntnis „Wege entstehen beim Gehen“ und stellte dabei fest „Das Leben braucht einen, der lebt. Die Liebe braucht einen, der liebt. Zu leben heisst, Wege zu gehen, die erst beim Gehen entsteh’n.“
Das Publikum fühlte sich in der Mehrzweckhalle offensichtlich pudelwohl, trotzdem ist nicht gänzlich auszuschliessen, dass einige sich gerne an jenen Ort zurückgezogen hätten, wovon der Chor so schwärmte: „Es knisteret im Hüttefüür, es sprätzlet i der Gluet. Mir sitzen alli z’ringetum, die Wärmi tuet üs guet. Mir örgele bym Hüttefür u jutzen eis derzue. We mir so richtig gmüetlich si, git’s erscht am Morge Rueh.“
Könnte ja sein, dass sie dort jene magische „La Florentina“ (die Florentinerin) getroffen hätten, welche die Volkstanzgruppe versinnbildlichte. Und wer weiss - vielleicht hätte sie einen der Ausreisser so betört, dass er, in Übereinstimmung mit den Tänzerinnen und Tänzern, mit „Miär zwei“ frohlockt hätte.
„En heisse Droht“
Unter der Regie von Marcel Knoll widerlegten die Schauspielerinnen und Schauspieler mit dem perfekt inszenierten, herrlich gespielten Stück „En heisse Droht“ lustvoll aber zweifelsfrei die These „Auf der Alm da gib’s koa Sünd“. Nein, Sexszenen gab’s nicht einmal ansatzweise live zu sehen aber umso heftiger suggeriert.
Die Witwe Rösi Binggeli (Beatrice Waldmeier) bewirtschaftet zusammen mit der, kein Blatt vor den Mund nehmenden Magd Vreni Mäuchtri (Nicole Reimann) und dem etwas bescheuerten, alles hinterfragenden Knecht Sepp Ruchli (Pascal Fasel) den Kaminhof, logisch, dass die beiden das Heu nicht auf den gleichen Bühne haben. Trotz aller Bemühungen geht es finanziell bergab. Rösis Freundin Petra Keller (Luzia Schlienger) kümmert sich um die Buchhaltung des Bauerngutes. Obwohl die roten Zahlen nichts Gutes verheissen, will Petra mit einer gewagten Idee den Hof retten.
Insgeheim schmiedet sie mit der Magd Vreni und dem Knecht Sepp einen Plan. Petra organisiert ein „neutrales“ Handy und notgedrungen schlüpften Vreni und Sepp widerwillig in die Rollen von Sändi und Mändi, um so mit einem „heissen Draht“ und hohen „Gebühren“ einsame Männerherzen zu verwöhnen. Was selbstverständlich der Sittenwächterin und Tratschtante Susi Schaffner (Julie Schütz) nicht gänzlich verborgen bleibt.
Als dann schliesslich der gerne Schnäpschen trinkende Pfarrer Tali von St. Wittnau (Christoph Kaiser) aus Versehen einen dieser ominösen Anrufe entgegennimmt, beginnt eine aberwitzige Verwechslungskomödie. Nun werden die Falschen beschuldigt und von vom Polizisten Paul Schaffner (Marcel Zulliger) verhaftet. Denn dies alles verstösst schliesslich gegen die Sitte und Moral von Gipf-Oberfrick.
Fazit
Ein durch und durch unterhaltsamer, vergnüglich Heimatabend, der ganz ohne die dafür eher typischen Klischees auskam, und gleichwohl echt bodenständig war.
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