Über Vaterschaft
Von: Elisha
Beim ersten Hinsehen dachte Georg, dass er sich verguckt hätte. Er schaute noch einmal hinüber zu dem Tisch, an dem die Frau mit den drei Teenagern sass. Doch, kein Zweifel! Das war seine Exfrau Stefanie, und neben ihr sein eigen Fleisch und Blut. Wie lange hatte er sie nicht mehr gesehen? Georg schüttelte den Kopf. Viel zu lange! Und nichts und niemand würde ihn jetzt davon abhalten, eine Verbindung zu suchen. Langsam näherte er sich dem Tisch.
Ganz bewusst ignorierte er Stefanies alarmierten Blick und ihr minimales Kopfschütteln. Gut, er würde sie nicht grüssen, auch wenn sie die Mutter seiner Kinder war. Er suchte also den Blickkontakt zu den Mädchen, die ihn mit riesigen Augen anstarrten. Sie waren schon keine Kinder mehr. Die Wölbung in ihren Blusen und die Schminke in ihren Gesichtern zeigten das deutlich.
„Was seid ihr gross geworden“, sagte er mit sichtlicher Genugtuung. „Fast schon richtige junge Damen!“
Aber anstatt sich über seine Worte still zu freuen, sahen sie ich gegenseitig an.
Die eine rollte mit den Augen, die andere kicherte nervös.
Georg leckte sich über die Lippe und suchte nach weiteren Worten. „Schön, dass wir uns treffen. Ihr wisst doch, wer ich bin?“
Natürlich erkannten sie ihn, das sah er in ihren Augen. Innerlich freute er sich auf eine Antwort. Er wartete darauf, dass sie ihn „Vati“ oder „Papa“ nannten.
„Der Erzeuger“, sagte die dritte Gestalt, und verblüfft erkannte Georg den Sprecher.
Stefanie mischte sich ein. „Jetzt haben wir uns alle begrüsst, dabei können wir es auch belassen“, schlug sie vor. Die Mädchen schauten wieder in ihre Speisekarten, als sei nichts Ungewöhnliches passiert. Der Junge aber sah ihn spöttisch an und meinte: „Lasst uns doch mal sehen, was er uns zu sagen hat.“
„Du hast ja eine tiefe Stimme“, rutschte es Georg hinaus.
„Ja, meinst du, wir hören mit der Entwicklung auf, nur weil du nicht da bist?“ Er schniefte.
„Aber wie siehst du aus, Johannes?“ Georg liess die Blicke über die dunkle Lederkleidung streifen, besah sich die spitzen Nieten an seinem Hals und die Piercings in Brauen, Nase und Lippe.
Sein Sohn schien sein Grauen zu geniessen, und er setzte sich in Pose. „Eindrucksvoll, nicht?“ Er grinste triumphierend.
„Was hast du mit ihm angestellt?“, wandte sich Georg an seine Exfrau. „Er war so ein netter Junge, und sportlich! Gestern habe ich noch meinen Kollegen erzählt, dass er bestimmt Pokale erstreitet. Was soll ich denen denn jetzt sagen?
Stefanie glotzte ihn mit offenem Mund an, und Johannes lachte laut.
„Du wagst es, mit uns anzugeben?“, fragte er ungläubig.
Jetzt mischte sich auch eins der Mädchen ein. „Dazu hättest du mal da sein müssen. Aber du bist ja gegangen, bevor wir überhaupt geboren waren!“ Sie schüttelte den Kopf.
Auch von der Schwester schien keine Hilfe zu kommen. „Und Jo war drei Jahre alt!“, fügte sie hinzu.
Georg sah von einem zum anderen, und eine ungeheure Wut baute sich in ihm auf.
„Es ist alles deine Schuld!“, schrie er auf, so dass alle Gäste in seine Richtung sahen. Und dann spie er einen weiteren Satz aus, in der Hoffnung, dass seine Exfrau zusammen brechen würde bei seinen Worten: „Du hast Monster aus ihnen gemacht.“
Allerdings sah sie nicht besonders getroffen aus, und bevor sie etwas erwidern konnte, mischte sich wieder dieser Junge ein. Sein eigener Sohn, aus seinem Samen gezeugt.
„Wir sind eine Familie, und du gehörst nicht dazu. Das war dein Wille, deine freie Wahl.“
Er legte beschützend die Arme um seine Schwestern.
„Und du hast dir jedes Recht auf einen Kommentar versagt. Geh einfach wieder. Geh.“
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