Wirtschaftliche Auswirkungen eines Tiefenlagers Jura Ost
Von: mm/f24.ch
Geologische Tiefenlager für radioaktive Abfälle haben wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Auswirkungen auf eine Standortregion. Diese sollen möglichst früh und objektiv identifiziert werden, um negativen Entwicklungen entgegenzuwirken aber auch um die Chancen für positive Entwicklungen nutzen zu können. Mit diesem Ziel führt das Bundesamt für Energie (BFE) seit 2011 in allen potenziellen Standortregionen eine kantonsübergreifende sozioökonomisch-ökologische Studie (SÖW) durch. Nun liegt der erste Zwischenbericht zu den regionalwirtschaftlichen Wirkungen eines Tiefenlagers vor.
Das Vorgehen zur Analyse der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen von Tiefenlagern ist in der raumplanerischen Beurteilungsmethodik für den Standortvergleich in Etappe 2 beschrieben. Die Methodik basiert auf einem Ziel- und Indikatorensystem, das festlegt, welche Wirkungen eines geologischen Tiefenlagers erfasst und wie diese bewertet werden sollen.
Dazu wurden für die drei Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft Oberziele sowie mehrere Teilziele mit verschiedenen Kriterien und Indikatoren (Messgrössen) definiert, mit denen die Wirkungen ermittelt und bewertet werden können.
Die SÖW betrachtet jeweils die gesamte Standortregion über den Zeitraum vom Bau des Felslabors bis zum Verschluss der Anlage und veranschlagt dafür eine Dauer von 94 Jahren. Die SÖW stützt sich dabei auf möglichst objektivierbare Indikatoren ab, image-bedingte Wirkungen sind ausgeklammert. Sie werden in separaten Studien untersucht.
Regionalwirtschaftliche Effekte eines geologischen Tiefenlagers in der Region Jura Ost (Bözberg)
Die Region Jura Ost umfasst zusätzlich vier deutsche Gemeinden. Sie kommt als Standort für alle drei Lagertypen (SMA, HAA und Kombi) in Frage. Jura Ost ist mit 53’000 Beschäftigten die grösste unter den drei HAA-Standortregionen. Entsprechend ist auch ihre Wirtschaftskraft, gemessen am regionalen Bruttoinlandprodukt (BIP), unter den HAA-Standortregionen am höchsten.
Wertschöpfungs- und Beschäftigungswirkung eines Tiefenlagers
Die ansässige Wirtschaft kann in Jura Ost 95 % der Ausgaben1 eines SMA-Lagers, 92 % eines HAA-Lagers und 96 % eines Kombilagers für sich nutzen. Dadurch wird über die gesamte Projektdauer direkt und indirekt eine Wertschöpfung von 5.3 Mio. CHF (SMA), 16.3 Mio. CHF (HAA) und 20.3 Mio. CHF (Kombi) pro Jahr generiert. Im Verhältnis zur regionalen Wirtschaftskraft (BIP) entspricht dies 0.08 % (SMA), 0.23 % (HAA) bzw. 0.29 % (Kombilager).
Die Wertschöpfungsspitze wird während den Bauaktivitäten erreicht mit rund 21.4 Mio. CHF (SMA), 24.1 Mio. CHF (HAA) und 30.4 Mio. CHF (Kombi) pro Jahr. Dies entspricht rund 0.3 % bis 0.4 % der heutigen regionalen Wertschöpfung. Die grösste Wirkung entfaltet ein Kombilager.
Ein Tiefenlager generiert direkt und indirekt eine Beschäftigung von im Mittel 43 (SMA), 120 (HAA) bzw. 153 (Kombi) Vollzeitstellen pro Jahr. Während den Bauaktivitäten sind es entsprechend rund 190 (SMA), 200 (HAA) und 245 (Kombi) Vollzeitstellen.
