Auf Mörderjagd
Von: Elisha
Eigentlich waren sie ein brauchbares Team. Jana wusste, dass es an ihr lag, immer die besten Informationen zu beschaffen. Sie schüttelte ihr diesmal grellgrünes, langes Haar und schritt mit rauschendem Saum an beiden vorbei, strich sich den Rock glatt und setzte sich auf die Ecke von Kevins Schreibtisch. Sie hatte sich genau so platziert, dass er es nicht als grob unhöflich auffassen würde, aber dennoch ein mulmiges Gefühl durch diese Grenzverletzung erleben würde, ohne sich wirklich dessen bewusst zu sein. Dann konnte sie sich seiner Aufmerksamkeit besonders sicher sein. Sie lächelte, zeigte ihre glänzenden Lippen mit den makellosen Zähnen.
„Wie ich in den sozialen Medien herausgefunden habe, ist der Mörder diesmal …“
„…der Gärtner!“, unterbrach Simon ihren Redefluss.“
Jana blickte auf, irritiert. Wussten sie mehr als sie?
„Der Mörder ist immer der Gärtner!“, fiel jetzt auch Kevin ein, während Simon das alte Lied summte. Beide lachten.
„Ach, ihr seid untragbar!“ Jana schob ihre Unterlippe vor, verzog das Gesicht.
„Sachte!“ Simon hob seine verbundene Hand wie zur Beruhigung, und Jana starrte darauf und überlegte. Noch während sie die Lösung murmelte, bearbeitete ihr Hirn schon das nächste Problem.
„Nach gut unterrichteten Kreisen ist der Mörder diesmal der Fotograf. Aber Simon, du kannst ja gar nicht los, um ein Foto zu schiessen!“
„Nein, Jana, da hast du recht.“ Simon genoss sichtlich ihre Aufmerksamkeit, hob das eingegipste Bein einen Millimeter. „Ich bin nicht in der Lage, auf Jagd zu gehen.“
„Hach Mist! Dieser blöde Unfall!“ Sie drehte sich auf ihrem Platz, schaute sich im Zimmer um. „Dabei wäre das so eine gute Story gewesen.“
Denn so funktionierte ihr Trio: Jana setzte das Thema und besorgte die Fakten, Kevin setzte alles zu einer spannenden Geschichte zusammen und Simon besorgte einen Schnappschuss, der die Lesenden neugierig und damit klickbereit machte.
„Dann müssen wir die Rollen diesmal anders verteilen!“, seufzte Simon und sah Kevin direkt an. „Nicht, dass ich dir mein Schätzchen von Kamera gern überlasse! Aber dann musst du mal los und den Täter festnageln, und ich tippe mit meiner heilen Hand ein paar Zeilen dazu.“
„Der zu fotografierende Fotograf. So machen wir das!“ Er griff nach dem Apparat und der Fototasche. Jana nickte und schob ihm einen Zettel zu. „Da kannst du ihn jetzt finden.“
Wenig später stand Kevin vor dem Anwesen, in dem sich der Verdächtige aufhalten sollte. Er war nicht der einzige, in der Einfahrt tummelten sich mehr als zehn Journalisten. Alle Fotos würden sich gleichen, ein verwaschener Versuch, den Fotografen beim Vorbeifahren abzulichten. Und dann noch der Text von Simon. Er stöhnte. Die so dringend notwendigen Klicks konnten sie vergessen. Er schlich an der Mauer entlang, suchte ein Gartentörchen. Dann wählte er Janas Nummer.
„Weisst du, wie ich auf das Grundstück komme?“, fragte er.
„Da müsste ein Holunder in der Hecke sein“, teilte sie ihr Insiderwissen. „Vielleicht passt du da durch.“
„Gut, ich versuche die Hecke“, flüsterte er. „Bleib mal dran, vielleicht hast du noch einen Tipp!“
Tatsächlich, er konnte sich durchzwängen und dann im Schutz der Pflanzen zu dem Haus schleichen. Ein riesiges Fenster gewährte ihm Einblick. Da bewegte sich jemand durch den Raum, und eine Gestalt in Schwarz-weiss wischte mit einem Tuch über die Blätter der Zimmerpflanzen. Kevin wisperte, damit Jana am Handy Bescheid wusste. Dann beugte er sich vor, die Kamera im Anschlag.
„Ich bin ein fotografierender Fotografenfotografierer.“
„Kevin, nicht jetzt! Mach das Foto!“
„Er sieht nicht aus wie ein Fotograf. Eher wie ein Butler.“
„Der Butler hat das Foto gemacht und ist der Mörder. Schiess das Bild!“
In dem Augenblick flammte neben Kevin ein Blitzlicht auf, er hatte mit dem Handy aus Versehen ein Selfie gemacht „Ich bin ein fotografierter Fotografenfotografierer“, wunderte er sich. Durch das Handy hörte er Simon singen: „Der Mörder war diesmal der Butler!“, und dann endlich löste die Kamera aus und hielt die Gestalt im Zimmer fest. Geschafft!
«fricktal24.ch – die Online-Zeitung fürs Fricktal
zur Festigung und Bereicherung des Wissens»