Frohsinn sei auch mit dabei
Von: Elisha
„Hast du Lust zu einem Mädelnachmittag mit Glühwein und Plätzchen?“, hatte Lenas Stimme verheissungsvoll im Telefon geklungen. Sofort hatte Nadine den Geschmack von dem leckeren Eierpunsch auf der Zunge gehabt, und Bilder von kichernden und ausgelassen tanzenden Frauen waren in ihrem Gedächtnis aufgetaucht.
Irgendwann hatte bei der Feier im letzten Jahr jede das heisse Kostüm von Lena anprobiert, mit dem sie Fabian überraschen wollte: ein superkurzes, knallrotes Minikleid mit weissem Kunstfellbesatz am Saum und baumelnden Fellbommeln über den Brüsten. Nachdem sich auch Cindy hineingezwängt hatte, war es Lena auch nicht mehr so eng gewesen, so dass sie darin viel besser Luft bekam. Zu gern hätte Nadine zu dem Treffen zugesagt, stattdessen murmelte sie enttäuscht: „Am zweiten Advent kann ich nicht, da ist bei uns doch Geburtstagsfeier.“
Denn ihr Grosser, Rouven, wurde zehn Jahre alt, ein weiterer Meilenstein. Seine Weckversuche in den frühen Morgenstunden hatten sie und ihr Mann Lukas durch konzentriertes Schnarchen abwehren können, und inzwischen war ihr Sprössling vor Aufregung wieder eingeschlafen, so dass sie leise den Frühstückstisch vorbereiten konnten. Auf Zehenspitzen, um auch die anderen beiden nicht zu wecken, deckte Nadine Teller und Tassen auf den Tisch, während Lukas sich um Brot, Butter, Marmelade und Aufschnitt kümmerte.
„Die stürmen uns, wenn du weiter so klapperst …“, stichelte ihr Mann und drehte sich weg, damit sie die Besteckschublade öffnen konnte.
„Ach was! Jetzt noch die Kerzen und den Kuchen …“
„Keine Torte?“ Der kleine Vinz krabbelte auf seinen Stuhl.
„Guten Morgen. Doch, es gibt Torte, keine Sorge.“ Nadine öffnete die Tür zum Backofen und hob ein braunes Backwerk heraus. Es hatte die Form eines Schiffes, mit Waffelröllchen als Kanonenrohre im Bug und einer Reling aus bunten Schokolinsen. Der angemalte Anker war aus Zuckerguss, und die Segel aus farbigem Esspapier.
Vinz streckte gierig seine Hand aus, aber Nadine hielt sie fest, bevor sie seine Finger in das Boot bohren konnten.
„Nein, Vinz, das ist Rouvens Torte.“ Sie stellte das Kunstwerk schnell ausserhalb seiner Reichweite auf den Tisch und verteilte kleine Piratenfiguren auf dem Deck. „Er hat heute Geburtstag, und er hat sich diese Torte gewünscht.“ Vinz verzog das Gesicht und schmollte.
Wenig später war alles vorbereitet und auch Linda und Rouven wach. Lukas und Nadine standen am Tisch und sangen: „Viel Glück und viel Segen, auf all deinen Wegen …“, Linda brummte, Vinz quiekte mit. Rouven schaute gerührt von der Piratentorte zu dem hölzernen Kranz, der mit Kerzen bestückt war.
„Jetzt darfst du sie ausblasen“, sagte Nadine und hielt Vinz die Hand vor den Mund, weil er sich schon eifrig mit „Pff, pff“ abmühte. „Nicht, du, Vinz!“
Rouven musste zweimal pusten, dann waren alle Kerzen verloschen. Vinz plärrte.
„Darf ich jetzt die Geschenke auspacken?“, fragte Rouven und zeigte auf die Pakete im Geschenkpapier.
„Klar, darfst du!“ Lukas lächelte stolz. Er hatte am Vorabend zwei Stunden damit zugebracht, die kleinen und grösseren Päckchen ordentlich zu verpacken. Rouven riss mit beiden Händen von allen das Papier ab. Piratenspielzeug kam zum Vorschein: ein Riesenhai aus Steckbausteinen, ein Kompass, ein Floss …
„Was, kein Schiff?“ Anstelle eines Freudenschreis Enttäuschung in seiner Stimme.
„Aber das wolltest du dir doch zu Weihnachten wünschen!“ Nadine wischte sich schnell eine kleine Träne aus dem Auge.
Bevor jemand reagieren konnte, hatte sich Vinz das Floss geschnappt, rutschte vom Stuhl und rannte los. „Meins!“, schrie er aus Leibes Kräften. „Meins!“
Das Telefon klingelte, und Lukas rief: „Nadine, für dich! Es ist Lena!“
Wieder bildete sich eine Träne in Nadines Auge. Richtig neidisch stellte sie sich vor, was die Mädels heute für einen Spass haben würden, während sie sich selbst festgenagelt fühlte.
„Ja?“, fragte sie in mauligem Ton.
„Ina ist krank, und ich habe eine gute Nachricht für dich.“
„Ja?“, fragte Nadine verwundert. Sie wartete.
„Na, Mädelsabend erst nächste Woche! Kannst du am dritten Advent?“
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