Für die Energiewende muss das Ausbautempo vervielfacht werden
Von: mm/f24.ch
Gestern präsentierten Axpo CEO Christoph Brand und Chefökonom Martin Koller ein Szenario, wie und zu welchen Kosten die Schweiz die Energiewende bei gleichzeitig hoher Stromversorgungssicherheit erreichen kann. Sie zeigten, dass der notwendige Ausbau erneuerbarer Energien möglich ist – wenn Bewilligungsverfahren und Finanzierungsmöglichkeiten dies zulassen.
Die Schweiz will aus der Kernenergie aussteigen und den CO2-Ausstoss auf Netto-Null reduzieren. Dafür sollen die einheimischen erneuerbaren Energien gemäss Energiestrategie 2050 deutlich ausgebaut werden. Doch die Schweiz kommt kaum voran – die Ausbaugeschwindigkeit müsste sich vervielfachen. Stromversorgungsunterbrüche könnten schlimmstenfalls bereits ab 2025 Realität werden. Erhöht sich das Ausbautempo nicht, müsste bereits ab 2035 fast ein Drittel des Stroms importiert werden.
Wenn die Versorgungssicherheit gewährleistet bleiben soll, müsse die Schweiz jetzt entscheiden, mit welchem Strommix die Jahrhundertaufgabe gelingen kann, wie die gewünschten Stromquellen im notwendigen Ausmass zugebaut werden können und welche Kosten dabei entstehen dürfen.
Gestützt auf ihre Expertise aus dem In- und Ausland hat Axpo gestern einen Beitrag zu dieser Diskussion präsentiert. CEO Christoph Brand und Chefökonom Martin Koller stellten interessierten Kreisen aus Medien, Politik, Verwaltung, Forschung und Branche ein Szenario vor, mit dem die Energiewende bei gewährleisteter Stromversorgungssicherheit erreicht werden kann. Axpo Szenario für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien Annahmen des Szenarios: Die Nachfrage steigt bis 2050 um über 35 Prozent, da Elektroautos, Wärmepumpen und die Wasserstoffproduktion sowie die wachsende Bevölkerung mehr Strom verbrauchen, als durch Effizienzmassnahmen eingespart werden kann. Die Schweiz ist im Winter in jedem Fall auf Importe angewiesen, um den Strombedarf in einzelnen Momenten effizient decken zu können. Das Axpo-Szenario definiert eine Limite von 10 TWh Importen. Das Ziel einer vollständig autarken Schweiz wäre mit viel zu hohen Kosten und gesellschaftlichen Widerständen verbunden.
In der Produktion sieht das Axpo-Szenario die Nutzung diverser CO2-neutraler Technologien vor und setzt neben einem starken Ausbau von PV auf Dächern auch flankierend auf alpine PV, Wind, Geothermie und Biomasse. Im Vergleich zu einem Fokus auf eine einzelne Technologie nutzt dieser diversifizierte Ansatz alle Potenziale und führt zu einer stärkeren Stromeinspeisung im Winter. Es gibt keine einzelne Technologie oder Massnahme, die das Problem integral lösen könnte. Nur mit einem Zusammenspiel gelingt eine sichere Energiewende rechtzeitig. Für die Wasserkraft trifft das Szenario die eher optimistische Annahme, dass sich Restwassersanierungen und Ausbau in etwa ausgleichen und die Produktion auf dem heutigen Niveau verharren wird.
Ab 2040 werden in den Wintermonaten zusätzlich Gaskraftwerke basierend auf CO2-neutralem Gas eingesetzt, um die drohende Knappheiten zu decken, wenn die Kernkraftwerke nach 60 Jahren Laufzeit zu ersetzen sind.
Mit diesem Mix ist die Schweizer Jahresbilanz ungefähr ausgeglichen, es wird im Inland in etwa so viel Strom erzeugt wie verbraucht.
Während einer «Dunkelflaute», einer Extremsituation mit sehr wenig Photovoltaik und sehr wenig Wind, kann sich die Schweiz dank einer Speicherreserve – einer Rückhaltung von Wasser zur Stromproduktion – während mindestens zwei Wochen versorgen.
Im Axpo-Szenario müsste sich der Netzzuschlagsfonds mit maximal rund elf Milliarden Franken im Jahr 2046 verschulden können, was zurzeit nicht möglich ist. Anschliessend beginnt der Verschuldungsgrad wieder abzusinken. Diese Kosten könnten durch einen stärkeren Fokus auf eine Technologie (PV) und durch mehr Stromimporte zwar reduzieren werden, doch dies würde die Importabhängigkeit verschärfen und im Stressfall zu Versorgungsengpässen führen. In jedem Fall aber gilt: Die Finanzierungskosten sind im Vergleich zu einer Strommangellage vernachlässigbar.
Das Szenario geht von einer substanziellen Beschleunigung der Verfahren gegenüber dem Status Quo aus. Mit weiteren Verbesserungen bei den langwierigen Prozessen könnten die erneuerbaren Energien Wasser und Wind stärker ausgebaut werden.
Neben der Präsentation des Szenarios und des zugrundeliegenden Berechnungs-Tools «Power Switcher» wies Axpo CEO Christoph Brand auf verschiedene Hürden hin. «Technisch wäre der notwendige Ausbau erneuerbarer Energien machbar. Doch lange Bewilligungsprozesse und fehlende Wirtschaftlichkeit verhindern ein rasches Vorankommen. Die Schweiz muss diese Probleme nun lösen, damit der Ausbau endlich richtig vorwärtsschreitet.»
Den eigenen Strommix erstellen – mit dem «Power Switcher» Berechnet und dargestellt wurde das Axpo-Szenario mit dem neuem «Power Switcher». Mit dem öffentlich zugänglichen online Tool konfigurieren Interessierte den Ausbau verschiedener Stromquellen. Sie erstellen so individuell den Schweizer Strommix der Zukunft. Sie erkennen, ob ihr Strommix die künftige Nachfrage decken kann oder wieviel Importe notwendig wären, um ein Blackout abzuwenden.
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