Wirkungen auf den Tourismus
Jura Ost verfügt über ein dichtes Wanderwegnetz und über eine nationale Veloroute. Im Zentrum der Region liegt der Naturpark «Jurapark Aargau». Die wichtigsten Tourismusmagnete der Region sind die zwei Bäderzentren Bad Schinznach und Bad Säckingen. Rund 1'400 Arbeitsplätze (Vollzeitstellen) sind vom Tourismus abhängig, was 2.6 % der regionalen Beschäftigung entspricht.
Zur Einschätzung eines Wertschöpfungsrückgangs im Tourismus wurde die Sensibilität der Gäste gegenüber einem Tiefenlager eingeschätzt. Basierend auf dieser Einschätzung resultiert in der Region Jura Ost – unter Berücksichtigung der positiven Wirkungen des Besuchertourismus des Lagers – während dem Bau und dem Betrieb eines Tiefenlagers ein Rückgang der Wertschöpfung von 1.1 Mio. CHF pro Jahr.
Wirkungen auf die Landwirtschaft
Die Bedeutung der Landwirtschaft ist in Jura Ost mit 1720 Beschäftigten im Vergleich der HAA-Standortregionen am geringsten. Der Anteil der Beschäftigten im Weinbau beträgt 8 %. Zur Abschätzung möglicher negativer Wirkungen auf die landwirtschaftliche Wertschöpfung wurde der Anteil an Direktvermarktung abgeschätzt und diesem Anteil ein Rückgang von 5 % unterstellt. Der so ermittelte Rückgang der Wertschöpfung in der Landwirtschaft beträgt während dem Bau und Betrieb eines Tiefenlagers jährlich 0.4 Mio. CHF.
Steuern und Abgeltungen
Da ein Tiefenlager keinen Gewinn erwirtschaftet, fallen in den Standortregionen nur die Einkommenssteuern der direkt und indirekt Beschäftigten sowie allfällige Unternehmenssteuern derjenigen Firmen an, die Aufträge des Tiefenlagers ausführen. Die steuerlichen Wirkungen sind daher mit durchschnittlich zwischen rund 135’000 CHF (SMA) und 448’000 CHF pro Jahr (Kombi) gering.
Jede Standortregion wird zusätzlich in Form von Abgeltungen für die übernommene Leistung für die Gesellschaft finanziell entschädigt. Die Höhe dieser Abgeltungen beträgt nach heutiger Veranschlagung der Kernkraftwerksgesellschaften insgesamt 300 Mio. CHF (SMA), 500 Mio. CHF (HAA) oder 800 Mio. CHF für ein Kombilager, was im Durchschnitt rund 3.2, 5.3 bzw. gut 8.5 Mio. CHF pro Jahr entspricht. Die Abgeltungen übertreffen die Steuerwirkungen um ein Vielfaches.
Bewertung der Resultate
Im Rahmen der «Sozioökonomisch-ökologischen Wirkungsanalyse» werden die verschiedenen Indikatoren mit Nutzwertpunkten bewertet. Diese Vorgehensweise erlaubt eine Aggregation der Werte bis auf die Stufe der Oberziele und einen Vergleich zwischen den Standortregionen.
Unter dem Oberziel W 1, «Regionalwirtschaftliche Effekte optimieren», erzielt ein SMA-Lager in der Region Jura Ost 1.3, ein HAA-Lager 3.2 und ein Kombilager 4.5 Nutzwertpunkte.
Die Unterschiede zwischen den Regionen liegen für ein SMA-Lager zwischen 0.4 (Wellenberg) und 1.5 Punkten (Jura-Südfuss). Für ein HAA-Lager werden zwischen 3.0 (Zürich Nordost) und 3.2 Punkten (übrige) erzielt und ein Kombilager führt zu 4.1 (Zürich Nordost) bis 4.5 Punkten (übrige). Die Unterschiede sind für die HAA- und Kombilager und mit Ausnahme der Region Wellenberg auch für die SMA-Lager sehr gering und erlauben keine Rangierung der Regionen.
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