Damals wie heute - Wenn die Wahrheit erstickt wird
Von: Caba
Für die meisten ist der Stephanstag einfach nur ein Anhängsel der Weihnachtstage, oft ein zusätzlicher Feiertag, ein Tag, wo die vertilgten Speisen an Heiligabend und am Weihnachtstag verdaut werden, das wieder brauchbare Geschenkpapier versorgt und die leeren Weinflaschen auf die Terrasse oder in den Keller gestellt werden. Die wenigsten wissen, dass der Stephanstag dem heiligen Stephanus geweiht ist, dem ersten der sieben Diakonen der urchristlichen Gemeinde in Jerusalem. In der Apostelgeschichte des neuen Testaments können wir lesen, dass diese Diakone von den Aposteln durch Handauflegung geweiht wurden.
Stephanus, ein heiliger Wundermann
Dem vorangegangen aber war ein Streit zwischen den griechisch (hellenistisch) sprechenden Juden in der Gemeinde und denen mit hebräischer Muttersprache. So kam es dann, dass sieben Männer mit gutem Ruf vom Geist Gottes und von Weisheit erfüllt ausgewählt wurden, die vielfältigen Aufgaben zu übernehmen, um die zwölf Jünger zu entlasten und den Streit in der Gemeinde zu entschärfen. Unter den ausgesuchten Männern befand sich Stephanus, ein Mann voll lebendigen Glaubens und erfüllt vom Heiligen Geist. In der Kraft, die Gott ihm schenkte, vollbrachte Stephanus grosses Staunen und erregende Wunder. Ausserdem war er ein begnadigter Prediger und verbreitete die Botschaft Jesus mit Leidenschaft und Überzeugung.
All dies nährte den Neid gewisser Leute und bald gab es solche, die gegen ihn auftraten und andere aus dem Volk dazu anstifteten, seinen Ruf zu schädigen. Sie liessen falsche Zeugen aussagen, so dass Stephanus mit den übelsten Vorwürfen dem obersten Priester vom hohen Rat vorgeführt wurde. Auf die Anschuldigungen hielt er eine lange und sehr eindrückliche Verteidigungsrede, am Schluss klagte er seine Ankläger selbst an, die bei seinen Worten sehr wütend wurden. Als Stephanus dann noch zum Himmel empor blickte, vom heiligen Geist erfüllt wurde und rief:«Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn an seiner rechten Seite Gottes stehen!», gerieten die Mitglieder des jüdischen Rates so in Rage, dass sie sich auf ihn stürzten und in die Stadt schleppten, um ihn zu steinigen.
Während sie ihn steinigten, bekannte sich Stephanus zu Jesus und rief: «Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!» Dann fiel er auf die Knie und flehte Gott an, seine Mörder nicht zu bestrafen und verstarb. Es gab einen Mann, der alles mitangesehen hatte und die Tat sogar guthiess: Es war Saulus, der spätere und bekennendste aller Apostel: Der Jünger Paulus. Stephanus' Steinigung war der Auftakt zu einer grossen Christenverfolgung in Jerusalems Apostelgeschichte.
Märtyrer damals und heute
Der Sarg des heiligen Mannes wurde nach einer langen Geschichte in Konstantinopel in einer Kirche beigesetzt. 560 sollte er in der Krypta von «St. Lorenzo fuori le mura» in Rom neben dem Leichnam des römischen Diakons Laurentius bestattet werden, worauf dessen Leichnam zur Seite gerückt sei, um seinem Vorbild Stephanus Platz zu machen.
In der Krypta dieser römischen Kirche enthält ein antiker Sarkophag die Gebeine von Stephanus und Laurentius. Ein Mosaik der unter Papst Pelagius II. um 585 erweiterten Kirche stellt Stephanus mit Pelagius, Laurentius mit Hippolytus dar. Stephanus und Laurentius gelten als die Stadtpatrons von Rom, seitdem wurden die beiden Erzdiakone und Erzmärtyrer häufig zusammen dargestellt. Sie gehörten zu den im Mittelalter am meisten verehrten Märtyrern.
Stephanus wollte die Wahrheit, an die er als frommer Mann glaubte, aber er wurde daran gehindert, schlimmer noch, er wurde für seine Überzeugung nach den damaligen Methoden getötet.
Heute, mehr als 2000 Jahre später finden wir auf dieser Welt immer noch Menschen, denen es ähnlich ergeht wie Stephanus: Su Su Nway aus Burma hat bei einer friedlichen Demo ein regierungskritisches Plakat hochgehalten. Dafür wurde sie zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Auch Aung San Suu Kyi aus Burma gehört zu 2200 politischen Gefangenen, die aufgrund ihres friedlichen Protests unter katastrophalen Bedingungen festgehalten werden. Liu Xiaobos Stuhl an der diesjährigen Nobelpreisverleihung in Oslo blieb leer. Er wurde in China wegen «Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt» zu elf Jahren Haft verurteilt. Er sitzt im Gefängnis, weil er der wichtigste Autor der Charta 08 ist - einem Manifest, das die Anerkennung fundamentaler Menschenrechte in China fordert. Man könnte gewiss noch ein paar Seiten füllen mit den Aufzählungen solcher Menschen.
Stephanus war einer von ihnen. Damals wie heute wurde und wird das Grundrecht eines Menschen aufs Schwerste verletzt und die Wahrheit im Schatten des Todesengel erstickt.
Der Stephanstag ist also nicht nur ein Tag der genüsslichen Verdauung. Er ist auch der Tag der Märtyrer.
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