Gemütliche, pfeffrige 1. Maifeier in Stein
Von: Hans Berger
Es war eine gut zehnjährige SP-Tradition an der anlässlich der 1. Maifeier die Bezirksparteien Rheinfelden und Laufenburg, angeführt von Gewerkschaftsfahnen durchs geschäftige, das Frühlingserwachen feiernde Zähringerstädchen zogen, um auf dem Inseli mit den deutschen Genossinnen und Genossen nach einigen kurzen Statements auf den Tag der Arbeit anzustossen. Die eigentliche Feier fand dann auf Schweizerseite im Clublokal Colonia Libera statt. Gestern jedoch wurde die Tradition aufgrund des grossen Stellenabbaus bei Novartis gebrochen und nach Stein verlegt, wo von den im letzten September kommunizierten 2‘150 Kündigungen rund 800 Mitarbeiter*Innen ihre Stelle verlieren.
Gemütliche, pfeffrige 1. Maifeier in Stein
Es gibt wohl kaum jemanden unter den rund 5,1 Millionen Schweizer Erwerbstätigen (rund 60 % der Bevölkerung), welcher vehement gegen den diesjährigen 1.-Mai-Slogan der Gewerkschaften „Mehr zum Leben“ votiert. Trotzdem war es eine klitzekleine Minderheit, die sich berufen fühlte, an der gestrigen 1. Mai-Feier vor dem Saalbau in Stein, bei frühlingshaften Temperaturen, dafür einzustehen. Diesbezüglich war Stein keinesfalls eine Ausnahme, allfällige Früchte der Manifestationen werden dann aber ohne zu murren von allen entgegengenommen.
Tag der Nichtarbeit
Insofern richteten die drei Referentinnen Daniela Neves, Unia Aargau-Nordwestschweiz; Nationalrätin Mattea Meyer, SP Winterthur, Carole Binder-Meury, Gemeinderätin Magden und Nationalratskandidatin und der Referent Rolf Schmid, Präsident der SP Bezirkspartei Laufenburg und Nationalratskandidat ihre harschen Kritiken, Analysen und Aufrufe an das falsche Publikum, denn die rund achtzig Anwesenden mussten weder vom Gedankengut der Unia, noch der SP überzeugt werden.
Offensichtlich mangelt es eben nicht nur an der Solidarität zwischen Managern und Belegschaft, wie in Stein kritisiert wurde, sondern auch an der Solidarität unter der Arbeiterschaft. Offensichtlich haben Feiertage, seien sie nun religiös, gewerkschaftlich, politisch oder staatlich geprägt, ihre einstige Bedeutung verloren und werden nur noch als freie Tage wahrgenommen.
In Dur und Moll
Die Moderation des Anlasses teilten sich Grossrätin Elisabeth Burgener und (noch) Grossrat Peter Koller und für die mal tiefsinnige, mal humorvolle musikalische Umrahmung sorgten die Weltenbummlerin Irene Mazza und der Syrer Nihat Khalil. Viel Zuspruch bekamen auch die sowohl augen- wie gaumengefälligen Spaghetti. Einen Einblick in die Befindlichkeit der Belegschaft von Novartis Stein vermittelte Andreas Rios, Vizepräsident der Personalvertretung Novartis Stein.
Steine des Anstosses
Wie nicht anders zu erwarten, liessen die Referenten kein gutes Haar am rechtsbürgerlichen Lager. Während die Gewerkschafterin Daniela Neves vorwiegend den Stellenabbau von Novartis, Steuersenkungen und zu tiefe Löhne im Visier hatte und eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik forderte, weil „wir auf lange Sicht nicht gewinnen, wenn wir ausschliesslich auf tiefe Steuern, tiefe Löhne und flexiblere Arbeitszeiten setzen“, war bei Nationalrätin Mattea Meyer die staatliche Ausrichtung bezüglich Armut, Arbeitslosigkeit, Gleichberechtigung und Klima der Stein des Anstosses. Armut und Arbeitslosigkeit sei nicht Privatsache.
Es sei die Folge von Entscheiden, welche die rechte Mehrheit treffe, konstatierte Meyer. Im März habe der Nationalrat beschlossen, die IV-Kinderrente zu kürzen. Betroffen seien tausende Familien in schwierigen Situationen. In der gleichen Woche habe die gleiche Mehrheit Steuergeschenke von 800 Millionen Franken an reiche Familien verteilt. Viel Applaus erntete die Nationalrätin für die Bemerkung: „Gesellschaftliche Verteilungskonflikte lassen sich nicht durch Selbstoptimierung lösen, sondern nur, wenn wir gemeinsam die politischen Weichen richtig stellen.“ Bezogen auf den Frauenstreik vom 14. Juni meinte die Referentin abschliessend: „Schluss mit der falschen privaten Verantwortung! Es ist Zeit für gemeinsames Handeln, es ist unsere Zeit!“
Bildungsferne Bildungspolitik
Die beiden Fricktaler SP-Nationalratskandidaten, Carole Binder-Meury und Rolf Schmid thematisierten die Bildungspolitik und orteten auch da einige Ungerechtigkeiten, die vorwiegend zu Lasten der Armen und bildungsfernen Menschen gehen. Die Bildung werde von den Firmen nicht gefördert und wenn, dann nur bezogen auf die auszuübende Arbeit. Hinsichtlich der Digitalisierung würden die Menschen jedoch allein gelassen.
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