OECD warnt vor weltweiter Konjunkturabkühlung
Von: mm/f24.ch
Im gestern erschienenen Interim Economic Outlook rechnet die OECD für dieses Jahr mit einem bescheidenen Wachstum des globalen BIP von drei Prozent und für 2023 mit einer weiteren Wachstumsverlangsamung auf nur noch 2,2 Prozent. Damit ist das Wachstumstempo deutlich geringer als vor dem Krieg erwartet und die globale Wirtschaftsleistung fällt 2023 um rd. 2,8 Billionen US-Dollar niedriger aus als ursprünglich angenommen.
Der Krieg hat die Energiepreise, insbesondere in Europa, weiter in die Höhe getrieben. Dadurch hat sich der Inflationsdruck in einer Zeit erhöht, in der die Lebenshaltungskosten weltweit wegen der Nachwirkungen der Coronapandemie ohnehin schon stark gestiegen sind.
In vielen Volkswirtschaften geben die Unternehmen ihre höheren Energie-, Transport- und Personalkosten an die Kunden weiter. Die Inflation erreicht mittlerweile Niveaus, wie wir sie seit den 1980er Jahren nicht mehr erlebt haben. Dies zwingt die Zentralbanken, die geldpolitischen Zügel schneller anzuziehen als erwartet.
Angesichts der Inflation und der Energieversorgungskrise, die der Krieg mit sich bringt, hat die OECD ihre vorherigen Wachstumsprojektionen weltweit nach unten korrigiert. Das jährliche BIP-Wachstum wird sich den Projektionen zufolge 2023 auf rd. ½ Prozent in den Vereinigten Staaten und ¼ Prozent im Euroraum verlangsamen.
In mehreren europäischen Volkswirtschaften könnte es während der Wintermonate zu stärkeren Rückgängen kommen. Auch in China hat das Wachstum einen Dämpfer erlitten und dürfte 2022 voraussichtlich auf 3,2 Prozent absacken. Dies ist – abgesehen von der Pandemiephase 2020 – die niedrigste Wachstumsrate in China seit den 1970er Jahren.
Die Inflation wird gemäss der OECD-Studie den Projektionen zufolge im Jahresverlauf 2023 in den meisten G20-Staaten allmählich nachlassen, da die geldpolitische Straffung zunehmend Wirkung zeigt und das Wachstum der Weltwirtschaft abnimmt. Die Gesamtinflation dürfte in den G20 von 8,2 Prozent in diesem Jahr auf 6,6 Prozent 2023 zurückgehen und in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften der G20-Gruppe von 6,2 Prozent in diesem Jahr auf vier Prozent 2023 sinken.
Die wirtschaftlichen Aussichten sind mit erheblicher Ungewissheit und bedeutenden Abwärtsrisiken behaftet. Dazu zählen die Gefahr weiterer Nahrungsmittel- und Energiepreissteigerungen, die viele Menschen in die Armut treiben könnten. Auch mögliche Engpässe bei der Gasversorgung in den nahenden Wintermonaten auf der Nordhalbkugel gehören dazu.
Es wird laut der Studie entscheidend sein, den Energieverbrauch zu senken und die Bezugsquellen zu diversifizieren. Engpässe würden die globalen Energiepreise in die Höhe treiben, das Vertrauen beeinträchtigen und wahrscheinlich das finanzielle Umfeld verschlechtern. Zudem könnten sie Massnahmen erforderlich machen, um Unternehmen zur vorübergehenden Verringerung ihres Gasverbrauchs zu zwingen.
Insgesamt, so die Studie-Autoren, könnten diese Schocks das Wachstum der europäischen Volkswirtschaften 2023 im Vergleich zum Basisszenario um mehr als 1¼ Prozentpunkte drücken und die Inflation um mehr als 1½ Prozentpunkte erhöhen. Damit würde vielen Ländern für das Gesamtjahr 2023 eine Rezession drohen. Auch 2024 würde das BIP-Wachstum noch geschwächt.
Weitere bedeutende Risiken gehen von den anhaltenden Korrekturen an den chinesischen Immobilienmärkten aus. Diese könnten zusammen mit der hohen Unternehmensverschuldung in China und einer Fortführung der Null-Covid-Politik einen gravierenderen Wachstumseinbruch in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt auslösen als in den Projektionen unterstellt.
Hinzu kommen die anhaltenden Kosten der globalen Lieferkettenprobleme sowie mögliche Schuldenkrisen und finanzielle Ansteckungseffekte in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften und Niedrigeinkommensländern.
In den meisten führenden Volkswirtschaften wird eine weitere Straffung der Geldpolitik notwendig sein, um den Inflationsdruck nachhaltig zu reduzieren. Diese Massnahmen müssen sorgsam austariert werden, da unklar ist, wie schnell die höheren Zinssätze Wirkung zeigen und welche Spillover-Effekte die restriktivere Geldpolitik in anderen Ländern mit sich bringt.
Fiskalische Massnahmen können die Auswirkungen der hohen Energiekosten auf private Haushalte und Unternehmen abfedern. Sie sollten sich jedoch auf besonders gefährdete Gruppen konzentrieren. Auch dürfen sie Anreize zur Verringerung des Energieverbrauchs nicht untergraben. Angesichts der hohen Inflation sollten die fiskalischen Massnahmen zur Absicherung des Lebensstandards keine anhaltenden Konjunkturimpulse bewirken. Bedürftigkeitsabhängige Transferleistungen an private Haushalte erfüllen diese Voraussetzung weitgehend.
Die Bewältigung der Energiekrise erfordert mehr Anstrengungen, um alternative Bezugsquellen zu erschliessen. Zugleich muss dafür gesorgt werden, dass alle Wirtschaftssektoren Anreize haben, ihren Energiebedarf zu reduzieren. Ausserdem müssen die Regierungen dringend die Investitionen in die Energieversorgungssicherheit beschleunigen und in die ökologische Transformation investieren, fordern die Autoren der OECD-Studie «Der Preis des Kriegs - wer bezahlt.»
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