„Wen die Götter lieben, der stirbt jung“
Von: Pfr. Andreas Fischer
Dieses Jahr fallen Aschermittwoch und Valentinstag zusammen. Ersterer erinnert am Ende der Fasnacht daran, dass wir Staub sind. Er steht für Vergänglichkeit und Tod. Der Valentinstag hingegen ist bekanntlich Feiertag der Liebenden. Beides, Tod und Liebe, kommt zusammen im alten Sprichwort, dass jene, welche die Götter lieben, jung sterben.
Zu ihnen gehören nicht nur die Rock- und Bluesmusiker, die dem sagenumwobenen „Klub 27“ angehören, wie z.B. Jimy Hendrix, Janis Joplin und Amy Winehouse, die allesamt im Alter von 27 Jahren das Zeitliche segneten. Es gehören auch viele der grossen klassischen Musiker dazu. Drei von ihnen kommen im Rahmen einer Soirée (siehe Veranstaltungshinweis) zur Sprache und zum Klingen: Franz Schubert (1797–1828), Norbert Burgmüller (1810–1836) und George Gerswhin (1898–1937).
Die beiden Interpreten – Assel Abilseitova, Konzertpianistin und Kirchenmusikerin in der reformierten Kirchgemeinde Region Rheinfelden, sowie der Klarinettist Etele Dosa, Solist im renommierten Basler Kammerorchester – haben am Weihnachts-Gottesdienst letzten Jahres im reformierten Kirchgemeindehaus Kaiseraugst erstmals gemeinsam musiziert.
Die Vorbereitung hatte ihnen ganz offensichtlich Spass gemacht. Kurz vor dem Gottesdienst schlugen sie vor, zusätzlich zu den schon abgesprochenen Stücken noch „den Burgmüller“ zu spielen, das Duo für Klarinette und Klavier in Es-Dur, op. 15 des wenig bekannten romantischen Komponisten Norbert Burgmüller. Wie lange „der Burgmüller“ denn daure, fragte ich, der Schreibende – Pfarrer und für besagten Gottesdienst zuständig – nach. „Zwölf bis vierzehn Minuten, je nachdem, wie schnell wir spielen“, meinten die beiden schelmisch. Sie wussten, dass ich das nicht zulassen konnte. „Das hier ist ein Gottesdienst, kein Konzert“, antwortete ich apodiktisch.
Der Weihnachtsbraten kann warten
Der Gottesdienst nahm seinen Lauf und kam, wie üblich, nach einer guten Stunde an sein Ende. Doch dann fingen die Besucherinnen und Besucher an zu applaudieren und hörten nicht mehr auf. Jemand rief: „Zugabe!“ Wieder schauten mich die Musiker schelmisch an.
Also bestieg ich noch einmal die Kanzel und sagte, dass die beiden noch ein Werk in petto hätten, das ich ihnen zu spielen verboten hatte. „Wir können auch nur die ersten vier Minuten spielen“, ergänzte Etele Dosa gnädig. Doch nach vier Minuten machte das Publikum gestenreich deutlich, dass es das ganze Stück hören wollte. Der Weihnachtsbraten konnte, wie es schien, warten.
Beim anschliessenden Apero entstand die Idee, am 14. Februar (morgen Mittwoch) eine Soirée zu gestalten mit Musik von jung verstorbenen Komponisten, also solchen, für die das antike Sprichwort gilt: „Wen die Götter lieben, der stirbt jung.“
Gesetzt war, natürlich, „der Burgmüller“, weitere Komponisten und Kompositionen waren rasch gefunden. „Es gibt“, sagt Etele Dosa, „nicht sehr viel Literatur für Klarinette und Klavier.“ Deshalb, fügte er hinzu, finde er es legitim, Stücke zu übernehmen, die ursprünglich für andere Instrumente geschrieben worden sind, besonders, wenn es diese Instrumente gar nicht mehr gibt.
Das gilt, zum Beispiel, für die Arpeggione-Sonate von Franz Schubert. Der Arpeggione, eine Mischung aus Violoncello und Gitarre, wird heute kaum mehr gebaut noch gespielt. Nichtsdestotrotz wird die Sonate häufig aufgeführt, meist mit Violoncello, Bratsche oder Gitarre. Für einen Klarinettisten sei das Werk eine Herausforderung, „da hat niemand daran gedacht, dass man auch einmal atmen muss“, sagt Etele Dosa lachend.
