Uneinigkeit beim Sexualstrafrecht
Von: mm/f24.ch
Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-S) bringt bei der Frage der Formulierung des neuen Tatbestands der Vergewaltigung eine neue Variante ins Spiel, welche den Schockzustand des Opfers ausdrücklich erwähnt. Bei den übrigen Differenzen beantragt sie ihrem Rat, an ihrem ursprünglichen Entwurf festzuhalten.
Die Kommission hat sich im Rahmen der Differenzbereinigung zur Revision des Sexualstrafrechts (Entwurf 3) ausführlich mit den Erwägungen des Nationalrats befasst, der sich in der Wintersession 2022 für die sogenannte Zustimmungslösung («nur ein Ja ist ein Ja») ausgesprochen hat.
Die RK-S lehnt diese im Grundsatz weiterhin ab, denn diese Variante ist ihrer Ansicht nach weder mit den beweisrechtlichen Grundsätzen des Strafprozesses vereinbar noch löst sie die Frage, wie eine angemessene strafrechtliche Würdigung der Willensmängel bei dieser Lösung aussehen würde.
Sie hat sich jedoch einstimmig für eine Anpassung der ständerätlichen Formulierung der Tatbestände des sexuellen Übergriffs (Art. 189 Abs. 1 StGB) und der Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 StGB) ausgesprochen, um das sogenannte «Freezing (dt. erstarren)» ausdrücklich zu erwähnen («… oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt»).
Mit der expliziten Nennung des Schockzustands möchte sie den im Nationalrat geäusserten Befürchtungen begegnen, dass die Fälle des sexuellen Übergriffs oder der Vergewaltigung bei der vom Ständerat favorisierten Ablehnungslösung nicht erfasst seien, wenn sich das Opfer im Zustand einer tonischen Immobilität befindet.
Die Kommission schlägt überdies vor, im Gesetz ausdrücklich die Möglichkeit der Anordnung von Lernprogrammen bei Delikten gegen die sexuelle Integrität zu verankern (12 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung).
Mit diesem Vorschlag, der noch der Zustimmung der Schwesterkommission bedarf (Art. 89 Abs. 3 ParlG), möchte die Kommission ein Element der Prävention im Gesetz verankern. Sie ist der Ansicht, dass solche Lernprogramme bei der Bekämpfung der sexuellen Gewalt gegen Frauen letztlich mehr bewirken als die symbolische Festschreibung eines bestimmten Prinzips im Sexualstrafrecht.
Im Übrigen hält die Kommission an ihrem ursprünglichen Entwurf fest. Mit 12 zu 0 Stimmen spricht sie sich insbesondere dafür aus, bei der Frage der Unverjährbarkeit von Sexualdelikten beim geltenden Recht zu bleiben und eine Unverjährbarkeit lediglich bei Delikten festzuschreiben, die an Kindern unter 12 Jahren (Nationalrat: 16 Jahre) begangen wurden.
Bei der Frage der Strafrahmen beim Tatbestand der Vergewaltigung (Art. 190 StGB) hält die Kommission ebenfalls an ihrem ursprünglichen Entwurf fest. Sie hält mit jeweils 6 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung und dem Stichentscheid des Präsidenten daran fest, im Grundtatbestand die Möglichkeit der Geldstrafe vorzusehen und für die qualifizierte Vergewaltigung eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vorzusehen.
Eine Minderheit beantragt ihrem Rat hier jeweils, dem Nationalrat zu folgen; das heisst, im Grundtatbestand die Geldstrafe zu streichen und für die qualifizierte Vergewaltigung eine Mindeststrafe von mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe vorzusehen.
Deutlich abgelehnt hat die Kommission die vom Nationalrat neu eingefügte Bestimmung zum «Cybermobbing» gemäss Artikel 179undecies E-StGB und die Streichung des ständerätlichen Vorschlags zur Bestrafung der sogenannten Rachepornographie gemäss Artikel 179a E-StGB (mit 12 zu 1 Stimmen).
Die Kommission bemängelt, dass der nationalrätliche Vorschlag zu einer erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit führen würde. Aus ähnlichen Überlegungen spricht sie sich auch weiterhin einstimmig gegen die Bestrafung des «Cybergrooming» gemäss Artikel 197b E-StGB in der nationalrätlichen Fassung aus.
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