17. Fricktaler Gemeindeseminar vom Fricktal Regio Planungsverband
Von: Hans Berger
Unter dem Slogan „Aus der Praxis - für die Praxis“ lud der Fricktal Regio Planungsverband am Mittwoch und Donnerstag die Gemeinderäte der 35 Mitgliedgemeinden zum 17. Fricktaler Gemeindeseminar ein. Während sich das Plenum unter der Leitung von Gemeindeammann und Grossrat Hansueli Bühler am Donnerstag mit der aktuellen Raumentwicklung befasste, stand am Freitag „Gesundheit und Soziales“ auf der Traktandenliste.
(v.l.) Regierungsrat Dr. Urs Hofmann, Oberrichter Guido Marbet
Raumentwicklung
Obwohl im Fricktal die Meinungen über das Tiefenlager Bözberg, welches vom Bundesamt für Energie (BFE) gemäss Wunsch der Region auf Tiefenlager-Region "Jura Ost" umgetauft wurde, längst gemacht sind und der Planungsverband eine eher negative Stellungnahme dazu abgegeben hat, bekamen am Donnerstag Stefan Jordi sowie Markus Fritschi von der Nagra Gelegenheit, ihre positive Einstellung zu einem Tiefenlager kund zu tun. Wie jedoch nicht anders zu erwarten war, konnten sie unter den rund 60 TeilnehmerInnen keinen Meinungsumschwung herbeiführen.
Am Nachmittag referierten Jörg Hartmann, Leiter der Sektion Grundlagen und Kantonalplanung sowie Bernhard Fischer, Sektionleiter Regional- und Ortsplanung Abteilung Raumentwicklung zum Thema Raumentwicklung. Hansueli Bühler informierte abschliessend über das Vorgehen der regionalen Abstimmung von kommunalen Planungen im Fricktal.
Gesundheit und Soziales
Mit dem grossen Thema Spitalplanung und Spitalfinanzierung befasste sich am Freitagmorgen Dr. Robert Rhiner, Leiter der Abteilung Gesundheitsversorgung im Aargau. Und Urs Niffeler orientierte über die Finanzierung und Übergangsordnung bezüglich dem ebenfalls noch viele Sorgen bereitenden neuen Pflegegesetz.
Am Freitagnachmittag war dann mit Regierungsrat Urs Hofmann hoher Besuch angesagt. Während mit den vorangegangenen Themen auch die Frau, der Mann von der Strasse zumindest einigermassen bewandert sind, ist ihnen das am Mittwoch vom Bundesrat per 1. Januar 2013 verordnete neue „Kindes- und Erwachsenenschutzrecht“ (KESR) (f24.ch berichtete) eher unbekannt. Nur so ist auch erklärbar, warum dieses Gesetz aus dem Jahre 1912 bis anhin kaum eine Änderung erfuhr. Verständlich, dass wenn dann in diesen Bereichen eine Änderung vorgenommen wird, diese erheblich sein wird. Was vor allem die Kantone und die Gemeinden organisatorisch wie finanziell zu spüren bekommen, wie den Ausführungen von Regierungsrat Urs Hofmann und Oberrichter Guido Marbet zu entnehmen war. Dass den regionalen Behörden das Thema unter den Nägeln brennt, repräsentierte sich im rund 150-köpfigen Plenum, das sich am Freitagnachmittag im Pfarreizentrum Rampart in Frick versammelte.
Das Wichtigste in Kürze
Der Bund hat das geltende Vormundschaftsrecht, das vor 100 Jahren erlassen wurde, einer Totalrevision unterzogen. Das neue Bundesrecht sieht differenziertere Massnahmen vor: An die Stelle der heute standardisierten Massnahmetypen Vormund-, Beirat- und Beistandschaft tritt die Beistandschaft, die künftig flexibel und falladäquat ausgestaltet, sprich: "massgeschneidert", wird.
Zudem basiert das neue Recht auf dem Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts. Angesichts der demographischen Entwicklung (Anstieg der Lebenserwartung) entspricht es bereits heute einem grossen Bedürfnis, im Hinblick auf eine Erkrankung (zum Beispiel Demenz) selbstbestimmt die erforderlichen Dispositionen treffen zu können. Dementsprechend sieht das neue Bundesrecht zwei neue Rechtsinstitute vor: den Vorsorgeauftrag und die Patientenverfügung.
