Mordprozess Lindenthal - Eindrücke vom ersten Gerichtstag
Von: Hans Berger
Das Medien- und Publikumsinteresse am Mordprozess gegen Klaus Lindenthal ist gross. Wie bereits berichtet findet daher der Prozess nicht wie üblich im Gerichtssaal des Bezirksgerichts Rheinfelden, sondern im Tagungsraum des Feuerwehrmagazins Rheinfelden statt. Die Hauptverhandlung, in der rund vierzig Zeugen befragt werden, wird voraussichtlich bis nächsten Dienstag dauern.
Das Feuerwehrmagazin, provisorischer Tagungsort des Bezirksgerichts Rheinfelden. (Bildmontage HB)
Am gestrigen, ersten Verhandlungstag im Mordprozess Lindenthal fand eine kurze Befragung des nicht geständigen Angeklagten zu seinen persönlichen Verhältnissen, anschliessend der Familienangehörigen des Angeklagten und des Opfers sowie am Abend ein Augenschein in der elterlichen Wohnung des Mordverdächtigen in Schönau im Wiesental statt. Vom zweiten Verhandlungstag bis und mit Donnerstag ist die Befragung von Zeugen aus dem weiteren Umfeld des Angeklagten und des Opfers anberaumt. Ebenso findet am zweiten Verhandlungstag ein weiterer Augenschein statt.
Der Verhandlungsort Der hintere Teil des Feuerwehrmagazins war weiträumig abgesperrt und von der Polizei überwacht. Jeder Besucher wurde, nachdem er auf einem abgesperrten Weg beim Eingang ankam, vor dem Betreten mit einem Detektor nach Metallgegenständen untersucht. Bereits vorgängig war bekannt, dass Mobiltelefone, Notebooks und Kameras untersagt waren, wer dennoch etwas dergleiches dabei hatte, musste es deponieren.
Der Tagungsraum hat nicht nur einrichtungsmässig, auch atmosphärisch Ähnlichkeiten mit demjenigen eines Gerichtssaales. Das Richtergremium, unter dem Vorsitz der Gerichtspräsidentin Regula Lützelschwab tagt in bequemen Ledersesseln auf einem Podest, während sich Anwaltschaft wie auch Verteidigung bodeneben mit harten Holzstühlen begnügen müssen. Zwischen Richterpult und den Anwälten steht ein Tisch für die rund vierzig geladenen Zeugen, welche somit nur mit dem Gericht in Blickkontakt sind. Eine nicht immer auf Anhieb funktionierende Mikrofonanlage sorgt mehrheitlich für ein gutes Verständnis, sie dient aber auch gleichzeitig der Aufzeichnung der Verhandlung, wodurch aber die schriftliche Festhaltung nicht ersetzt wird.
Die Hauptverhandlung war auf acht Uhr angesagt. Dass es sich für beide Parteien um keinen alltäglichen Fall handelte, war spürbar. Die Anwälte wirkten vor dem Beginn der Verhandlung angespannt und blätterten etwas nervös in ihren Akten. Der von Klaus Lindenthal frei gewählte Anwalt Dr. Urs Oswald entspricht dem Bild schlechthin, das man als Laie von einem Verteidiger hat. Funkelnde Augen, die „Kampfeslust“, „Neugier“, Intelligenz und „Sachverstand“ andeuten. Eindrücke, die noch durch die mitgeführte Ausrüstung vom Bostitche, Klebeband über den Locher bis hin zum Laptop bestätigt werden. Auch die Anklägerin, Staatsanwältin Christina Zumsteg, kann mit ihrem, zumindest im Gerichtssaal aufgesetzten, gestrengen, unversöhnlich wirkenden Blick ihren Beruf nicht leugnen.
Die Verhandlung Als die Zeiger der Uhr auf acht Uhr zugingen, wurde es im umfunktionierten Gerichtssaal mucksmäuschenstill, nur noch einzelnes Gemurmel war hörbar, vergleichbar wie vor einem Gottesdienst. Mit sechs Minuten Verspätung nahmen dann Gerichtspräsidentin Regula Lützelschwab, Vizepräsident Christian Salz sowie die Richter Markus Rohrer, Peter Rickenbach und Meinrad Disler ihre Plätze ein. In den Funktionen als Beistand ist Markus Leimbacher, Villigen und als amtliche Pflichtverteidigerin Marianne Wehrli, Frick in die Verhandlung eingebunden.
