Faszination Universum - Erster Riesenplanet um Weissen Zwerg gefunden
Von: eso/f24.ch
Erstmals haben Wissenschaftler mit dem Very Large Telescope der ESO Beweise für einen riesigen Planeten gefunden, der in Verbindung mit einem Weissen Zwergstern steht. Der Planet umkreist den heissen Weissen Zwerg, den Überrest eines sonnenähnlichen Sterns, in geringer Entfernung, wodurch seine Atmosphäre abgetragen wird und eine Gasscheibe um den Stern bildet. Dieses einzigartige System deutet darauf hin, wie unser eigenes Sonnensystem in ferner Zukunft aussehen könnte.
Diese Abbildung zeigt den Weissen Zwerg WDJ0914+1914 und seinen Neptun-ähnlichen Exoplaneten. Da der eisige Riese den heissen Weissen Zwerg in geringer Entfernung umkreist, streift die extreme ultraviolette Strahlung des Sterns die Atmosphäre des Planeten ab. Während das meiste dieses abgetragenen Gases entweicht, wirbelt ein Teil davon auf eine Scheibe, die ihrerseits auf den Weissen Zwerg strömt. (Quelle: ESO/M. Kornmesser
Es war eine dieser zufälligen Entdeckungen“, sagt der Forscher Boris Gänsicke von der University of Warwick in Grossbritannien, der die in Nature veröffentlichte Studie leitete. Die Forschungsgruppe hatte etwa 7‘000 Weisse Zwerge inspiziert und fanden heraus, dass einer davon einzigartig ist.
Durch die Analyse der geringen Schwankungen des Sternlichts entdeckten sie Spuren von chemischen Elementen in Mengen, die Wissenschaftler noch nie zuvor bei einem Weissen Zwerg beobachtet hatten. „Wir wussten, dass in diesem System etwas Aussergewöhnliches vor sich gehen musste, und spekulierten, dass es sich um eine Art planetarischen Überrest handeln könnte.“
Um eine bessere Vorstellung von den Eigenschaften dieses ungewöhnlichen, 1‘500 Lichtjahre entfernten, im Sternbild Krebs befindlichen Sterns mit dem Namen WDJ0914+1914 zu bekommen, analysierte das Team ihn mit dem Very Large Telescope der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste.
Diese Folgebeobachtungen bestätigten die Anwesenheit von Wasserstoff, Sauerstoff und Schwefel nahe des Weissen Zwerges. Bei der Analyse der Details in den Spektren entdeckte die Wissenschaftler, dass sich diese Elemente in einer Scheibe aus Gas befinden, die auf den Weissen Zwerg einfällt und nicht vom Stern selbst kommt.
„Es dauerte einige Wochen, bis wir herausfanden, dass der einzige Weg, eine solche Scheibe zu erzeugen, das Verdampfen eines riesigen Planeten ist“, sagte Matthias Schreiber von der Universität Valparaiso in Chile, der die vergangene und zukünftige Entwicklung dieses Systems berechnete. Sowohl er als auch Gänsicke kommen aus Deutschland und haben dort promoviert.
Die nachgewiesenen Mengen an Wasserstoff, Sauerstoff und Schwefel ähneln denen in den tiefen atmosphärischen Schichten von eisigen, riesigen Planeten wie Neptun und Uranus. Befände sich die Bahn eines solchen Planeten in der Nähe eines heissen Weissen Zwerges, würde die extreme ultraviolette Strahlung des Sterns seine äusseren Schichten abstreifen.
Ein Teil dieses abgetragenen Gases würde sich zu einer Scheibe verwirbeln, die ihrerseits auf den Weissen Zwerg fällt. Das ist es, was Wissenschaftler um WDJ0914+1914 herum sehen: der erste verdampfende Planet, der einen Weissen Zwerg umkreist.
