Mobilität prägt den Alltag vieler Menschen: Soziale Aktivitäten wie Wohnen, Arbeiten, Bildung und Freizeit sind oft räumlich voneinander getrennt. Prof. Joris Van Wezemael vom Departement für Geowissenschaften der Universität Freiburg erforschte die alltägliche Mobilität von AgglomerationsbewohnerInnen im Rahmen des interdisziplinäre Projekts des ETH Wohnforum – ETH CASE «S5-Stadt. Agglomeration im Zentrum».
Planung auf Augenhöhe
«Mobilität setzt Orte miteinander in Beziehung und damit entsteht ein neuer Raum, so etwas wie eine S5-Stadt», sagt Prof. Van Wezemael, der an der Universität Freiburg «Geography of Architecture» - im Sinne von Architektur als Organisation von Bewegungen - betreibt. Für das Teilprojekt «Mobilität: bewegter Alltag der Menschen in der S5-Stadt» griffen Van Wezemael und seine Kolleginnen Nicola Hilti und Stephanie Weiss die Grundidee des Gesamtprojekts auf, die eine Raumplanung auf Augenhöhe anstrebt.
Die Forschenden interessierten sich unter anderem für die Wahrnehmung der BewohnerInnen einer Agglomeration – dem gelebten und erlebten Raum – und deren Qualitäten und Entwicklungsperspektiven. Welche Wünsche und Bedürfnisse haben diese Menschen? Die WissenschaftlerInnen zeichneten exemplarisch ihre Wege, ihre Tätigkeiten unterwegs und ihre Strategien im Umgang mit der Mobilität nach. Interviews, teilnehmende Beobachtung und der Einsatz von verschiedenen Medien, etwa Fotografie und Film, dokumentierten was geschieht, wenn Menschen entlang der S5-Bahnlinie fahren. Meistens sitzen die Fahrgäste in der Bahn nicht still auf ihrem Platz, sondern lesen, hören Musik, kommunizieren oder wenden Taktiken an, um nicht zu kommunizieren, sie stellen sich beispielsweise schlafend, um den Platz neben sich freizuhalten. «Diese Beobachtungen scheinen trivial, widerspiegeln jedoch den Alltag von ca. 70 Prozent der Bevölkerung», sagt der Professor für Humangeographie.
Interaktiver Austausch Im Forschungsgebiet der «S5-Stadt» finden seit April und noch bis Oktober 2010 zahlreiche Veranstaltungen für das lokale Publikum statt: Vorträge, Podiumsdiskussionen, kulturelle Veranstaltungen, Führungen und fachlich kommentierte Spaziergänge regen dazu an, die eigene Region neu und aus ungewohnter Perspektive kennen zu lernen. Dank einem interaktiven Austausch mit den Forschenden werden alle Ergebnisse zurückgespielt und mit den Menschen vor Ort diskutiert und evaluiert. Mitte Oktober werden die wissenschaftlichen Forschungsberichte in einem E-Reader publiziert.
Ein attraktiv illustriertes Buch, das sich an eine breite Öffentlichkeit richtet, wird anfangs 2011 im hier+jetzt Verlag für Kultur und Geschichte erscheinen. Die zusammengeführten Forschungsresultate werden künftig Planungs- und Handlungsimpulse an die Region zurückgeben. «Von Anfang an ging das Gesamtprojekt von den Menschen aus und hat sie deshalb am Schluss auch wieder gefunden», was laut Van Wezemael einer Stärke des Projekts entspricht.
Ein neues Projekt
Die Projektpartnerschaft zwischen der Universität Freiburg und der ETH Zürich geht weiter. Der Schweizerische Nationalfond hat für das Nationale Forschungsprogramm NFP 65 «Neue urbane Qualität» fünf Forschungsprojekte bewilligt. Eines davon leitet Prof. Van Wezemael an der Universität Freiburg unter dem Titel «Urban Events: problems and prospects for promoting urban quality in Swiss suburban municipalities». Das NFP 65 erforscht die Qualitäten der Siedlungslandschaft Schweiz und zielt darauf, besser zu verstehen, wie sich Qualitätsziele zwischen ihrer politischen Definition, ihrer Anwendung in Planungsstrategien und ihrer Umsetzung in städtebaulichen Projekten verändern.
Das NFP 65 untersucht, wie in Zukunft Agglomerationen gestaltet, geplant und gebaut werden sollen, um deren Bevölkerung auch künftig eine gute Lebensqualität zu gewährleisten. Wichtig ist laut Van Wezemael das Zusammenspiel von raumplanerischen, geographischen und politischen Elementen. Die Resultate des Projekts sind auch für die Wissenschaft relevant: Politikwissenschaften, Geographie und Soziologie führen einen Dialog mit Städtebau und Architektur. Die unterschiedlichen Konzepte werden dadurch in Beziehung gebracht und weiterentwickelt.
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