Eskortiert von zwei Polizeibeamten betrat als Letzter der Angeklagte Klaus Gerhard Lindenthal den Gerichtssaal. Der grosse, schlanke Mann in beigen Hosen und gestreiftem Veston wirkte angespannt und der Auftritt vor dem grossen Plenum schien ihm verständlicherweise peinlich zu sein.
Nach der Eröffnung der Sitzung durch die Gerichtspräsidentin reichte Leimbacher eine in schriftlicher Form vorliegende Befragung der beiden Lindenthal-Kinder bezüglich ihrer Beziehung zu ihrem Vater ein. Verteidiger Oswald bemängelte den zeitlichen Ablauf bezüglich der Plädoyers sowie, dass viele seiner Zeugen abgelehnt, während diejenigen der Anklage alle akzeptiert wurden.
Nachdem der Angeklagte seinen Lebenslauf schilderte und ergänzende Fragen beantwortete, mussten nach einer zwanzig minütigen Pause Vater und Mutter des Tatverdächtigen einzeln in den Zeugenstand treten und wurden von der Vorsitzenden mit viel Einfühlvermögen befragt. Beide beteuerten die Unschuld ihres Sohnes und schilderten ihn als fürsorglich, intelligent, ehrlich und gefestigt. Für beide sei am 30. Mai, 2006, als ihr Sohn verhaftet wurde ,eine Welt zusammengebrochen. Seit jener Zeit sorgen die Beiden für ihre Enkelkinder Niklas (1996) und Timo (1998). Die Beziehung zwischen den Eheleuten schilderten sie als gut. Am Nachmittag sorgte dann der Schwiegervater für Aufsehen mit der Feststellung, dass er davon überzeugt sei, sein Schwiegersohn habe den Mord begangen.
Wertung der Anklage Dem Gericht stehen in ihrer Findung nach einem gerechten Urteil im Mordprozess Lindenthal bestimmt schwere Tage bevor.
Die Anklage beruht lediglich auf Indizien, die zudem, zumindest aus der Sicht eines Laien, eher mager sind. In der heutigen Berufswelt als positiv eingestufte Eigenschaften wie: vom Durchschnitt der Menschen abhebend, ausserordentliche Intelligenz, komplexe Beziehungen in neuartigen Situationen wahrnehmen und erfassen zu können, Durchsetzungswille, Kontaktfähigkeit, gut strukturiert und kontrolliert, weitblickend, Planungstalent und einige mehr, sind gemäss der Anklageschrift Eigenschaften des Angeklagten, welche dazu beitragen ihn tatverdächtig zu machen. Seine Neigung zum Schürzenjäger und die nicht sonderlich intakte Ehe sind weitere Motive, welche die Anklage miteinbringt.
Der Tathergang rund um die goldene Hochzeitsfeier der Eltern Lindenthals, angefangen von der Vorbereitung des Mordverdächtigen auf das Fest bis hin zur ihm unterstellten Tat beruht lediglich auf Mutmassungen und auf Deutung von Aussagen. Der in der Anklageschrift zeitlich präzis beschriebene Tathergang enthält keinerlei Beweise und kann, nochmals, aus Sicht eines Laien, nicht einmal als Indiz gewertet werden, sondern ist lediglich eine Konstruktion des möglichen Hergangs.
Fazit Die Staatsanwaltschaft ist gefordert, ihre „Indizien“ und die Schuld des Angeklagten während den Prozesstagen mit fundierten Zeugenaussagen zu untermauern.
Das Bezirksgericht dagegen steht vor der schwierigen Aufgabe, die Aussagen und Beantwortung der Fragen, der so oder so beeinflussten Zeugen, welche oftmals nur noch auf Erinnerungen beruhen, richtig einzuordnen. Kurzum, keine leichte Voraussetzung für die Rechtssprechung im Mordprozess Lindenthal, um die das Bezirksgericht mit Bestimmtheit nicht zu beneiden ist.
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