Warten auf den Brautkranz
Von: Elisha
Wir hatten uns das Datum ganz bewusst ausgesucht. „Ende März, da kann es schon warm sein“, meintest du. „Der Frühling hat dann gerade angefangen, bunte Blüten, wärmende Sonnenstrahlen, die ganze Welt feiert mit uns!“ Wie immer war ich fasziniert von deiner Begeisterungsfähigkeit, sah dir dabei zu, wie du auf den Zehenspitzen wipptest, ohne es zu bemerken.
Und so hatten wir uns geeinigt. Für dich war damit die Zeit der Vorbereitung angefangen, unzählige Listen zu Gästen, Torten und Dekorationsmöglichkeiten. Von dir angesteckt, gingen wir zusammen die Möglichkeiten durch, feierten in unserer Vorstellung Hochzeitsfeste in Schlössern und Burgen.
„Sag mal, hast du mal die Preise verglichen?“, fragtest du und stütztest deinen Kopf auf den Arm.
„Ja, billig wird das nicht.“ Ich kaute auf der Unterlippe. „Aber dafür werden wir einen wunderschönen Tag haben, an den wir lebenslang zurückdenken können.“
Du lächeltest selig und warfst mir ein Küsschen durch die Luft zu. „Ich könnte mir auch den Gemeinderaum vorstellen, mit Tischdecken und Kerzen in Altrosa. Wenn es warm genug ist und nicht regnet oder stürmt, können wir die Terrasse hinter dem Haus mit benutzen. Was meinst du?“
„Na ja, wenn wir nicht gezwungen sind, mehrere Monatsgehälter für die Hochzeit auszugeben, umso besser!“
„Und statt der Band könnte dein Bruder mit seinen Jungs Musik machen, da kommt bestimmt Stimmung auf.“
Vor meinem geistigen Auge tanzten deine Tanten zu dem eigenartigen Punksound, den mein Bruder zu seinem Lieblingsstil erkoren hatte, und ich grinste in mich hinein.
Bevor die ersten Knospen sprossen, war alles geplant und sämtliche Einladungen längst verschickt. Du hattest dich gegen einen Schleier entschieden, wolltest lieber einen Blumenkranz tragen.
„Ist das nicht ein bisschen unpraktisch, wenn unsere Freunde mit Reis werfen?“, gab Ich zu bedenken. „Da sammelt sich doch alles auf deinem Kopf.“
„Ist doch alles Glück!“, hast du gelacht. Aber ein anderer Kranz durchkreuzte unsere Pläne, denn mit dem Virus änderten sich alle Regeln. Je näher unser Termin beim Standesamt rückte, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass wir unsere Feier so würden durchführen können, wie wir es geplant hatten. Ein Zusammentreffen mit Familien und Freunden würde eine grossartige Gelegenheit zur Ansteckung bedeuten, und jede Woche wurden neue Einschränkungen bekannt gegeben, die das öffentliche Leben lahm legten.
„Scheiss-Pandemie!“, hattest du wütend gerufen und dann leise gesagt: „Die Feier können wir vergessen. Sollen wir alles verschieben?“
„Weiss nicht“, meinte ich ratlos und wischte mit dem Daumen die Tränen unter deinen Augen ab.
In der Nacht träumte ich einen Kriminalfilm nach dem anderen. Ich rannte lange Flure entlang, immer in Bewegung, immer auf der Suche. Und dann fand ich dich plötzlich, verschwitzt, nach Luft ringend, unter durchgeweichten Laken, von Maschinen und Monitoren umgeben.
„Sollen wir es verschieben?“, fragte die Krankenschwester und zog an einem Apparat, und ich schrie aus Leibeskräften. „Neiiiiin!“
„Was ist mit dir?“ Du beugst dich über mich, besorgt, verständnislos.
Mein Herz rast noch, und meine Decke hat sich um einen Schenkel gewunden.
„Ich möchte dich gern zur Frau nehmen“, stammele ich. „Wir bleiben bei dem Termin, und die Feier holen wir in anderen Zeiten nach.“
«fricktal24.ch – die Online-Zeitung fürs Fricktal
zur Festigung und Bereicherung des Wissens»