Corona verschlechtert auch die Erreichbarkeit innerhalb Europa
Von: mm/f24.ch
Reisebeschränkungen, die 2020 als Massnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus ergriffen wurden, haben das Reisen erheblich komplizierter gemacht. Als Folge davon wurde das Verkehrsangebot, insbesondere von Flugverbindungen, stark reduziert. Selbst wenn eine Reise möglich war, hat sich die reine Reisezeit - also ohne Reiseverbote oder Belastungen durch Test- und Quarantänepflichten zu berücksichtigen - im 2020 Jahr für Reisen zwischen den grossen Städten Europas im Durchschnitt um 44 Minuten gegenüber 2018 verlängert. Hierdurch hat sich die Erreichbarkeit aller europäischen Regionen massiv verschlechtert. Historisch betrachtet hat die Corona-Pandemie die Erreichbarkeit um mindestens 20 Jahre zurückgeworfen. Dies geht aus den aktuellen Zahlen des BAK-Erreichbarkeitsindex hervor, der regelmässig von BAK Economics im Auftrag der Kantone Aargau, Basel-Stadt und Zürich be-rechnet wird.
Der BAK-Erreichbarkeitsindex für Reisen innerhalb Europas hat sich 2020 gegenüber 2018 im Durchschnitt um zwanzig Prozent verschlechtert. Dies entspricht einer im Mittel 44 Minuten längeren Reisezeit auf allen Verbindungen zwischen den 412 untersuchten Städten.
Der Einbruch der kontinentalen Erreichbarkeit ist enorm und betrifft alle Regionen Europas. Eine Mehrzahl der Standorte verfügte 2020 über eine schlechtere Erreichbarkeit als im Jahr 2000, als die systematische Messung der Erreichbarkeit begann. Die grössten Verluste sind in peripheren Regionen zu beobachten, wozu vor allem Skandinavien und grosse Teile Osteuropas gehören.
Weniger extreme Verluste wurden in der Nähe der vier grossen Hub-Flughäfen Amsterdam, Frankfurt, London und Paris gemessen, welche als Netzknotenpunkte auch unter Pandemiebedingungen noch vergleichsweise gut angebunden waren. Insgesamt sind die Unterschiede zwischen den Regionen aber klein und lassen sich vor allem auf die geographische Lage zurückführen. Von der unterschiedlichen Härte der getroffenen Corona-Massnahmen sind keine direkten Rückwirkungen auf das Ausmass der Erreichbarkeitsverluste feststellbar.
In den 26 Schweizer Kantonshauptorten lag die verlorene Erreichbarkeit im Durchschnitt aller Standorte Europas. Basel ist die Medianstadt bei den Verlusten der kontinentalen Erreichbarkeit. Das heisst, dass die Hälfte aller europäischen Städte mehr als Basel verloren hat und die andere Hälfte weniger.
Den kleinsten Rückgang inner-halb der Schweiz erzielte Lugano. Die Eröffnung des Ceneri-Basistunnels konnte hier die coronabedingten Verluste etwas abfedern. Innerhalb der Schweiz war die Nähe zu einem Landesflughafen beziehungsweise die Abhängigkeit davon ein Nachteil. Hauptorte mit einem hohen Fluganteil innerhalb des Erreichbarkeitsindex verloren mehr als Standorte mit einer geringen Abhängigkeit vom Flugverkehr.
Deshalb gehören Zürich und Genf zu den grössten Verlierern in der Schweiz. Trotzdem ist die Erreichbarkeit Zürichs weiterhin die beste aller Kantone. Dahinter folgen Basel und Aarau, welche auf Kosten Genfs Plätze gutmachen konnten. Insgesamt sind die Unterschiede in den Verlusten an Erreichbarkeit nicht sehr ausgeprägt und die Rangverschiebungen der Kantonshauptorte gegenüber 2018 waren klein. Einzig Lugano konnte sich dank des Ceneri-Basistunnels um vier Plätze verbessern.
Neben der kontinentalen Erreichbarkeit innerhalb Europas misst BAK Economics auch die globale Erreichbarkeit zu Zielen ausserhalb Europas. Hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei der innereuropäischen Erreichbarkeit. Europaweit kam es zu einer drastischen Verschlechterung der globalen Erreichbarkeit. Reisen nach Übersee dauerten im Schnitt fast zwei Stunden länger als vor der Corona-Pandemie. Auch die Schweizer Standorte haben grosse Verluste erfahren. Die Verluste der meisten Kantonshauptorte lagen knapp unter dem Schnitt aller europäischen Standorte.
Es wird von erheblicher Bedeutung für die zukünftige Entwicklung und die Standortattraktivität der Regionen sein, ob, wie schnell und in welcher Form diese Erreichbarkeitsverluste nach dem Ende der pandemiebedingten Restriktionen wieder aufgeholt werden.
Erreichbarkeit ist eine Schlüsseleigenschaft für eine moderne, vernetzte Welt und hat erheblichen Einfluss auf die Attraktivität eines Standorts. Es darf wohl in jedem Fall mit einem erheblichen Aufholeffekt gerechnet werden, aber ob mehr als zwanzig Jahre Verbesserungen in der Erreichbarkeit sofort wieder vollständig nachgeholt werden können, ist nicht sicher.
Aus Sicht der Standortattraktivität ist zudem wichtig, ob eine bessere Erreichbarkeit in der Breite erhalten bleibt oder die Konzentration auf wenige Zentren zunimmt. Gerade für eine dezentral organisierte Schweiz sind attraktive Standortbedingungen in allen Landesteilen essenziell.
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