Aufenthaltsrecht auf Basis des Rechts auf Privatleben
Von: mm/f24.ch
Das Bundesgericht konkretisiert seine Praxis zur Beurteilung eines Anwesenheitsrechts von ausländischen Personen allein gestützt auf das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäss Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es hat den Anspruch eines argentinischen Staatsangehörigen auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung bejaht, der seit rund zehn Jahren in der Schweiz lebt und perfekt integriert ist.
Ausgangslage
Der aus Argentinien stammende Mann hatte 2004 eine deutsche Staatsangehörige geheiratet. 2007 reiste er in die Schweiz ein, um hier mit seiner anwesenheitsberechtigten Ehefrau zusammenzuleben. 2011 wurde die Ehe geschieden.
Der Mann lebte in der Folge im Konkubinat mit einer Schweizerin. Aufgrund der Ehe und der anschliessenden Lebensgemeinschaft war er in der Schweiz anwesenheitsberechtigt.
Nach Auflösung des Konkubinats wurde sein Gesuch um weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung 2016 abgewiesen und der Betroffene aus der Schweiz weggewiesen. Die dagegen im Kanton Zürich erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos.
Urteil
Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Mannes in der öffentlichen Beratung vom 8. Mai 2018 gutgeheissen und nun die schriftliche Begründung des Entscheides veröffentlicht.
Gestützt auf das Ausländergesetz verfügt der Betroffene über keinen Anspruch auf weiteren Aufenthalt in der Schweiz. Er beruft sich dafür zusätzlich auf Artikel 8 Ziffer 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der das Recht auf Achtung des Privatlebens schützt.
Das Bundesgericht hat in der Vergangenheit ein Aufenthaltsrecht von ausländischen Personen allein auf Basis dieses Rechts vereinzelt bejaht, weil besondere Umstände vorgelegen haben.
Dabei genügen gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine lange Anwesenheit und die damit verbundene normale Integration nicht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte prüft demgegenüber die Aspekte der guten Integration im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs in das Privatleben. Ob eine Wegweisungsmassnahme im konkreten Fall mit dem Recht auf Schutz des Privatlebens vereinbar ist, beurteilt sich anhand einer Gesamtabwägung.
Im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsgleichheit schien es dem Bundesgericht sinnvoll, diese Gesamtbeurteilung zu strukturieren und dafür gewisse Leitlinien aufzustellen. Demnach kann nach einer rechtmässigen Aufenthaltsdauer von rund zehn Jahren regelmässig davon ausgegangen werden, dass die sozialen Beziehungen in diesem Land so eng geworden sind, dass es für eine Beendigung des Aufenthalts besonderer Gründe bedarf; im Einzelfall könne es sich freilich auch anders verhalten und die Integration zu wünschen übrig lassen. Es könne aber auch sein, dass schon zu einem früheren Zeitpunkt der Anspruch auf Achtung des Privatlebens betroffen sein.
Liege nach einer längeren bewilligten Aufenthaltsdauer, die zwar zehn Jahre noch nicht erreicht habe, eine besonders ausgeprägte Integration vor (nebst engen sozialen Beziehungen namentlich auch in sprachlicher, beruflicher und wirtschaftlicher Hinsicht), könne es den Anspruch auf Achtung des Privatlebens verletzen, wenn eine Bewilligung nicht erneuert werde. Nicht zuletzt liege es in solchen Konstellationen in der Regel im Interesse der Gesamtwirtschaft, dass der Aufenthalt der betroffenen Person weiterhin möglich sei.
Das grundsätzlich legitime Interesse der Schweiz, die Einwanderung zu steuern, kann unter diesen Umständen für sich alleine nicht genügen, um eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu verweigern, so das Bundesgerincht.
Im konkreten Fall lebte der Betroffene fast zehn Jahre in der Schweiz. Er ist vollkommen unbescholten, seine Integration ist sowohl in sozialer als auch in beruflich-wirtschaftlicher Hinsicht vorzüglich. Bei dieser Sachlage fehlt es an einem triftigen Grund, ihm das Aufenthaltsrecht zu entziehen, schlussfolgert das Bundesgericht.
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