Neues Sanktionsrecht und Rückfallquote
Von: mm/f24.ch
Seit Inkrafttreten des neuen Sanktionenrechts am 1. Januar 2007 ist die Rückfallrate statistisch nicht signifikant angestiegen. Kurzfristig scheinen die Einführung von Geldstrafen und der Verzicht auf kürzere Freiheitsstrafen keine signifikanten Auswirkungen auf Rückfälle zu haben.
Am 1. Januar 2007 ist die Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches in Kraft getreten. Sie brachte die beiden folgenden Hauptänderungen:
- Einführung von Geldstrafen, d.h. monetären, nach Tagessätzen bemessenen Strafen
- Einführung der gemeinnützigen Arbeit (GA) als Strafe; bis 2006 war die GA nur eine Vollzugsform einer unbedingten Freiheitsstrafe und keine Strafe als solches.
Ein zentrales Anliegen der Revision war die Zurückdrängung der kurzen Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten durch neue Strafen. Das Gericht kann eine vollziehbare Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten nur aussprechen, wenn zu erwarten ist, dass eine Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit nicht vollzogen werden kann. Es hat diese Strafform zudem näher zu begründen (Art. 41 Strafgesetzbuch (StGB).
Nach einer umfassenden Prüfung der verschiedenen methodischen Aspekte ist das BFS jedoch schon jetzt in der Lage, statistische Angaben zur kurzfristigen Wirksamkeit des neuen Sanktionenrechts zu machen. Die durchgeführten Analysen erlauben Schätzungen der Rückfallrate mit einem einjährigen Beobachtungszeitraum nach dem Referenzurteil. Untersuchungen zu den mittel- oder langfristigen Auswirkungen des revidierten Strafgesetzbuchs sind hingegen erst mit einem grösseren zeitlichen Abstand möglich.
Jeder fünfte Täter im ersten Jahr nach seiner Verurteilung rückfällig
Bei der Kohorte der 2008 verurteilten Personen hat rund eine von fünf Personen (18,3 ±1,7%) im ersten Jahr nach der Verurteilung eine Rückfallstraftat begangen. Im Vergleich mit den Kohorten der in den früheren Jahren verurteilten Personen weicht die Rückfallrate innerhalb eines Jahres statistisch nicht signifikant ab. Dies könnte darauf hinweisen, dass der Verzicht auf kurze Freiheitsstrafen und die Einführung von Geldstrafen keine negativen Auswirkungen auf die Spezialprävention hatten. Zur Bestätigung und Verfeinerung dieser ersten Ergebnisse sind jedoch noch mehrere Vergleichsjahre nötig.
Keine Zunahme der Rückfälle nach Geschlecht und Alter
Die Männer (2008: 19,6 ±1,8%) und die unter 25-Jährigen (2008: 23,8 ±2,5%) weisen deutlich höhere Rückfallraten auf als die Frauen (2008: 11,2 ±0,9%) und die 40-jährigen oder älteren Personen (2008: 12,8 ±1,0%). Vergleicht man jedoch die Rückfallraten der Kohorte 2008 mit jenen der Kohorte der 2005 verurteilten Personen ist kein statistisch signifikanter Unterschied festzustellen.
Mehr Rückfälle unter den Intensivtätern
Die Entwicklung der Rückfallrate zeigt keine statistisch signifikanten Unterschiede für Personen, die drei Jahre vor der Verurteilung nicht vorbestraft waren. Dieselbe Situation präsentiert sich bei den Personen mit lediglich einer Vorstrafe. Hingegen kann bei den Intensivtätern ein statistisch signifikanter Anstieg beobachtet werden: Die Rückfallrate von Personen mit mindestens zwei Vorstrafen erhöhte sich von 47,9% (±1,0%) im Jahr 2005 auf 53,7% (±4,4%) im Jahr 2008.
Unterschiedliche Entwicklung des Rückfalls je nach Straftat
Statistisch signifikante Unterschiede wurden lediglich für zwei Arten von Straftaten festgestellt. Deren Entwicklung verläuft jedoch in entgegengesetzter Richtung. Die einzige signifikante Zunahme lässt sich bei den wegen Diebstahl verurteilten Personen beobachten, wo die Rückfallrate von 34,6% (±0,5%) im Jahr 2005 auf 39,4% (±2,1%) im Jahr 2008 gestiegen ist.
Es zeigt sich jedoch, dass die steigende Tendenz bereits im Jahr 2006 begonnen hatte, d.h. vor dem Inkrafttreten des neuen Sanktionenrechts. Personen, die wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln verurteilt wurden, weisen eine Abnahme der Rückfälle auf.
Die Rate ging von 8,9% (±0,2%) im Jahr 2005 auf 8,0% (±0,5%) im Jahr 2008 zurück. Zwar ist diese Differenz nicht gross, statistisch jedoch signifikant. Bei den anderen Straftatarten wurde keine statistisch signifikante Entwicklung der Rückfälle beobachtet, weder beim Fahren in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Blutalkoholkonzentration, noch bei Gewaltstraftaten oder beim Betäubungsmittelhandel.
Anteil der unbedingten Freiheitsstrafen unverändert bei den schwersten Straftaten
Die Revision des Sanktionenrechts hat die Struktur der strafrechtlichen Sanktionen stark verändert. Die kurzen bedingten Freiheitsstrafen wurden mehrheitlich durch Geldstrafen ersetzt. Die Veränderungen haben sich hauptsächlich auf die Sanktionen gegen mittelschwere Widerhandlungen wie Verletzungen der Verkehrsregeln ausgewirkt.
Das neue Sanktionenrecht hatte hingegen keinen Einfluss auf den Anteil an unbedingten Freiheitsstrafen bei schwersten Straftaten wie Tötungsdelikten, Raub oder strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität. Ein deutlicher Rückgang des Anteils an unbedingten Freiheitsstrafen wurde bei den Verurteilungen aufgrund von Verkehrsdelikten beobachtet. 2006 wurde bei 9% der wegen eines Vergehens gegen das Strassenverkehrsgesetz verurteilten Personen eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt.
Seit Inkrafttreten des neuen Sanktionenrechts beträgt dieser Anteil nur noch 1%. Diesem Prozentsatz müssen noch 2% gemeinnützige Arbeit hinzugerechnet werden, denn diese letzte Strafe war vor 2007 in den unbedingten Freiheitsstrafen inbegriffen. Bis zu diesem Zeitpunkt stellte sie nur eine Vollzugsform einer unbedingten Freiheitsstrafe dar.
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