Zeitlebens kein Glück
Doch Dosa liebt Schubert. „Er ist eines der grössten Wunderkinder der Musikgeschichte, mit fünfzehn hat er seine erste Sinfonie geschrieben, das ist unfassbar jung. Ich stelle mir manchmal vor, wie er postum einen Konzertsaal betritt und hört, wie eine seiner Sinfonien gespielt wird. Er würde staunen und sich freuen. Schubert hat keine einzige seiner Sinfonien gehört, keine einzige wurde zu seinen Lebzeiten je aufgeführt. Überhaupt hatte Schubert zeitlebens kein Glück, weder im Beruf noch in der Liebe.“
Schubert war also mehr als ein Liederkomponist? „Ja, zweifellos“, antwortet Etele Dosa. Und dass die Arpeggio-Sonate ein Auftragswerk war, ist kein Problem? „Natürlich nicht, endlich hat Schubert mal Geld verdient, da hat er sich doch besonders Mühe gegeben.“
Unendliche Sehnsucht
Insbesondere der erste Satz der Arpeggio-Sonate hat es Etele Dosa angetan. „Diese Sehnsucht“, sagt er, „ist überwältigend.“ Sehnsucht wonach? „Nach was immer, nach Erfolg, nach Hinaustreten aus dem Schatten der damaligen Lichtgestalt Rossini, nach einer Frau.“
Auch der erste Satz des Burgmüller-Duos sei ähnlich. Auch aus ihm spreche eine unendliche Sehnsucht. „Man weiss nicht, wie erfolgreich Burgmüller gewesen wäre, wenn er nicht schon als 25-Jähriger gestorben wäre“.
Anders als Schubert war Burgmüller schon sehr früh von den Koryphäen seiner Zeit, Mendelssohn und Schumann, entdeckt und gefördert worden. Seine Karriere hätte beispiellos werden können, wäre er nicht als junger Mann in einem Thermalbad ertrunken. „Sein Duo sollte unbedingt Teil des Kanons der Klarinettenliteratur werden“, sagt Etele Dosa mit spürbarer Begeisterung. „Ich jedenfalls werde dieses Werk, das ich an Weihnachten zum ersten Mal gespielt habe, hoffentlich noch viele Male spielen!“
Gershwins Glissandi
Und wie sieht es mit Gershwin aus? „Gershwin ermöglicht uns Klarinettisten spannende Exkursionen in die Welt des Jazz“, sagt Dosa. Man wisse das viel zu wenig, dass anfangs jüdische Musik und Jazz sich gegenseitig inspiriert haben und teilweise geradezu ineinander verschmolzen seien. Und dass Jazzmusiker nicht nur Afroamerikaner, sondern oft auch Juden gewesen seien.
George Gershwin, der 1898 als Jacob Gershovitz zur Welt kam und 1937 an einem Hirntumor starb, sei als Typ das genaue Gegenteil von Schubert gewesen, sehr gut aussehend, sehr erfolgreich und sehr reich. Und seine Musik, fügt Dosa hinzu, sei sehr cool, sehr amerikanisch.
„Und die Glissandi machen umso mehr Spass, wenn sie von einer derart virtuosen Pianistin gespielt werden, wie Assel Abilseitova es ist.“ Man habe sich gegen Felix Mendelssohn (1809-1847), der ebenfalls jung starb und gut in die romantische Reihe gepasst hätte, und für Gershwin entschieden, damit die Soirée mit Swing ausklinge und man nachher heiter zum Apéro schreite.
Andreas Fischer ist reformierter Pfarrer in Kaiseraugst; im Rahmen der Soirée werden er und seine Frau Jutta Wurm-Fischer jeweils Informationen zum Leben, Lieben und Sterben der jung verstorbenen Komponisten einspielen.
Hinweis:
„Wen die Götter lieben…“: Soirée anlässlich von Aschermittwoch und Valentinstag
Morgen, Mittwoch, 14. Februar, 19.15 Uhr
Reformiertes Kirchgemeindehaus Kaiseraugst
Assel Abilseitova, Klavier & Etele Dosa, Klarinette spielen Werke von jung verstorbenen Komponisten:
► Sonate in a-Moll für Arpeggione und Klavier, D 821, von Franz Schubert (1797-1828)
► Duo für Klarinette und Klavier in Es-Dur, op. 15 von Norbert Burgmüller (1810-1836)
► Three Preludes von George Gershwin (1898-1937)
Moderation und Texte: Andreas Fischer & Jutta Wurm
Eintritt frei, Kollekte; anschliessend Apéro
Ref. Kirche Region Rheinfelden
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