Die Trauer hat keinen Namen
Von: Caba
Vor ein paar Tagen «feierte» ich mein 15. Hochzeitsjahr. Die Ehe hielt zehn Jahre, nicht sieben, wie man annehmen könnte. In unserer Zeit erreichen Ehen selten das «verflixte siebente Ehejahr», da bilde ich mit meiner Generation schon eine Ausnahme.
Heute aber ist ein viel bedeutungsvollerer Tag: Der neunte Todestag meiner Mutter. Nach ihrem Tode sagte man mir: «Ein Jahr, dann wirst du die Trauer verarbeitet haben.». Gibt es ein Zeitlimit, ein Zeitgefäss für die Trauer?
In einigen christlich- europäischen Ländern wird Trauer auch nach aussen hin durch Tragen von schwarzer Kleidung symbolisiert oder durch die so genannten Klageweiber, die vor den Haustürensitzen, und offen und lauthals ihre Trauer kund geben. Sie scheuen sich nicht, ihren Verlust zu beklagen.
Damals, vor etwa dreissig Jahren wurde auch in unseren Breitengraden meist ein Jahr lang schwarz getragen, wenn jemand verstorben war. Es war üblich, den Toten zuhause aufzubahren, Totengebete zu sprechen und gemeinsam zu trauern. In einigen ländlichen und religiösen Gegenden gibt es dieses Ritual noch heute. Man scheute sich damals nicht, Trauer auch nach aussen offen zu demonstrieren, Trauer war kein Tabuthema.
Diese Sitte hat sich im Laufe der Jahre kräftig gewandelt. Kaum ist ein Mensch verstorben, wird er schon vom Bestattungsinstitut abgeholt. Diese direkte Auseinandersetzung fehlt heute vielen Menschen. Krankheit, Sterben und Tod, Gefühle der Hilflosigkeit und der Trauer sind schwer zu ertragen in einer schnelllebigen Gesellschaft, die auf Wachstum, Leistungszwang und Funktionalität ausgerichtet ist.
Die Realität zeigt, dass dem Trauern keine Bedeutung mehr zugemessen, dem Trauernden keine Anteilnahme, kein Verständnis entgegen gebracht wird. Diese Haltung zeigt sich bereits bei den Arbeitgebern: Drei Tage frei beim Tod von engen Angehörigen, heisst es da in den Arbeitsverträgen.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich damals während den verschiedenen Phasen meiner Trauer einfach zu funktionieren hatte, ich musste den Alltag genau gleich bewältigen wie immer. Da kann man leicht an die Grenzen stossen. Doch nicht nur die Trauer um eine verstorbene Person ist uns abhanden gekommen, auch das Trauern um einen verlorenen Arbeitsplatz, um einen Wegzug aus einer geliebten Gegend, um die Ablösung des Kindes, das durch den Berufsalltag seinen Platz in der Fremdbetreuung gefunden hat ...unsere Trauerkultur ist dabei, auszusterben.
Die Trauer aber braucht ihre Zeit und ihren Raum, genau so wie die dazugehörenden Rituale. Sonst nämlich dauert sie ewig.
Mutter du warst wie der See
den ich jahrelang vor meinem Hause hatte
ich bin nicht immer zu ihm gegangen
aber ich wusste, er war da
dies war beruhigend und schön.
ich liebte den See
und habe ihm dennoch oft die kalte Schulter gezeigt
da ich mich vor seinen Tiefen
und seinen unergründlichen Geheimnissen fürchtete
Sehnsucht nach der Mutter
der einzigen Mutter
der ewigen Mutter
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