Gutes Handwerk und jede Menge Glück
Von: Elisha
„Und wie findest du deine Themen?“, fragte Mona mit einem bewundernden Blick zur Seite. „Ich meine, hast du auch Quellen, die dir heisse Tipps geben, damit du zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle bist? Bezahlst du Menschen für Informationen, musst du sie vor Verfolgern schützen?“ Sie sah wieder hinüber zu ihrem neuen Schwarm, der den Wagen sicher über die dunkle Landstrasse lenkte.
„Ich fühle mich geschmeichelt“, sagte Jonas, „aber oft ist es einfach nur Glück. Und manchmal Beharrlichkeit. Ich habe bei der Sängerin Marianne drei Stunden gewartet, bis sie mit Bonnie Gassi ging. Das war die Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen.“
Ein silberner Porsche zog an ihnen vorbei, viel schneller, als sie fuhren.
„Huch!“ Mona zuckte zusammen. „Der hat es aber eilig.“
„Und die Strafe folgt auf dem Fusse … ähm … Reifen.“ Jonas sah dem Streifenwagen nach, der dem Rennwagen folgte und ihn schliesslich überholte. Die Polizei blieb stehen, einer der Männer stieg aus und machte ein Zeichen. Er wartete. Jonas trat auf die Bremse und näherte sich langsam. Genügend Zeit für eine Beobachtung. Verwarnung eines Rasers war nicht wirklich eine Nachricht für sich, aber es genügten oft Kleinigkeiten, um sein journalistisches Interesse zu wecken.
Und es lohnte sich. Anstatt nämlich anzuhalten, beschleunigte der Fahrer seinen Rennwagen und zog an den verdutzten Polizisten vorbei. Der Ausgestiegene stutzte, riss dann die Wagentür auf und sprang in sein Fahrzeug. Mit quietschenden Reifen fuhr der Kollege los.
Jonas pfiff durch die Zähne. „Hast du das gesehen?“
„Eine Verfolgungsjagd, hier bei uns!“ Mona krallte vor Aufregung die Finger um den Riemen ihrer Handtasche. „Fährst du hinterher?“ Ihre Augen blitzten.
„Die fahren bestimmt zweihundert, da kommt meine Karre nicht mit.“ Jonas fuhr an den Strassenrand. „Und wenn doch, könnte die Polizei mich festnehmen statt des Porschefahrers. Die Geschwindigkeitsbegrenzung gilt doch auch für Journalisten.“
„Ach, bist du langweilig“, maulte Mona, die im Geist schon eine wilde Jagd mit möglichem Schusswechsel mitverfolgt hatte. Sie zog die Luft ein, war aber insgeheim froh, sich nicht in Gefahr begeben zu müssen.
„Ich habe aber eine andere Idee“, sagte Jonas. „Damit du ein Bild von meiner Arbeit bekommst.“
Er kramte sein Handy hervor und tippte etwas ein. „Wenn du Lust hast, machen wir noch einen kleinen Besuch.“
„Ich habe keine Ahnung, was du vorhast, aber okay.“
„Na, die Polizei hat doch das Nummernschild. Das heisst, sie können den Fahrer ermitteln. Ich habe hier die Nummer eines Experten. Herr Bürgi ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, vielleicht ist er zu einem Interview bereit.“
„Und wonach willst du ihn befragen?“ Mona überlegte. „Nach der Höhe des Strafmasses?“
„Genau. Das ist nämlich die andere Seite von Journalismus: gründliche Recherche.“
Sie fuhren zu der angegebenen Adresse.
Der Anwalt öffnete ihnen und sah auf den Presseausweis in Jonas‘ Hand.
„Ich bin gerade erst nach Hause gekommen, aber treten Sie ein.“ Er blieb in der Diele stehen und sah Jonas sichtbar geschmeichelt an. „Sie haben Fragen zu meinem Fachgebiet?“
Bevor Jonas sie stellen konnte, ertönte die Klingel an der Wohnungstür.
„Entschuldigung“, sagte der Anwalt und öffnete. Ein Mann in Uniform stand im Eingang.
„Hallo Herr Bürgi“, sagte dieser betont freundlich. „Sind Sie der Halter eines silberfarbenen Porsche, Kennzeichen …“ Er sah auf einen Block in seiner Hand.
Jonas pfiff wieder und lehnte sich dann zu Mona hinüber. „Wie gesagt: Gutes Handwerk und jede Menge Glück!“
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