Muss ich ein schlechtes Gewissen haben?
Von: Caba
Der Preis macht die Musik, sagt man. Nicht ganz zu Unrecht.
Ich als Konsumentin jedenfalls mag nicht warten, bis mir die Währungsgewinne zurückgegeben werden.
Warum soll ich in der Schweiz für Waren das Doppelte bis Dreifache bezahlen als in einem benachbarten EU-Land? Gehen etwa die Deutschen, Franzosen und die Italiener, die hier arbeiten und teilweise auch leben, nicht auch im EU-Raum einkaufen, nehmen aber ihren Lohn in Schweizer Franken entgegen?
Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich im Ausland einkaufe, derweil viele Akteure der Wirtschaft ausserhalb und im eigenen Land nicht auf ihre exorbitanten Gewinne und -Margen verzichten wollen?
Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich bei einem Einkauf erhebliche Einsparungen mache, dabei mein ohnehin mageres Budget damit aber entlasten kann? Seit ich in Frankreich oder Deutschland einkaufe - ich wohne ganz in der Nähe beider Grenzen - mache ich bei einem einfachen Wocheneinkauf eine Einsparung von mindestens dreissig Franken. Das sind im Monat zirka Hundertzwanzig Franken mehr in der Haushaltskasse, lediglich aus Einsparungen an Lebensmitteln und Haushaltartikeln.
Die Argumente gegen das Einkaufen in den angrenzenden EU-Ländern durch die höheren Lohn-, Miet- und andere Kosten in der Schweiz lasse ich nicht gelten. Sie rechtfertigen in keiner Weise die exorbitanten Preise, die extrem hohen Preisdifferenzen. Diese erlauben es nämlich längst noch, importierte Produkte zu einem tieferen Preis weiterzuverkaufen. Ganz besonders stossend und unfair finde ich, dass wir Schweizer und Schweizerinnen seit Jahren für einheimische Produkte im eigenen Land viel mehr bezahlen müssen als im nahen Ausland. Eine solche Preispolitik boykottiere ich, indem ich in den Nachbarländern einkaufe.
Wenn die schweizerische Wirtschaft nach dem Prinzip «Gewinne privat, die Verluste dem Staat» funktioniert, kann sie auch nicht mit der Solidarität des Volkes, ihrer Konsumenten und Konsumentinnen rechnen. Die vom Väterli Staat locker gemachten zwei Milliarden Fränkli zur Stützung der Export- und Tourismusbranche sind offenbar Gelder, die er aus eingesparten IV-Renten und nicht begangenen Eingliederungshilfen finanziert. Wie sozialverträglich ist denn dieses Hilfspaket?
Nicht zuletzt zeigt auch niemand den Moralfinger, wenn die Schweizer ihre Ferien im Ausland verbringen. Dass nun ausländische Touristen wegen des starken Schweizer Frankens ausbleiben, ist nicht die Schuld des Schweizer Volkes, als vielmehr derer Regierung.
Besondere Situationen verlangen besondere Massnahmen. Das trifft auch auf unsere Arbeiterklasse und die Mittelschicht zu: Wir kehren der Schweiz den Rücken, so lange sie nichts unternimmt, dass wir weiterhin wie Milchkühe gemelkt werden. Das uns nämlich «abgezockte» Geld können wir nicht re-investieren, hingegen können wir die gemachten Einsparungen im Ausland auf die eine oder andere Weise, direkt oder indirekt, wieder der Schweizer Wirtschaft zuführen. Es liegt allerdings an ihr, uns dies zu ermöglichen.
Mein Fazit: Das schlechte Gewissen müssten im Moment ganz andere haben.
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