Auslegeordnung November 2009
Aufgrund der hohen Komplexität des neuen Rechts verlangt der Bund die Ablösung der bisherigen Vormundschaftsbehörden (Gemeinderäte) durch interdisziplinär zusammengesetzte Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden mit drei Mitgliedern. Im Jahr 2009 hat eine Projektgruppe (Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinden, Justiz, Bezirksämter, von sozialen Institutionen und des Kantons) verschiedene Varianten geprüft, die in der vorliegenden Auslegeordnung in ihren Grundzügen beschrieben und mit einer Kostenschätzung verbunden werden.
Anhörung bis 25. Februar 2011
Der Regierungsrat unterbreitete am 26. November 2010 zwei kantonale Organisationsmodelle für die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden zur Anhörung: Das Gerichts- und das Verwaltungsmodell. In beiden Modellen sollen die Abklärungen für die Massnahmen sowie die Mandatsführung weiterhin durch die Gemeinden erfolgen.
Parallel zur Anhörung über die Umsetzung des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts läuft die Anhörung zur Totalrevision des Gerichtsorganisationsgesetzes. Zwischen den beiden Vorlagen besteht insofern ein sachlicher Zusammenhang, als bei einem Entscheid für das Gerichtsmodell zur Umsetzung des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts eine Anpassung der Gerichtsorganisation notwendig ist.
Gerichtsmodell oder Verwaltungsmodell
Für die Umsetzung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts des Bundes stellt der Regierungsrat zwei mögliche Modelle für die Behördenorganisation zur Auswahl: Das Gerichtsmodell und das Verwaltungsmodell.
Beim Gerichtsmodell wird an jedem der elf Bezirksgerichte neu eine Abteilung Familiengericht eingeführt. Diese Abteilungen werden nebst den schon bisher von den Bezirksgerichten behandelten familienrechtlichen Fragen neu die Aufgaben aus dem Kindes- und Erwachsenenschutz übernehmen. Im Verwaltungsmodell werden sechs neue dezentrale kantonale Verwaltungsbehörden für den Vollzug des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts errichtet. Der Spruchkörper setzt sich in beiden Modellen aus drei Mitgliedern zusammen, die aus den Fachrichtungen Recht, Sozialarbeit und Psychologie stammen. Bei beiden Varianten bleiben die Abklärungen für die Massnahmen und die Mandatsführung weiterhin Sache der Gemeinden, vor allem aber der Amtsvormundschaften.
Die Kosten (Personal- und Gemeinkosten) für die neuen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) betragen pro Jahr rund 12,5 Millionen Franken für das Gerichtsmodell, beziehungsweise 12,1 Millionen für das Verwaltungsmodell.
Neue Leitungs- und Aufsichtsstruktur der Justiz
Das heute geltende aargauische Gerichtsorganisationsgesetz vom 11. Dezember 1984 soll einer Totalrevision unterzogen werden. Die wichtigste Änderung betrifft die Leitungs- und Aufsichtsstruktur für die Justiz. Die strategische Führungsfunktion kommt dabei der Justizleitung zu, die sich aus dem Obergerichtspräsidenten, dem Obergerichtsvizepräsidenten sowie einer weiteren Vertretung des Obergerichts, des Spezialverwaltungsgerichts und der Bezirksgerichte zusammensetzt.
Neu wird ein Justizgericht eingesetzt, das vor allem für personalrechtliche Massnahmen gegen Richterinnen und Richter zuständig ist. Im Weiteren werden aufgrund von Entscheiden des Bundesgerichts das Personalrekursgericht, das Rekursgericht im Ausländerrecht und die landwirtschaftliche Rekurskommission aufgehoben und die entsprechenden Zuständigkeiten dem Verwaltungsgericht übertragen. (mehr Infos in der Fotogalerie)
Diskussion
Den rund zehn Votanten der anschliessenden Diskussionsrunde lagen vor allem die Kosten auf dem Magen. Einig unter ihnen bezweifelten gar die Sinnhaftigkeit der umfassenden Revision, gestanden aber Regierungsrat Urs Hofmann zu, dass angesichts der Aufoktroyierung durch Bundesbern die Regierung eine gute Lösung erarbeitet hat. Zum Abschluss des 17. Fricktaler Gemeindeseminars lud der gastgebende Fricktal Regio Planungsverband die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Apéro ein, an genügend Gesprächsstoff dürfte es nicht gemangelt haben.
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