Ärztliche Beihilfe zum Suizid - Bundesgericht spricht Arzt frei
Von: mm/f24.ch
Ein Arzt hat mit der Abgabe von Natriumpentobarbital an eine sterbewillige urteilsfähige gesunde 86-jährige Frau nicht gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Genfer Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Arztes durch das Genfer Kantonsgericht ab. Bereits 2021 hat das Bundesgericht entschieden, dass kein Verstoss gegen das Heilmittelgesetz vorliegt.
Rückblick
Eine gesunde und urteilsfähige 86-jährige Frau hatte im April 2017 das tödlich wirkende Natriumpentobarbital eingenommen, das ihr der Arzt verschrieben hatte. Die Frau schied gleichzeitig mit ihrem Mann aus dem Leben, der an einer tödlichen Krankheit litt.
Die Frau hatte bereits Ende 2015 notariell festhalten lassen, dass sie ihren Ehemann nicht überleben wolle. Ende März 2017 bekräftigte die Frau ihren Sterbewunsch bei ihrem Hausarzt, der ihr diesbezüglich die Urteilsfähigkeit attestierte.
Das Polizeigericht des Kantons Genf verurteilte den Arzt 2019 wegen Verstosses gegen das Heilmittelgesetz (HMG) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen und zu einer Busse von 2’400 Franken. Das Kantonsgericht des Kantons Genf bestätigte den Entscheid 2020.
Mit Urteil vom 9. Dezember 2021 hiess das Bundesgericht die Beschwerde des Arztes gut. Es kam zum Schluss, dass das HMG im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelange.
Das Bundesgericht hob den angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache zurück ans Kantonsgericht zur Prüfung der Frage, ob allenfalls eine Verletzung des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) vorliege. Das Kantonsgericht verneinte dies mit Entscheid vom Februar 2023. Die Genfer Staatsanwaltschaft gelangte dagegen ans Bundesgericht.
Aktuelles Urteil
Das Bundesgericht weist die Beschwerde in seiner öffentlichen Beratung vom 13. März 2024 ab. Das BetmG enthhalte keine Grundlage zur Bestrafung des Arztes. Strafen dürften nur ausgesprochen werden, wenn eine Handlung gesetzlich ausdrücklich verboten sei, konstatiert das Bundesgericht.
Das BetmG ziele darauf ab, die Abgabe von Betäubungsmitteln zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken zu regeln und die Betäubungsmittelabhängigkeit zu bekämpfen. Die ärztliche Abgabe von Natriumpentobarbital an eine gesunde Person sei nicht medizinisch indiziert und diene keinem therapeutischen Zweck. Vielmehr stellten sich dabei ausschliesslich ethische und moralische Fragen.
Die Frage der Rechtmässigkeit einer Abgabe von Natriumpentobarbital an eine gesunde Person lasse sich somit nicht auf Basis des medizinischen oder pharmakologischen Wissensstandes beantworten, noch der Wissenschaft überhaupt. Es liege somit kein nach dem BetmG strafbares Verhalten vor.
Es sei nicht Sache des Strafrichters, die geltenden Gesetzesbestimmung besonders weit auslegen, noch dazu bei einem so umstrittenen und sensiblen Thema wie der Beihilfe zum Suizid. Gegebenenfalls läge es am Gesetzgeber, die gesetzlichen Grundlagen für die ärztliche Abgabe von Natriumpentobarbital an eine gesunde Person den ethischen und moralischen Konzeptionen anzupassen, die in der Gesellschaft mehrheitlich geteilt würden.
Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass ein Arzt trotz fehlender Strafbestimmungen im geltendem Recht Natriumpentobarbital nicht ohne weiteres an gesunde Personen abgeben dürfe. Er laufe Gefahr, seine berufliche Verantwortung als Arzt übernehmen zu müssen, sei dies in zivil- oder verwaltungsrechtlicher Hinsicht, so das Budesgericht.
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