„Geben ist seliger denn nehmen“
Von: Hans Berger
Wer kennt ihn nicht, diesen berühmten Satz aus dem Neuen Testament (Paulus zitiert Jesus, Apostelgeschichte 20,35). Im Kern ist dieser Erkenntnis nicht zu widersprechen. Schenken ist eine uralte Tradition, geprägt von unterschiedlichen Zeiten und den verschiedenen Kulturen. Seit Anbeginn der Menschheit werden überall auf der Welt Geschenke als eine Form des sozialen Handelns ausgetauscht. Diesem Grundsatz folgte gestern auch der Vorstand des Wohlfahrtsfonds der Waldstadtloge Rheinfelden, indem er traditionsgemäss den beiden „Jugend- und Familienberatungen“ der Bezirke Laufenburg und Rheinfelden je dreitausend Franken übergab, um damit minderbemittelte Ratsuchende mit einem Geschenk zu erfreuen
(v.l.) Jörg Schneider, Sarah Hofmann, Lukas Jehle, Sandra Wey, Bruni Moritz, Christa Franzen, Werner Ehrsam
Schenken ist Beziehungspflege und -aufbau. Schenken ist zwischenmenschliche Kommunikation. Das Geschenk ist eine Botschaft. Es ist mehr (oder weniger) als der Kaufpreis. Schenken zeigt Verbundenheit (und Wertschätzung?). Es ist eine soziale Verpflichtung – das Beschenken und das Annehmen. Das sagen Soziologen. Und helfen einem damit nicht wirklich weiter.
Darreichung
Das Wort «schenken» bedeutet ursprünglich «ein Gefäss schräg halten (damit der Inhalt ausläuft)». Der Brauch, einem müden Wanderer einen erfrischenden Trank zu reichen, sobald er die Schwelle des Hauses überschritten hatte - also ihm etwas zu trinken einzuschenken - war im Mittelalter so weit verbreitet, dass «schenken» schliesslich die allgemeine Bedeutung von Geben, bzw. Darreichen übernahm. Im «Mundschenk» hat sich dieser Begriff personifiziert. Der Mundschenk war im Mittelalter ein Hofbediensteter, der für die Versorgung mit Getränken – vor allem mit Wein – zuständig war.
Warum schenken wir an Weihnachten?
Das Schenken ist zwischenzeitlich in unseren Breitengraden als Folge des Überflusses jedoch um einiges schwieriger geworden. Dies insbesondere zur Weihnachtszeit, in der mehrere liebe Mitmenschen mit unterschiedlichen Charakteren gleichzeitig beschenkt werden sollen. Das Problem dabei ist: Ein originelles Geschenk kann erfreuen. Ein Geschenk kann enttäuschen. Geschenke können Menschen in den siebten Himmel heben, aber auch in die tiefste Hölle. Geschenke können dafür sorgen, dass ein Mensch sich bedeutungsvoll fühlt, aber sie können auch beleidigen.
Zwar steht das Schenken nicht im Mittelpunkt der Weihnachtsgeschichte. Im Matthäus-Evangelium werden drei Gaben der Sterndeuter aus dem Morgenlande an das neugeborene Kind erwähnt (Gold für den König, Weihrauch für Gott, Myrrhe für den sterblichen Menschen), abgesehen davon ist von weihnachtlichen Geschenken in den Evangelien keine Rede. Tatsächlich basiert die christliche Tradition des Schenkens zu Weihnachten auch nicht auf den Gaben der Drei Könige - sondern ist eine Erinnerung an die Geburt Christi als Geschenk Gottes an die Menschheit.
Aber warum schenken wir in der so säkularisierten Welt denn eigentlich immer noch und was hat Schenken für einen Sinn? Wenn man das wüsste, könnte es vielleicht neu definiert werden. Schliesslich hat das keine Zukunft, was auch keine Herkunft hat, denn die Kinderbescherung hatte sich im Mittelalter eingebürgert, als der Heilige St. Nikolaus zunehmend zur „Kultfigur“ wurde.
Noch 1910 sorgte ein Teller mit Nüssen und Äpfeln für leuchtende Kinder-Augen. Um den Kindern trotzdem etwas Besonderes unter den Baum stellen zu können, griff man selbst zum Werkzeug. Selbstgezimmerte Ritterburgen, handgegossene Zinnsoldaten und selbstgestrickte Socken.
Erst in den 1950-er Jahren entstand eine neue Schenkkultur. Für Buben waren Dampfmaschinen der Renner. Für Mädchen vor allen Dingen solche Spielzeuge, mit deren Hilfe sie ihre gesellschaftliche Rolle als Mutter einüben konnten: Bügeleisen, Puppenstube, Spielzeugherd.
„Bescherung“
Was so bescheiden anfing, führte zur heutigen Hypersomie. Das Geschenk wurde zu einem Netz aus Geben und Nehmen und beeinflusst die soziale Bindung ungemein. Oft kommt es nicht darauf an, sich gegenseitig etwas zu schenken, sondern ob wir imstande sind, uns gegenseitig etwas zu geben.
Sich deshalb dem Schenken zu verweigern, mag in Zeiten des Überflusses vernünftig erscheinen – und auch bequem sein. Doch hier lässt sich entgegnen: Liebe kennt keine Vernunft, keine Bequemlichkeit. Sie kennt nur Freude. Und wer die Gelegenheit verstreichen lässt, sie zu bereiten, stiehlt genau betrachtet irgendwie auch Momente des Glücks.
Glücksmomente
Dieser Aspekt ist es dann auch, welchen den Vorstand des Wohlfahrtsfonds der Waldstadtloge Rheinfelden Jahr für Jahr antreibt, via den beiden „Jugend- und Familienberatungen“ der Bezirke Laufenburg und Rheinfelden einigen, nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehenden Menschen Glücksmomente zu schenken.
Ein Geschenk, das aber auch für die Schenkenden wie desgleichen für die beiden Leiterinnen Sandra Wey (Laufenburg) und Bruni Moritz (Rheinfelden) ein Glücksmoment ist.
Denn erstere wissen, dass bei den beiden Beratungsstellen ihr Anliegen hundertprozentig umgesetzt wird. Letztere, weil sie wissen, dass das stimmt, was der Geschäftsführer vom Gemeindeverband Bezirk Laufenburg Adrian Brogle beim Empfang der unter der Leitung von Jörg Schneider stehenden Delegation sagte: „Es gibt viele Gelegenheiten, wo man mit wenig Geld grosses bewirken kann.“
Eine Erkenntnis, welche der Wohlfahrtsfonds der Waldstadtloge Rheinfelden seit 1992 bei den Vergaben von rund 100‘000 Franken immer wieder erleben durfte, wie deren langjähriger Finanzchef Werner Ehrsam sagte.
Ja, geben ist eben seliger denn nehmen.
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