Mensch, überall hört man Klagen. Immer nur Klagen. Ich höre: «Das Leben ist schwer. Die Rezession ist an allem schuld. Die Kaufkraft sinkt. Alles ist so teuer. Die Arbeit stinkt mir. Ach, wenn nur nicht der Wecker am Morgen wäre. Immer diese Wäscherei und Büglerei. Diese ständigen Kritiken an der Regierung nerven mich. Gestern hatte ich Freunde zu mir nach Hause eingeladen. Das mache ich nicht mehr so schnell, ich musste danach drei Stunden lang die Wohnung putzen. Die Heizkostenrechnung bringt mich noch um. Mein Mann zieht mir immer die Decke weg in der Nacht, ich werde zukünftig im Wohnzimmer schlafen». Und so weiter und so fort.
Das ist ätzend. Und ich, ich bin mitten drin und bin auch ätzend. Ich klagte nämlich auch. Noch bis gestern. Bis ich eine Mail von einer Freundin erhielt, die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Und obwohl es mich bereits wieder erwischt, nach nicht mal einer Woche Unterbruch und ich zum dritten mal diesen Winter mit einer Erkältung im Bett liege, sehe ich die Dinge plötzlich etwas differenzierter. Auch wenn ich die Schnauze voll habe vom Winter, ich werde nicht mehr in Selbstmitleid baden. Seit ich erkannt habe, was diese Klagen eigentlich bedeuten, finde ich alles nur noch halb so schlimm.
Der Wecker, der mich am morgen weckt, bedeutet, dass ich am Leben bin. Der Korb voller Wäsche, die gewaschen und gebügelt werden muss bedeutet, dass ich genug Kleidung habe. Die Kritiken an der Regierung bedeutet, dass es eine Redefreiheit gibt. Die Unordnung nach einer Party mit Freunden bedeutet, dass man Freunde hat. Die hohe Heizkostenabrechnung bedeutet, dass ich es warm habe. Der Partner, der mir nachts die Decke wegzieht bedeutet, dass er nicht mit jemandem anders unterwegs ist. Das Kind, welches sein Zimmer nicht aufräumt und sich statt dessen eine Kindersendung im Fernseher anschaut bedeutet, dass es nicht auf der Strasse ist und ein zuhause hat. Die Steuerrechnung bedeutet, dass ich eine Beschäftigung habe. Die Kleider, die mir zu eng geworden sind bedeuten, dass ich genug zu Essen habe. Die Erkältung die ich habe, ist wetterbedingt und geht vorbei. (Wenn ich daran denke, dass in Zimbabwe die Cholera ausgebrochen ist und schon hunderte Menschen dahingerafft hat ...!)
Gestern sprach ich mit einem sehr jungen Secondo aus Italien. Er hatte vor knapp einem Dreivierteljahr eine Beiz übernommen, der auch ein Nightclub angehört. Er erzählte mir von den Schwierigkeiten und Herausforderungen, doch er beklagte sich nicht. Er arbeitet 16 Stunden am Tag, Ferien sind noch lange nicht in Sicht, das Personal fällt aus, in seiner Disco wird gekifft und einige seiner Gäste befanden den Ort für ideal, eine Schlägerei zu beginnen. Aber er macht mutig weiter, sucht nach neuen Wegen und glaubt an sich.
Er ist dankbar, dass er diese Chance erhalten hat. Kürzlich, so erzählte er mir, seien namhafte Bankmanager in sein Lokal gekommen. Zur selben Zeit wären am Stammtisch Greise mit zitternden Händen über ihrer Teetasse oder ihrem Bier gesessen, an einem anderen Tisch war ein verliebtes Paar und vorne beim Eingang hielt sich eine Gruppe Punks auf. Das sei ein Erfolgserlebnis gewesen, vertraute er mir an. Alle wären zufrieden gewesen. Diese noch so kleine Erfolgsgeschichte gab ihm neue Kraft und die Fähigkeit, unangenehmere Herausforderungen zu relativieren.
Von solchen Glücksmomenten können wir uns nähren. Sie sind wie ein Vorrat in schlechteren Zeiten. Damit wir auch in diesen gut über die Runden kommen.
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