Durch die Kombination von Beobachtungsdaten mit theoretischen Modellen konnte die Gruppe von Astronomen aus Grossbritannien, Chile und Deutschland ein klareres Bild von diesem einzigartigen System zeichnen. Der Weisse Zwerg ist klein und mit 28‘000 Grad Celsius (fünfmal so hoch wie die Temperatur der Sonne) extrem heiss. Im Gegensatz dazu ist der Planet eisig und gross – mindestens doppelt so gross wie der Stern.
Da er den heissen Weissen Zwerg aus nächster Nähe umkreist und ihn in nur zehn Tagen umrundet, blasen die hochenergetischen Photonen des Sterns allmählich die Atmosphäre des Planeten davon. Der grösste Teil des Gases entweicht, aber ein Teil wird in eine Scheibe gezogen, die mit einer Rate von 3000 Tonnen pro Sekunde in den Stern strömt. Es ist diese Scheibe, die den sonst verborgenen neptunähnlichen Planeten sichtbar macht.
„Das ist das erste Mal, dass wir die Mengen an Gasen wie Sauerstoff und Schwefel in der Scheibe messen können, was Hinweise auf die Zusammensetzung von Exoplaneten-Atmosphären gibt“, sagt Odette Toloza von der Universität Warwick, die ein Modell für die Gasscheibe um den Weissen Zwerg herum entwickelte.
Das Schicksal unsers Sonnensystems
„Die Entdeckung eröffnet auch ein neues Fenster zum endgültigen Schicksal der Planetensysteme“, ergänzt Gänsicke.
Sterne wie unsere Sonne verbrennen den grössten Teil ihres Lebens lang Wasserstoff in ihren Kernen. Sobald ihnen dieser Treibstoff ausgeht, blähen sie sich zu Roten Riesen auf, werden hundertmal grösser und verschlingen nahegelegene Planeten.
Im Falle unseres Sonnensystems gehören dazu Merkur, Venus und sogar die Erde, die alle von der Rote-Riesen-Sonne in etwa fünf Milliarden Jahren verschlungen werden.
Schliesslich verlieren sonnenähnliche Sterne ihre äusseren Schichten und hinterlassen nur noch einen ausgebrannten Kern, einen Weissen Zwerg. Solche stellaren Überreste können noch Planeten beherbergen, und man vermutet, dass viele dieser Sternensysteme in unserer Galaxie existieren.
Bislang hatten Wissenschaftler jedoch noch nie Beweise für einen überlebenden Riesenplaneten um einen Weissen Zwerg gefunden. Der Nachweis eines Exoplaneten im Orbit um WDJ0914+1914, der sich wee bereit etwa 1‘500 Lichtjahre entfernt im Sternbild Krebs befindet, könnte der erste von vielen solcher Sterne sein.
Geistige Herausforderung
Nach Angaben der Forscher umkreist der Exoplanet den Weissen Zwerg in einer Entfernung von ‚nur‘ zehn Millionen Kilometern oder dem 15-fachen Sonnenradius. Der Planet hätte sich daher inmitten des Roten Riesen befinden müssen. Die ungewöhnliche Position des Planeten legt nahe, dass sich der Planet irgendwann, nachdem der Wirtsstern zu einem Weissen Zwerg geworden ist, näher an ihn herangearbeitet hat.
Die Astronomen sind der Ansicht, dass diese neue Umlaufbahn das Ergebnis von gravitativen Wechselwirkungen mit anderen Planeten im System sein könnte, was bedeutet, dass mehr als ein Planet den gewaltsamen Übergang seines Wirtssterns überlebt haben könnte.
„Bis vor kurzem dachten nur sehr wenige Astronomen über das Schicksal von Planeten nach, die sterbende Sterne umkreisen. Diese Entdeckung eines Planeten, der sich um einen ausgebrannten Sternenkern dreht, zeigt eindrucksvoll, dass das Universum unseren Geist immer wieder herausfordert, über unsere etablierten Ideen hinauszugehen“, schliesst Gänsicke.
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